Er riecht wie ein Zwischending aus altem Aschenbecher und Arzneimittelschrank, hat aber eine angenehme Süße – Michael Gradl langt sofort nach der richtigen Flasche: Laphroaig im Sherryfass ausgebaut. Gradl ist Whiskyberater und führt durchs Schottische Whisky-Dinner, das der Whisky Club-Grafenrheinfeld veranstaltet.
Es ist bereits das zweite Mal, dass die sechs jungen Männer ein solches Dinner veranstalten, und Christian Schulz, der Chef der Gruppe, hätte viel mehr Karten verkaufen können. Beim ersten Mal waren wir 44, jetzt schon 56 Teilnehmer, mehr passen in den Keller der Alten Amtsvogtei nicht rein. „Das läuft alles über Mund-zu-Mund-Propaganda“ erzählt Schulz.
2011 fuhr er mit fünf Freunden in seine alte Heimat Mosbach, um dort an einem Whisky-Dinner teilzunehmen, ein Jahr später wurde die Reise wiederholt, dann aber kamen die Freunde auf die Idee: „Das könnten wir doch eigentlich auch veranstalten.“ Gesagt, getan, erst einmal gründeten sie einen Whisky Club, mit eigener Satzung und unter anderem dem Ziel „der Erarbeitung und Verbreitung von Informationen über Whisky“. Einmal im Monat treffen sie sich. „Das ist aber nicht so, dass wir uns da ins Koma trinken“, betont Schulz. Meistens bringt einer der Teilnehmer eine besondere Flasche Whisky mit, der dann gekostet wird, daneben wird gefachsimpelt.
Auch gemeinsame Ausflüge stehen auf dem Programm, so waren die Club-Mitglieder im vergangenen Jahr im Harz, wo seit 2002 in der Manufaktur Hammerschmiede Single Malt Whisky destilliert wird. 2005 konnte dort der erste Whisky abgefüllt und probiert werden. Schulz hat für seine Mitglieder einen Glen Els besorgt, „davon gibt es nur 800 Flaschen“. Immer wenn er irgendwo ein Schnäppchen auftut, startet er einen Rundruf und bestellt den Whisky dann gleich kartonweise. Zwischen 30 und 150 000 Euro kann man in eine Flasche Whisky investieren, oder auch mehr, weiß Gradl, und Schulz erklärt: „Meine teuerste Flasche hat 450 Euro gekostet.“
„So etwas trinkt man aber nicht“, betont Thorsten Rösch, solche Flaschen lasse man im Regal stehen in der Hoffnung, dass sie in zehn Jahren 1000 Euro wert seien.
Überhaupt wird der Whisky nicht einfach so getrunken. „Es ist eine ganze Zeremonie, das zu trinken“, erklären die beiden. 2cl des Getränks kommen ins Glas, dann wird es erst einmal ins Licht gehalten und die Farbe überprüft, hellgold oder eher wie dunkler Bernstein? Dann wird das Glas geschwenkt, damit sich die Aromastoffe lösen. Aus der Tatsache, wie der Whisky im Glas „läuft“ schließt der Profi auf Wasser- und Alkoholgehalt des Getränks. Anschließend wird erst einmal gerochen, „Mund dabei auf“, fordert Gradl, das sehe zwar bescheuert aus, räumt er ein, aber der Geruch sei dadurch weit intensiver. Dann in kleinen Schlucken trinken und den Whisky dabei kurz im Mund lassen, damit die Geschmacksknospen der Zunge ihre Arbeit verrichten können, dazu empfiehlt Gradl, die Augen zu schließen.
Während des Whisky-Dinners erklärt er in Wort und Bild wie der goldene Saft genossen wird, wie er entsteht und aus welcher Region Schottlands er kommt. Dabei bringt er alles auf eine ganz einfache Gleichung: „Der Single Malt Scotch Whisky besteht aus reiner gemalzter Gerste und muss mindestens drei Jahre im Eichenfass reifen, mindestens 40 Prozent Alkohol haben und in Schottland abgefüllt werden“, aber letztlich sei er nichts anderes als „destilliertes Bier ohne Hopfen.“
Am Ende des Dinners wissen die Besucher alles über Whisky und haben sich nebenbei auch noch köstlich amüsiert. Gereicht wird nur echter schottischer Whisky aus dem Einzelfass. Und der schmeckt dann eben manchmal nach „etwas verbrannter Erde mit Pferdesattel und nassem Laub“. Aber weil die wenigsten der Gäste schon einmal in einen Pferdesattel gebissen oder nasses Laub gegessen haben, wählt Gradl dann für seine Besucher nachvollziehbare Aromen. Streng, holzig, malzig, duftig, fruchtig oder torfig, in Letzterem erdig, rauchig, jodig, medizinisch, die Auswahl scheint schier unbegrenzt.
Der größte Fauxpas ist es, wenn einer einen schottischen Whisky mit „e“ schreibt. Whiskey heißt es nur bei den Iren. „Da merkt man gleich, wenn einer keine Ahnung hat“, erklärt er.
Zu jedem der fünf Gänge gibt es einen anderen Whisky, nach dem Dessert dann noch „ein besonderes Zuckerl“, so Schulz. „Ein Rauchmonster, wenn du den getrunken hast, dann schmeckt dir sowieso nichts anderes mehr.“
Auch für die Küche der Alten Amtsvogtei war dieses Whisky-Dinner eine kleine Herausforderung. Der dritte Gang nämlich bestand aus einem typisch schottischen Gericht, dem „Haggis“. „Das ist quasi Pfälzer Saumagen auf Schottisch“, erklärt Küchenchef Matthias Hofmann. Haggis besteht aus dem Magen eines Schafes, der mit Herz, Leber, Lunge, Nierenfett vom Schaf, Zwiebeln und Hafermehl gefüllt und stark mit Pfeffer gewürzt wird.
Es war früher das Essen der armen Leute und es gibt ein gälisches Gedicht, erklärt Gradl, das zum Haggis gehört. „Address to a Haggis“ von Robert Burns ist allerdings auf Gälisch geschrieben und so hat Gradl es kurzerhand ins Fränkische übersetzt. Heißt es im Original „ihr Gesäß ist wie ein ferner Hügel“, so ist das auf Fränkisch: „Dei Ärschla schaut wie's Walberla aus.“ Mitten im Gedichtvortrag wird der kochend heiße Haggis mit einem Messer aufgeschnitten, so dass die Innereien auslaufen und sich über die ganze Servierplatte verteilen. Jetzt heißt es zulangen.
Übrigens sind nur zehn Prozent der Whisky-Fans Frauen und die würden oft ihren eigenen Geschmack nicht kennen, erklärt Gradl. „Die wollen immer was Mildes und am Ende sind sie von den rauchigen Sorten am meisten begeistert.“
Nähere Infos gibt es auf der Facebook-Seite whisky-club-grafenrheinfeld oder unter der Mailadresse: whisky-club-grafenrheinfeld@web.de
Robert Burns konnte kein Gälisch. Hier der Text.
http://www.robertburns.org.uk/Assets/Poems_Songs/toahaggis.htm