Man stelle sich das einmal vor. Ein 17-jähriger Junge, aus Trikala in Griechenland und in armen Verhältnissen aufgewachsen, wandert im wahrsten Sinn des Wortes mutterseelenallein hinaus in die Welt um seines Glückes Schmied zu sein. 1963 war das, in Deutschland wurden die ersten Gastarbeiter gesucht und Evangelos Didis, heute 72, packte sein schmales Bündel mit viel Hoffnung drin und fuhr nach Deutschland.
„Wir wurden damals gut aufgenommen von den Deutschen, mit Händen und Füßen haben wir uns verständigt, die haben geduldig mit den Fingern auf eine Sache gezeigt und erklärt, wie das auf deutsch heißt“, erinnert sich Didis, der zunächst im Kreis Baden-Baden landete, denn dort war bereits ein Onkel, der ebenfalls sein Glück als Gastarbeiter versuchte. Seit 1960 hatte die Bundesregierung Anwerbeabkommen für Arbeitskräfte aus Spanien, Griechenland, Marokko, Südkorea, Portugal und Tunesien auf den Weg gebracht. Die Formalitäten waren schnell erledigt, genauso schnell waren die willkommenen Arbeitskräfte in Lohn und Brot. Bei der Firma „Agria“ in Möckmühl sammelte er erste Arbeitserfahrung.
Für längeren „Heimaturlaub“, der natürlich alles andere als ein Urlaub war, sorgte zwischenzeitlich das griechische Militär, das den jungen Evangelos Didis für gut zwei Jahre zu den Fahnen rief. Am 28. Juni 1968, das Datum hat er spontan im Kopf, dann der erste Arbeitstag beim Sachs in Schweinfurt. Evangelos Didis, ein junger Mann mit Ambitionen und Führerschein, hatte bald in Bad Neustadt eine junge Landsmännin ausgemacht, die ebenfalls alleine nach Deutschland gekommen war und bei der Firma Preh arbeitete. Man braucht keine große Fantasie wohin die Sonntagsausflüge führten. 1970 wurde geheiratet, in einer katholischen Kirche in Bad Neustadt nach griechisch-orthodoxem Zeremoniell. Aus der jungen Vasiliki (heute 68), die alle nur als Vaso kennen, wurde Vasiliki Didi – und das ist kein Schreibfehler, denn bei den Griechen fehlt der Ehefrau das S vom Namensende des Mannes.
Bei Preh und Forbach in Bad Neustadt arbeitete der junge Familienvater dann, die Söhne Georgios, Ioannis und Christos wurden 1971, 72 und 76 geboren. Als die Jungs ins schulpflichtige Alter kamen, war der Wechsel in den Schweinfurter Raum angesagt, denn in der Stadt gibt es eine griechische Schule, schließlich sollten die Kinder zweisprachig aufwachsen.
Bier, Korn, Erdnussautomat
Und nun erst beginnt eine Geschichte, die ziemlich einzigartig ist. Die junge Familie mit drei kleinen Jungs übernahm die Gastwirtschaft „Felsenkeller“ in Schonungen. „Das war damals so eine typisch deutsche Wirtschaft mit Bier, Korn und Erdnussautomat“, erinnern sich die Söhne, die sozusagen in der Wirtschaft groß wurden.
„Wir haben gleich auf griechische Küche gesetzt“, erinnert sich Vaso Didi. Am Anfang gab es zwar das eine oder andere Murren, aber die Schonunger waren schnell von den Vorzügen der griechischen Küche überzeugt. Erst kamen die Jungen, die älteren zogen nach und bald schon war der „Felsenkeller“ wieder das, was er immer war – die Dorfwirtschaft für alle Fälle. Mehr als 39 Jahre sind seither ins Land gezogen, man muss lange lange suchen, bis man eine griechische Wirtschaft findet, die so lange in einer Hand war.
„Viele gute und schöne Jahre“, erinnert sich Evangelos Didis. Viel Arbeit und Jahr für Jahr ein längerer Urlaub in der alten Heimat. Bei der Familie und bei Freunden auf dem Land versteht sich „auf der Akropolis war ich noch nie“, gesteht Vaso Didi lächelnd. Freie Wochenenden, früher Feierabend – Alles Fehlanzeige. Für so ein Leben, das weiß Evangelos Didis ganz genau, braucht man die richtige Frau.
Ganz wichtig: Die richtige Frau
Die hat als Köchin ihren guten Teil dazu beigetragen, dass sich der Felsenkeller als griechisches Restaurant einen klingenden Namen gemacht hat. So verging Jahr um Jahr „Das 25-jährige haben wir eine Woche gefeiert“, erinnern sich die beiden. Immer wieder mal gab es illustre Gäste, wie zum Beispiel vor noch gar nicht langer Zeit Reinhold Geiss, bekannt als Vater von Robert Geiss, dem männlichen Teil der bekannten Jetset-Fernseh-Familie „Die Geissens“.
Solche Erlebnisse sind Geschichte, am 15. Juli ist Schluss. Evangelos Didis hat dann mehr Zeit sich die Fußballspiele seines geliebten „Piräus Athen“ anzuschauen. „Uns bleibt nur uns ganz herzlich bei unseren Freunden und Gästen für all die Jahre zu bedanken“, meint Evangelos Didis gerührt.
Erst einmal steht nach 55 Jahren in Deutschland ein längerer Heimaturlaub an, die Didis werden aber häufiger zurückkommen, die Söhne und natürlich die Enkel leben ja hier. „Die sind hier aufgewachsen, aber ihre Wurzeln reichen bis nach Griechenland, sind alle selbstständig als Geschäftsinhaber oder in der Reisebranche und haben sich eine eigene Existenz aufgebaut“.
Und was wird aus dem Felsenkeller? Der wird wohl Mitte August wieder aufgemacht. „Wir haben einen Nachfolger gefunden, wieder ein Grieche“. Die Schonunger müssen also auch künftig nicht auf Calamari & Co verzichten.