Die Aufnahme ist im Kasten: Das erste Foto wirkt noch etwas unscharf, auf dem sich die Bienen am orangefarbenen Wabenrahmen tummeln. Eine Kamera gewährt Einblick ins geheimnisvolle Sozialgefüge eines Bienenvolks, dank des "digitalen Bienenstocks", der seit kurzen an der International School Mainfranken (ISM) steht. Ebenso werden die Bewegungen am Flugloch kontrolliert und online dokumentiert, ohne die Honigsammlerinnen zu stören. "We4Bee", "Wir für die Biene", nennt sich das länderübergreifende Projekt, unter Beteiligung der Universität Würzburg. Ins Leben gerufen wurden die HOBOS-Studien ("Honeybee Online Studies) durch den Würzburger Biologie-Professor Jürgen Tautz.
"Beute" nennt sich der Bienenstock in der Imkersprache. Nebst Honig werden dort nun auch Daten eingeheimst. Der "Rotary Club Friedrich Rückert" vermittelt die Beuten an Schulen in der Region Schweinfurt – und finanziert sie zugleich, in diesem Fall mit 6000 Euro. Außer diskreten Kameras sind Sensoren angebracht, die Temperatur, Luftdruck, Feuchtigkeit, Gewicht, Schallbelastung, Lichteinfall, Niederschlag, Wind und Feinstaub messen. Dank We4Bee-App (erhältlich via https://we4bee.org ) können Handynutzer an den Erkenntnissen teilhaben.
Was steckt hinter dem Projekt?
Wen das an das aufgeregte Summen rund um die Corona-App erinnert, liegt nicht ganz falsch: Die Varroa-Milbe, ein gefährlicher Parasit und Krankheitsüberträger im Bienenstock, ist ein Grund für die Verkabelung der Waben. Aber auch der Zeitpunkt des großen Bienenschwärmens wird so dem Imker rechtzeitig gemeldet, der Teilexodus eines Bienenvolks. Ebenso lassen sich Umwelteinflüsse feststellen, die auch für den Menschen relevant sind, bis hin zu drohenden Erdbeben.
Dazu kommt allgemeine Wissens(v)ermittlung – für die Forscher, aber auch die 132 Schüler der ISM, die selbst aus internationalen Familien stammen. Schulleiter Michael Gündert ist stolz auf das Projekt, das beim Rotary Club durch Klaus Eckhardt betreut wird. Rotarier Kurt Haßfurter hat einige Kästen selbst geschreinert. "Die Imkerei ist voll im Trend", sagt Gerd Götz, Vorsitzender des Bienenzuchtvereins Schweinfurt. Das Thema Bienensterben habe viele Menschen sensibilisiert: "Da geht es aber um die Wildbienen".
Was Bienen so sympathisch macht
Bienen haben allgemein ein gutes Image, nicht nur wegen "Biene Maja" oder gesundem Honig. "Bienen stechen weniger als Wespen", sagt Vereinsmitglied Moaz Hammami, der das ISM-Völkchen betreut: "Da sie beim Stechen sterben, überlegen sie es sich zweimal." Seine Carnicas, eine klassische mitteleuropäische Bienenart, sind tatsächlich gutmütig. Nur hastige Bewegungen am Eingang lassen sofort "Security" aufsteigen. Fast schon rührend ist eine einzelne Biene, die eine verstorbene Artgenossin aus dem Bau bugsiert und mit großer Ausdauer wegträgt. Im Sommer lebt eine Arbeiterin sechs Wochen oder etwas mehr, sagt Hammami, im Winter auch schon mal ein halbes Jahr.
Der Imker der ISM ist 21, macht gerade sein Abitur und ist mit seinem Vater vor dem syrischen Bruderkrieg nach Schweinfurt geflohen. Von ihm hat er die Faszination "Nahlat" übernommen, wie die "Apis mellifera" auf Arabisch heiß (was sich etwa wie "nachlat" ausspricht). 30 Jahre lang war Vater Hammami Imker in Syrien, nun stehen seine Völker bei Schweinfurt und Großrinderfeld. Bienen seien weitaus sorgfältiger bei der Auswahl ihrer Wohnstätte als Menschen, lobt Moaz Hammami seine cleveren und sozialen Schützlinge, die auch in der arabischen Welt hoch angesehen sind.