
Liebende und Lüstlinge, Eifersüchtige und Gehörnte, Schwerenöter und Besitzstandswahrer, mit einem Wort: Getriebene – Getriebene beiderlei Geschlechts im Einzugsgebiet des Meininger Theaters! Georges Feydeaus Farce „Die erotischen Erfolge des Monsieur R.“ („Le Ruban“) dürfte das Zeug zum homöopathischen Therapeutikum haben. Allerdings nicht, wie der Titel vorgibt, zum Aphrodisiakum. In Regie von Werner Schneyder (nach fünfzehn Jahren ist er wieder da) hatte das turbulente Stück eben im Großen Haus Premiere.
Wer Feydeaus bekannteste Farce, „Der Floh im Ohr“, kennt, weiß, wie die Pointenmaschine läuft, die auch in den „Erotischen Erfolgen“ funktioniert. Zunächst einmal erblickt man, wenn sich der Szenenvorhang mit aufgemaltem, ziemlich untypischem Pariser Häuserwirrwarr öffnet, den von Ausstatter Christian Rinke eingerichteten gutbürgerlichen Salon unter Pariser Wölkchenhimmel. Dort gibt es acht Türen, durch die – auf die Sekunde genau – die richtigen Leute gehen müssen (die in der Handlung meist die falschen sind), um irgendjemanden, der sich bereits im Zimmer befindet, fast oder in flagranti in einer peinlichen Situation zu erwischen.
Dazu müssen die von ihrem Schöpfer exakt programmierten Figuren auch noch am laufenden Band zielsichere Pointen in die Welt setzen, die – obwohl sehr französisch – auch im Deutschen zünden. Deshalb hat Schneyder das Stück von Natalie Freund neu übersetzen lassen und es selbst für die Bühne bearbeitet.
Das Eigentümliche bei diesem französischen Vaudeville-Dramatiker ist, dass die Absurditäten des Lebens einer dünkelhaften bürgerlichen Gesellschaft ungefiltert zu Tage treten. Das hat weit mehr mit absurdem Theater zu tun als mit deutschem Schwankfrohsinn. Die Handlung baut Feydeau dabei derart verwirrend, dass es keinerlei Sinn macht, sie zu skizzieren. Jeder eigentümliche Witz würde verlorengehen.
Nur soviel: Paris zur Zeit des Fin de Siecle. Im Salon des Rechtsanwalts Vatelin (Ingo Brosch) kommt es zum kompromittierenden Gespräch seiner Gattin Lucienne (Chris Pichler) mit Monsieur Pontagnac (Harald Schröpfer), der ihr seit einer Woche nachsteigt.
„Nur männerfeindliche Stücke!“
Die Gattin gibt sich treu und behauptet, sie würde nur einen Seitensprung wagen, wenn sie vorher ihren Gemahl in flagranti erwische. Ihr Favorit wäre dann aber Monsieur Rédillon (Vivian Frey) und nicht Pontagnac. Und so beginnt ein Reigen, der Arthur Schnitzler würdig wäre, würde er nicht jeden tragischen Ton und jede erotische Eskapade bereits im Keim ersticken und alle Lieb- und Trieb-Strukturen, vor allem die der männlichen Helden, der Lächerlichkeit preisgeben. Kein Wunder, dass Monsieur Pontagnac auf den Hinweis, es werde heute Abend eine Komödie von Feydeau gegeben, stöhnt: „Der schreibt nur männerfeindliche Stücke!“
Die erotischen Erfolge der Beteiligten währen nicht länger als ein paar Millisekunden. Bei so vielen attraktiven Mesdames et Messieurs dreier Schauspielergenerationen auf der Bühne (von Anne Rieckhof bis Rosemarie Blumenstein, von Lukas Benjamin Engel bis Ulrich Kunze) hätte man sich schon gewünscht, das gewisse Prickeln halte noch ein paar Augenblicke an. Aber Feydeau & Schneyder sind gnadenlos. Die Pointenmaschine läuft und zerschreddert jedes Oh-la-la bereits im Stadium des zarten Pflänzchens. Zurück bleibt die Lächerlichkeit von Personen, die sich ihrer Lächerlichkeit nicht bewusst sind. Lernfähigkeit? Tendiert gegen Null.
Am Ende bleibt das von Schneyder und dem exzellenten, spielfreudigen Ensemble gut geölte Räderwerk der Farce, bei dem ein Zähnchen ins andere greift, selbst wenn (im sich allein schon durch die nötige Schrittmenge auf der großen Bühne etwas dahinziehenden ersten und zweiten Akt) nicht alle vorhandenen Türen auf- und zugeschlagen werden. Die Darsteller jedenfalls scheinen ihre bemerkenswerten komödiantischen Kapazitäten ausleben zu dürfen – jeder nach seiner Façon. Und das Publikum goutiert das Ganze – als würde ihm das alles sehr bekannt vorkommen – nicht in Schenkelklopfmanier, sondern mit einem stets präsenten Gelächterpegel. Wenn das nicht heilsam ist. Ohne Nebenwirkungen.
Nächste Vorstellungen: 21. April, 19 Uhr, 27. April, 11. Mai und 20. Juni, jeweils 19.30 Uhr. Karten unter Tel. (0 36 93) 451 222 oder 451 137. www.das-meininger-theater.de