Es ist keine leichte Kost, die Regisseur Bernd Lemmerich Anfang Mai im Theater an der Disharmonie bietet. Aber das Thema der Veranstaltungsreihe „Gewalt und Friedfertigkeit“ hat über alle Zeiten hinweg Relevanz. Zwei Abende sind längst verstorbenen Schriftstellern gewidmet – Nâzim Hikmet und Fernando Pessoa – der dritte einem aktuellen Geschehen. Noch eines ist Lemmerich wichtig: der Blick über den Tellerrand, die Auseinandersetzung mit anderen Sprachen und Kulturen.
„Cuántas muertas son muchas?“ (Wie viele Tote sind viele?) – diese Frage steht über der Szenischen Lesung am 3. Mai, 19.30 Uhr, zum Leben und Sterben in Ciudad Juarez, einer Grenzstadt zwischen den USA und Mexiko. Es geht um Macht und Gewalt, Schweigen und Schmerz, Widerstand, Glaube und Hoffnung in einer Stadt, die zu den gefährlichsten der Welt gehört. Die Lesung in deutscher und spanischer Sprache ist der 2011 ermordeten mexikanischen Menschenrechtlerin und Dichterin Susana Chávez gewidmet.
Constanze Lemmerich, Tochter von Bernd Lemmerich, arbeitet an einem Projekt in Caracas, das sich zur Aufgabe gemacht hat, international über die Verletzungen von Menschenrechten aufzuklären und über die Vorfälle zu berichten. In Zusammenarbeit mit dem Allerweltshaus Köln, der Mexikoinitiative Köln-Bonn und dem kollektiv tonali wurden die Lesungen, die mit Musik und Bildern verstärkt werden, konzipiert. Aufführende sind Constanze Lemmerich, Josué Avalos und Javier Hernández.
Für den Abend über Nâzim Hikmet (1902-1963) am 4. Mai, 19.30 Uhr, hat Bernd Lemmerich Engin Secgin engagiert, jenen Schweinfurter mit türkischen Wurzeln, der seine schauspielerische Begabung immer wieder im Theater an der Disharmonie unter Beweis stellt. Lemmerich und Secgin haben eine Szenische Lesung mit politischer und Liebeslyrik von Hikmet auf Türkisch und Deutsch erarbeitet. Der türkische Dichter und Dramatiker verbrachte wegen seiner politischen Überzeugungen die meiste Zeit seines Lebens in Gefangenschaft und im Exil.
„Im Übrigen bin ich verrückt“ steht über der dritten Veranstaltung am 5.Mai, 19.30 Uhr. Lemmerich inszeniert eine literarisch-musikalische Hommage an Fernando Pessoa (1888-1935) in Deutsch und Portugiesisch. Wer war Pessoa? Er gilt als erster moderner Dichter Portugals, der sich hinter den unterschiedlichsten Pseudonymen verborgen hat. Er nannte sich Álvaro de Campos, Schüler von Alberto Caeiro. Er war aber auch dessen Gegner Ricardo Reis und er war der englisch dichtende Portugiese Alexander Search.
Zu seinen Lebzeiten erschien kein einziges Buch mit seinen Texten. Nach seinem Tod wurden in seiner Wohnung mehr als 25 000 Manuskript-Fragmente gefunden und gedruckt. So wurde Fernando Pessoa berühmt. Der Schauspieler Peter Hub, der sich intensiv mit dem ungewöhnlichen Dichter beschäftigt hat, präsentiert Gedichte und Prosa von ihm und anderen portugiesischen Autoren. Den portugiesischen Part übernimmt der brasilianische Journalist Estevan da Silva. Barbara Hennerfeind ist an der Konzertgitarre zu hören.
In seine Reihe stellt Lemmerich noch den Dokumentarfilm von Philipp Lemmerich und Stefanie Otto, der in Schweinfurt schon gezeigt wurde und der am 5. Mai, 17 Uhr, noch einmal im Schloss Zeilitzheim zu sehen ist. „Comment ça va, Togo?“ gibt Einblicke in das Leben im ländlichen Nordtogo.