Adem Can ist in Deutschland geboren, hat seine Ausbildung hier absolviert, leitet mehrere Tanzschulen – doch eigentlich ist er Türke. Er hat die türkische Staatsbürgerschaft und trotzdem fühlt er sich auch als Deutscher. Er schätzt die deutsche Meinungsfreiheit. Und hier beginnt sein Problem. „Ich hatte nie Schwierigkeiten hier zu leben, ganz im Gegenteil. Jetzt fühle ich mich permanent dazu verpflichtet, eine Position einzunehmen und mich zu rechtfertigen.“ Genau das möchte der stolze Deutsch-Türke aber nicht. „Mich stört es, dass in politischer Hinsicht alles personalisiert wird, konkrete Sachverhalte aber nicht unbedingt gezeigt werden. Ich bin kein ,Klischee-Erdogan-Anhänger' – das bedeutet aber nicht, dass ich alles an seiner Politik schlecht finde.“ Seiner Ansicht nach sollte man nicht alles emotional sehen, denn dann ginge man „den falschen Leuten nach“.
Durch Konflikt erst Auseinandersetzung mit Politik
Der Würzburger glaubt eher, dass die politischen Krisen dazu geführt haben, dass Erdogans Politik mehr Befürworter gewinnt: „Durch den Konflikt haben viele Leute überhaupt erst angefangen, sich intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen und zu merken, dass vielleicht nicht alles so übel ist, wie Medien es darstellen.“ Die mediale Aufarbeitung des Wahlkampfes stört Can jedoch sehr, er meint, es würde zu einseitig berichtet werden: „Ich habe das Gefühl, viele türkische Bürger werden für dumm verkauft und direkt in die rechte Szene gestellt. Jede Medaille hat zwei Seiten.“ Adem Cans Eltern waren während des Putschs in der Türkei vor Ort, er verfolgt auch die türkische Berichterstattung und trotzdem findet der Bankkaufmann nicht, dass ein Konflikt immer etwas Schlechtes bedeuten muss: „So setzt man sich vielleicht mehr mit der Türkei auseinander.“
Stimme nutzen wollen
Dass die Türkei ihren Wahlkampf hier betreibt – oder betreiben möchte – findet der Deutsch-Türke gut. „Ich habe nur eine Stimme. Ich kann sie nur richtig nutzen, wenn ich mir alle Seiten anhören kann.“ Dieses Gefühl hat er hier aber nicht. „Wenn türkische Innenpolitik hier im Rahmen der Gesetze nichts zu suchen hat, ist das so. Dann sollten aber auch türkenfeindliche Auftritte verboten werden.“ Er habe das Gefühl, es würde so in eine Richtung gehetzt werden, deshalb möchte er seine Stimme wohlbedacht nutzen. „Es wäre nicht schlimm, wenn der Wahlkampf hier verboten würde, schade, aber in Ordnung. Doch dann sollte das für alle anderen Länder gelten. Gleiches Recht für alle ist das, was mir wichtig ist.“
In keine Ecke drängen
Cans will in keine Ecke gedrängt werden. Einerseits sei er nicht Pro-Erdogan, er würde diesen aber zu 80 Prozent wählen, so wie die meisten Stimmberechtigten seiner Bekannten, die es nicht offen zugeben wollen. Diesen Zwiespalt hat die Redaktion erlebt bei ihren vielen vergeblichen Versuchen, mit anderen türkischen Menschen in Mainfranken ins Gespräch zu kommen. Eine Stimmung, die Can auch spürt.