Vor 500 Jahren veröffentlichte Martin Luther seine Streitschrift. Wie sie in Welt kam, ist umstritten. Er soll seine Thesen am Vortag von Allerheiligen 1517 am Tor der Schlosskirche Wittenberg angeschlagen haben. Wie „Schweinfurth zvr rechten wahren Evangelischen Christlichen Lehr vnd Glauben kam“, vermittelte – auch am Vortag zu Allerheiligen – Stadtführer Stefan Köhler im Gewand von Pfarrer Hermann Heinrich Frey. Es war in Schweinfurt 25 Jahre nach dem Thesenanschlag im Jahr 1542 der Fall.
Lutherische Geschichtsstunde
Der (ausverkaufte) Gang „auf den Spuren der Reformation“ spielt für die über 30 interessierten Bürger im Jahr 1590. Frey ist seit 13 Jahren Pfarrer in Schweinfurt, neun weitere wird er es noch sein, der – ein Foto macht die Runde – eine gewisse Ähnlichkeiten mit dem Stadtführer im Pfarrergewand hat.
„Gott zum Gruße, meine lieben Brüder und Schwestern“ sagt Frey zur Begrüßung vor dem Alten Gymnasium. Hier in der noch rein katholischen Lateinschule nahm der Wechsel vom katholischen ins lutherische Schweinfurt seinen Anfang. Magister Johannes Lindemann war 1529 Rektor am Martin-Luther-Platz. Er hat „den Samen fürs Lutherische gesät“, indem er den Katechismus in deutscher Sprache Schülern und somit auch Eltern bekannt machte. Sein Wirken wurde an den Bischof verraten, der schickte 200 Soldaten. Lindemann gelang aber die Flucht übers Obertor.
Lindemann war Luthers Vetter
Später konnte er wieder ins mittlerweile evangelische Schweinfurt zurückkehren. Lindemann war der zweite hier tätige evangelische Pfarrer und weit mehr: Er war der Vetter von Martin Luther.
Der erste evangelische Pfarrer war Johann Sutelius, eine Straße am Hochfeld ist ihm gewidmet. Die vom Magister aus Göttingen erstellte Kirchenordnung war Luther aber „zu papistisch“, also zu katholisch. Zwei Jahre sollte bleiben, dass es fünf wurden hat mit der „sehr guten Bezahlung“ zu tun, wie Pfarrer Frey zu berichten wusste. 200 Gulden waren angesichts des Jahreslohns für einen Handwerker mit zwölf Gulden üppig.
Dazu gab es noch zehn Eimer Wein. Frey verrät unter Gelächter: „Statt dem dreckigen Wasser war Wein bevorzugt und ein Eimer Wein waren 78 Liter“.
Nicht Lutherisches verdammt
In Sankt Johannis, damals wie heute Zentrale der Prostentanten, erklärt Frey das im Herrenchor hängende Konfessionsbild. Nur wenige dieser Bilder sind erhalten, die alle in der Hauptszene die denkwürdige Überreichung der „Augsburger Konfession“ an Kaiser Karl V. durch protestantische Reichsfürsten und Städtevertreter darstellen, also der ersten Anerkennung lutherischen Glaubens. Falls Freys Vermutung stimmt, dass es in Schweinfurt seit 1590 hängt, dann ist es das älteste existierende Konfessionsbild.
Man kann den Inhalt zusammenfassend so erklären: Das Konfessionsbild verdammt alles, was nicht lutherisch ist. Die offenen Beichtstühle sind eine Spitze gegen die katholischen Kirche. Die Offene Kirchentür ist Botschaft an alle anders Gläubigen, dass sie in der reformatorischen Kirche willkommen sind. Pfarrer Frey weist extra auf den abgebildeten Kurfürst Johann Herzog von Sachsen hin, weil der Luther dereinst auf der Wartburg Schutz gewährte.
Wie Rüffer nach Schweinfurt kam
Frey lenkt die Aufmerksamkeit auf die Grabplatten in der Kirche. Erwähnt sei als Beispiel Balthasar Rüffer , der einst Bürgermeister in Würzburg war, vertrieben und auch wegen seines Reichtums von Schweinfurt gerne aufgenommen wurde. Rüffers Wohnhaus stand neben dem Schrotturm. Als die im Markgräflerkrieg 1554 gelegten Feuer nur die Johanniskirche und zwei Häuser nicht in Schutt und Asche legten, baute Rüffer dreizehn Häuser neu auf. Später, 1562, entstanden die oberen Stockwerke auf dem Johannisturm, das Türmerzimmer und obendrauf die welsche Haube, Symbol und Bekenntnis für den und zum evangelischen Glauben.
Wein und Weck für die Kinder
Am Rathaus erinnert Pfarrer Frey an die Einweihungsfeier 18 Jahre vor der Führung, also 1572. Auch für die Kinder gab es Weck und Wein. Bürgermeister Kilian Göbel und die Räte mussten sich diesen Satz des damaligen evangelischen Pfarrers anhören: „Mit Weisheit und Verstand entscheiden“. Gilt bis heute, merkte schmunzelnd nun Stefan Köhler an.
Evangelisch-lutherischen Glaubens war auch Olympia Fulvia Morata, erfahren wir an ihrem Denkmal in der Brückenstraße. 1526 in Ferrara geboren, lernt sie den Schweinfurter Stadtarzt Andreas Gundler kennen und lieben. 1550 zieht sie nach Schweinfurt. Das Stadtverderben 1554 zwang die Eheleute zur Flucht, 1555 stirbt sie an den Folgen.
Predigt auf der Treppe wiederholt
Die Salvatorkirche ist erreicht, einst Kapelle der hennerbergischen Burg. Hier in der früheren Liebfrauenkirche fand – 1532 ! – die erste Predigt für die evangelischen Fürsten durch den sächsischen Hofprediger Spalatin statt. Auch nach ihm ist in Schweinfurt eine Straße benannt, wie im Zürch die Burg- und Frauengasse an diese Historie erinnern.
Wegen des großen Andrangs auch durch viele Schweinfurter Bürger sah sich Spalatin damals veranlasst, die zuvor in der Kirche gehaltene Predigt auf dem Treppenaufgang, damals noch aus Holz, zu wiederholen. „Erstmals wurde auf deutsch und reformatorisch gepredigt“, schildert Pfarrer Frey unter Hinweis darauf, dass Schweinfurt erst zehn Jahre später evangelisch werden sollte.