Mehrere Monate hat Lorena Gerstner aus Geldersheim in der peruanischen Hauptstadt Lima gelebt und studiert. Die 22-Jährige, die im Februar 2021 ihr Bachelorstudium im Fach International Management in Pforzheim abschließt, will nun Frauen aus der Andenregion auf lange Sicht eine Perspektive geben. Zurück in Deutschland hat sie deshalb das faire, nachhaltige Modelabel "Verdonna" gegründet und produziert zukünftig in Zusammenarbeit mit peruanischen Handarbeiterinnen Mützen, Schals und Handschuhe aus Alpakawolle.
Bereits im Dezember 2018 zog es Gestner für ihr Studium nach Südamerika. Vor dem Start ins neue Semester reiste sie drei Monate durch mehrere Länder, unter anderem Brasilien und Bolivien. "Das war das erste Mal, dass ich mit Armut konfrontiert wurde", erzählt die Studentin. Und sie ist bestürzt, wie groß die Schere zwischen Arm und Reich ist. Als sie dann ihr Studium an der privaten Universität Esan in Lima beginnt, lässt sie das Erlebte nicht mehr los. "Für mich war der Unterschied extrem groß, nach der Reise an einer Privatuni zu sitzen und in einem guten Haus bei einer Gastfamilie zu wohnen."
Schnell hat die junge Frau gemerkt, dass sie in Peru nicht nur leben und lernen möchte – sie wollte den Menschen dort auch etwas zurückgeben. Ihr Gedanke: "Ich kann nicht einfach hier studieren, ohne irgendjemandem zu helfen." Bei einer Universitätsveranstaltung, bei der nachhaltige Geschäftsideen und Produkte vorgestellt wurden, lernt Gerstner kurze Zeit später die Designerin Marilú Livia aus Lima kennen, die mit Handarbeiterinnen aus dem Amazonas- und Andengebiet zusammenarbeitet.
Zusammenarbeit mit Frauen aus der Andenregion
Zu Beginn unterstützt Gerstner die Designerin noch beim Marketing von Produkten, doch nach einiger Zeit begleitet sie Livia in die Dörfer, in der die Handarbeiterinnen leben. "Das ist sehr familiär strukturiert." Die Familien schließen sich zusammen, "wie eine Art Gemeinde", so Gerstner, und bestimmen eine Person, die als Mittelsmann vertraglichen Angelegenheiten regelt.
Als Gerstner im Dezember 2019 zurück nach Deutschland kommt, beschließt sie, selbst eine nachhaltiges Modeunternehmen zu gründen – kein leichtes Unterfangen: "Es ist super schwer, das von Deutschland aus zu arrangieren", erklärt die Studentin. "Der Kontakt in die kleinen Dörfer, der Versand, der Zoll." Unterstützung erhält sie dabei jedoch von Livia, die aus der Hauptstadt des Landes den Kontakt zwischen Gerstner und den Frauen aus den Anden herstellt.
Tiere werden im Winter nicht geschoren
Unter dem Namen "Verdonna" will Gerstner nun Produkte aus Alpakawolle anbieten. Die Tiere leben bei den Gemeinden und werden nur in den Sommermonaten geschoren. "Es geht natürlich auch darum, dass ich die Kapazitäten nicht überlasten möchte", sagt sie. Im Winter müssten die Handarbeiterinnen deshalb zusätzlich Wolle zukaufen. Die traditionellen peruanischen Kleidungsstücke seien sehr bunt. "Da mussten wir dann auch sagen, versuch' vielleicht nicht lila und orange zu kombinieren", schmunzelt sie. Die Wolle werde von den Handarbeiterinnen gesponnen und danach am Webrahmen weiterverarbeitet.
Gerstner möchte mit der Arbeit vor allem den Frauen in den Andendörfern eine Perspektive bieten. Denn oft würden die Männer das Geld vertrinken, welches ihre Frauen verdienen, erläutert sie das Problem: "Die Leute ertränken ihre Armut in Alkohol." Die meisten Frauen hätten jedoch nicht genug Mut und Selbstwertschätzung, um etwas dagegen zu unternehmen. "Da will ich dagegen angehen", erklärt die Studentin.
Crowdfunding-Kampagne vor Weihnachten
Die Arbeiter, die die Produkte für "Verdonna" herstellen, bekämen sowohl die Arbeitsstunden als auch das verwendete Material vergütet. "Natürlich sind handgefertigte Produkte teurer", weiß Gerstner. Ihr Ziel sei es jedoch, dass sich nicht jeder Interessent drei Mützen kauft – sondern eine – und das Produkt dann wertschätzt.
Im Frühjahr will Gerstner eine Crowdfunding-Kampagne starten. Dabei können Interessenten einen beliebigen Betrag spenden und bekommen als Gegenleistung ein Geschenk, beispielsweise ein nachhaltig produziertes Kleidungsstück aus Peru. Damit ihre Produkte trotz fairer Produktion nicht doch zum Klimakiller werden, plant die Studentin die Ware per Seefracht statt per Flugzeug nach Deutschland zu holen.
Gerstner ist davon überzeugt, dass es nicht funktioniert, Hilfsprojekte aufzubauen und die Betroffenen damit komplett alleine zu lassen. "Man muss den Leuten nachhaltig beibringen, ihr Leben und ihren Beruf selbst in die Hand zu nehmen." Und dafür brauche man eine Zusammenarbeit "auf Augenhöhe".