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REGION SCHWEINFURT
Wie die Stürme Stephan Thierfelder prägten
Norbert Vollmann
Norbert Vollmann
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:35 Uhr

Stephan Thierfelder ist als Forstmann schon von Berufs wegen sturmerprobt. Dennoch haben Stürme wie Vivian und Wiebke im Jahr 1990 oder vor zehn Jahren Kyrill eine „besondere Prägung“ bei ihm hinterlassen, wie er sagt. So kommt jedes Mal, wenn er in der Natur viel Wärme verspürt und gleichzeitig der Wind auffrischt, ein bekanntes wie ungutes Gefühl bei ihm auf, bekennt der für den forstlichen Bereich am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Schweinfurt zuständige und verantwortliche Forstdirektor.

Kyrill verlief weitgehende glimpflich im Landkreis

„Der Sturm verlief im Landkreis Schweinfurt vergleichsweise glimpflich“, sagt Stephan Thierfelder, wenn er zehn Jahre danach auf die Nacht vom 18. auf den 19. Januar 2007 zurückblickt, als das Orkantief Kyrill über Europa hinwegfegte. Es habe in den hiesigen Wäldern keine großflächigen Schäden, sondern Einzel- bis kleinflächige Würfe, teilweise auch Brüche gegeben, erinnert er sich.

Der Schadensschwerpunkt lag damals am Steierwald

Der Schadensschwerpunkt habe am Steigerwaldrand und hier insbesondere in den Gemeindewäldern von Oberschwarzach und Donnersdorf sowie im Bürgerwald Gerolzhofen-Dingolshausen gelegen.

Der Schadholzanfall in den Privat- und Kommunalwäldern des Landkreises Schweinfurt sei damals auf insgesamt 12000 Festmeter (gleich Kubikmeter) Holz geschätzt worden. Es habe allerdings hinterher keine abschließende zusammenfassende Erhebung des tatsächlich aufgearbeiteten Sturmholzes gegeben, so Stephan Tierfelder weiter.

14 Hektar Sturmflächen im Kommunal- und Privatwald

Bei einer Abfrage im April 2007 seien dem Amt im Landkreis Schweinfurt schließlich von den Waldbesitzern 14 Hektar Sturmflächen gemeldet worden, die zur Wiederaufforstung anstanden. Davon entfielen elf Hektar auf Kommunal- und drei Hektar auf Privatwald.

Zu beachten sei in diesem Zusammenhang, so der Forstmann, dass nach einem solchen Sturmereignis die Wälder vorgeschädigt sind, so dass bereits bei schwächeren Folgestürmen in den Folgejahren weitere Schäden entstehen und Fichten nach Wurzelzerreißungen anfälliger für den Borkenkäfer sind.

Zügige Aufarbeitung

Die Aufarbeitung der Schäden sei sehr zügig erfolgt, erinnert sich Thierfelder. Da die Aufarbeitung von Sturmholz wegen der extremen Spannungen an den geworfenen Bäumen und anderen Unwägbarkeiten sehr unfallträchtig ist, habe das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt gemeinsam mit den Forstbetriebsgemeinschaften Main-Steigerwald und Schweinfurt sowie der Berufsgenossenschaft am 2. Februar 2007 in der Stadthalle in Gerolzhofen eine große Informationsveranstaltung über die sichere Sturmholzaufarbeitung und die Unfallverhütung durchgeführt. Wo immer dies möglich gewesen sei, hätten große Holzerntemaschinen, sogenannte Harvester, diese gefahrenträchtige Arbeit erledigt.

Schäden nicht genau bezifferbar

Da keine zusammengefassten Erhebungen für den Landkreis im Hinblick auf den Einnahmeverlust sowie die Kosten für Aufarbeitung und Wiederaufforstung vorgenommen worden seien, lasse sich der von Kyrill angerichtete Schaden nicht in Euro festmachen, so Thierfelder.

Die Kosten speziell für die Aufarbeitung würden zudem sehr stark variieren, je nachdem, ob es um eine größere Holzmenge an ein- und derselben Stelle, eventuell noch dazu durch den kostengünstigeren Harvester geht, oder um verstreut liegende Einzelwürfe, die gesondert von den Waldarbeitern angelaufen werden müssen.

Vivian und Wiebke haben bereits den Weg im Wald gewiesen

Das forstliche Handeln habe Kyrill nach Aussage von Stephan Thierfelder nicht verändert. Da seien vielmehr die Stürme Vivian und Wiebke von 1990 wegweisend dafür gewesen, dass der Standort, sprich die Bodenverhältnisse, entscheidend für die Baumartenwahl seien. Das habe sich 2007 besonders bei der Fichte gezeigt, auf die allein 80 Prozent des Sturmholzes im Landkreis Schweinfurt entfielen.

Der Urknall für die Fichte

Der Forstmann bekräftigt: „Der Hauptlernprozess hat bei Vivian und Wiebke eingesetzt.“ Das kann Gerald Eser, der am Amt für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten als Revierleiter für die Gemeinden im Raum Gerolzhofen zwischen Main und Steigerwald verantwortlich ist, nur unterstreichen. Er betont: „Das war damals der Urknall, der gezeigt hat, wie sensibel und gefährdet die Fichte im hiesigen Bereich ist.“

Angesichts der Boden- und Klimaverhältnisse sei demnach 2007 die Wiederaufforstung entsprechend mit höherem Laubbaumanteil erfolgt, so Stephan Thierfelder. Von Vorteil sei dabei gewesen, dass 2007 für die Privat- und Kommunalwälder im gesamten Landkreis Schweinfurt die Ergebnisse von Bodenkartierungen in Form von Standortskarten mit Baumartenempfehlungen vorgelegen hätten. Dies sei 1990 noch nicht durchgängig der Fall gewesen.

Das „Saarloch“ damals und heute

Ein Beispiel dafür ist das „Saarloch“, ein Waldstück im Donnersdorfer Gemeindewald hinter den Schwappacher Seen. Hier hatte Kyrill auf zwei bis drei Hektar eine Fichtenschonung eingelegt.

Für die ersten „Löcher“ in dieser Waldabteilung hatten bereits Wiebke und auch der Borkenkäfer gesorgt. Davon hatte sich die Schonung nie mehr erholt, so Gerald Eser. Dann sei Kyrill gekommen und habe, wie es derartige Orkane und Stürm besonders gern tun, die Fichten vor allem an den lichten Stellen angegriffen.

Von großem Vorteil bei der Wiederaufforstung hätten sich hier jetzt zum einen die erwähnten Baumartenempfehlungen aufgrund der Bodenbeschaffenheit aus dem Jahr 2004 erwiesen. So hatten Fichten auf diesem Standort die (Schul-)Note 6 erhalten, Laubbäume wie Eiche oder Elsbeere hingegen die 1.

Laubholz hat das Kommando übernommen

Dazu seien nicht zuletzt Rotbuchen in der zur Wiederaufforstung eingezäunten Schonung beigepflanzt worden. Den Rest habe die Natur selbst durch die sogenannte Naturverjüngung erledigt. Davon spricht der Förster, wenn sich der Wald auf natürlichem Weg verjüngt, indem die von den Bäumen herabfallenden Samen ausschlagen.

So kommen jetzt auf der 2007 stark dezimierten Fläche nach und nach Eiche, Hain- und Rotbuche, Esche, sowie die ein oder andere Wildbirne hoch. Dazu kommen angesamte Kiefern und die Fichten, die den Sturm Kyrill in dem Bestand überlebt hatten.

Es ist Nacht, als „Kyrill“ kommt. Vom 18. auf den 19. Januar 2007 fegt der Sturm mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 225 Kilometern pro Stunde über Europa hinweg und legt in weiten Teilen das öffentliche Leben lahm.

Millionen Menschen sind zeitweise ohne Strom, der Bahnverkehr wird eingestellt, Flüge gestrichen, Schulen und Kindergärten geschlossen. Elf Menschen sterben durch den Orkan allein in Deutschland, 47 sind es in Europa.

Dazu kommen Sachschäden in Millionenhöhe. Auf das Gelände des Unterspiesheimer Kindergartens stürzt zum Beispiel eine etwa 100 Quadratmeter große Scheunenwand. Die Dachdecker in der Region haben Hochkonjunktur.

In den Wäldern zerstört Kyrill bundesweit rund 37 Millionen Festmeter Holz.

Am schlimmsten wütet das Orkantief in Nordrhein-Westfalen, wo ihm 15,7 Millionen Festmeter Holz zum Opfer fallen.

Aber auch Bayern beklagt knapp vier Millionen Festmeter sogenanntes Sturmholz. Trotzdem ist der Orkan des Jahres 2007 nicht mit der Intensität seiner Vorgänger Wiebke oder Vivian aus dem Jahr 1990 zu vergleichen.

Auch der Steigerwald kommt mit einem blauen Auge davon. Wir blicken mit Volker Conrad (Revierleiter im Gemeinsamen Bürgerwald Gerolzhofen-Dingolshausen), Ulrich Mergner (Leiter des staatlichen Forstbetriebs Ebrach) und Stephan Thierfelder (Abteilungsleiter Forsten am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Schweinfurt) auf die damaligen Ereignisse zurück. Wir wollten von ihnen wissen, welche Auswirkungen der Sturm auf den Waldbau gehabt hat.

Nach Volker Conrad und Ulrich Mergner ist nun zum Abschluss der kleinen Serie Stephan Thierfelder an der Reihe. novo

Wie sehr sich der Sturm „Kyrill“ 2007 im Donnersdorfer „Saarloch“ über die Fichten hergemacht hatte, zeigt dieses Bild aus dem Fundus von Forstdirektor Stephan Thierfelder.
Foto: Stephan Thierfelder | Wie sehr sich der Sturm „Kyrill“ 2007 im Donnersdorfer „Saarloch“ über die Fichten hergemacht hatte, zeigt dieses Bild aus dem Fundus von Forstdirektor Stephan Thierfelder.
Windwurf des Sturms Kyrill im Jahr 2007 im Gemeindewald von Donnersdorf.
Foto: Stephan Thierfelder | Windwurf des Sturms Kyrill im Jahr 2007 im Gemeindewald von Donnersdorf.
 
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