Jetzt sind die Ziegen am Zug
Ziegen ernähren sich zu 60 Prozent von Gehölzen und zu 40 Prozent von Grünzeug. Das ist praktisch, wenn man ein Gebiet auslichten will, das zu 100 Prozent aus Dickicht besteht. Den Bereich der Mainleite unterhalb des Jägerpfads, zum Beispiel. Der Pfad markiert eine Grenze: Oberhalb mehr oder weniger gepflegte Gärten, unterhalb undurchdringlicher Dschungel aus niedrigen Gehölzen. Das ist weder übermäßig schön noch artenreich, vor allem aber bietet es mehreren Wildschweinrotten mit rund 60 Tieren ideale Lebensbedingungen, zerstörerische Raubzüge in die Gärten oben inklusive.
Der Verein Mainleite Schweinfurt-Schonungen, gegründet vor gut einem Jahr, hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen völlig verbuschten Teil der Mainleite aufzuwerten – optisch wie ökologisch. Und zwar mit einem denkbar natürlichen Eingriff: Anfang kommender Woche wird der Schäfer Dietmar Weckbach aus Ehrenberg am Fuße der Wasserkuppe rund 30 Ziegen auf ein etwa 1,5 Hektar großes Teilstück setzen. Das ist angesichts der Gesamtfläche noch nicht sehr viel, aber es ist ein Anfang.
Die Idee war 2005 schon einmal in einem Stadtratsbeschluss festgehalten worden, wurde aber angesichts der mit 70 000 Euro veranschlagten Kosten für eine vorbereitende Entbuschung nie umgesetzt. Nun, nach Gesprächen des Vereins mit Grundstücksbesitzern, mit den Stadtratsfraktionen, mit der Rathausspitze und einem gemeinsamen Antrag von Linken, SWL, Grünen und prosw, kommt Bewegung in das Projekt.
Eine weitere Hürde war genommen, als das Umweltamt die Idee hatte, den finanziellen Aufwand über einen besonderen Fördertopf zu decken, wie Friedel Tellert berichtet: So genannte Kleinstprojekte bezuschusst der Freistaat zu 100 Prozent mit jeweils 2500 Euro. Tellert ist zweiter Vorsitzender des Vereins und Verbindungsmann zu Stadt.
Teil eins des Ziegenprojekts wurde in zwei Kleinstprojekte aufgeteilt: 2500 Euro gibt es für die Anschaffung der zwölf Zaunstücke a 50 Meter und die Wassertröge, 2500 Euro für das Schlagen der Schneisen und den Aufbau des Elektrozauns, was Weckbach und seine Mitarbeiter am Dienstag und Mittwoch erledigt haben. Der Abschnitt von 170 Metern längs des Jägerpfads und 130 Metern den Hang hinunter steht bereits jetzt unter Strom, damit die Wildschweine lernen, dass sie hier unerwünscht sind.
Der Strom kommt aus einem der Häuser oberhalb, das Wasser für die Tröge aus dem Brunnen eines der Gärten – beides stellt der Verein. Die Ziegenfläche gehört fünf verschiedenen Eigentümern, die alle ihre Zustimmung gegeben haben. Sie bekommen dafür sozusagen gratis tierische Landschaftspflege, allerdings erwartet der Verein dafür auch Mitarbeit bei der Nachpflege des Areals. Den wenn die Ziegen im November in ihr Winterquartier in Greßthal abziehen, muss alles entfernt werden, was zwar angenagt oder geschält aber nicht vollständig verspeist ist.
An zwei Samstagen im Februar haben Mitglieder vier Lichtungen ins Dickicht geschlagen, von denen aus die Ziegen sich sozusagen in die Gehölze fressen sollen. Irgendwann, so hoffen Tellert und der Verein, entstehen lichte, freie Flächen, die für die Wildschweine uninteressant sind – durchsetzt nur noch von einzelnen Bäumen und Büschen, Heimat für artenreichere Flora und Fauna.
Dietmar Weckbach, Schäfer in fünfter Generation, hat schon in drei Landkreisen erfolgreich Ziegen eingesetzt. Das Schweinfurter Gelände hält er für ideal, er warnt allerdings vor ungeduldigem Enthusiasmus: „Das ist jetzt erstmal ein Anfang. Ich will zeigen, was die Ziegen können, damit alle verstehen, wie das läuft. Da braucht mir auch niemand reinzureden, ich weiß, was ich tue. Alle denken immer, die Ziegen fressen einfach alle Bäume weg. Die fressen das Kleingehölz.“ Und dann brauche es ein langfristiges Konzept: „Ich will mit dem Chef der Naturschutzbehörde darüber sprechen, wie man weiter vorgeht.“ Denn mit Ziegenbeweidung und der richtigen Nacharbeit und Pflege könne man für wenig Geld den ganzen Berg dauerhaft sauberhalten.