Rückert rockt: Chrom und Stahl blitzt, Harleymotoren tuckern, als Oberlauringen zum ersten Familienmuseumstag einlädt zwischen Kirche, Poetikum, Rückert-Herberge und Büffels Bikerwirtshaus. Der eine oder andere Motorradfahrer schaut auch beim Fest vorbei. Dem Dichter der „Geharnischten Sonette“, der von 1793 bis 1802 um die Ecke, am Schloss, gelebt hat, hätte das wohl gefallen.
Das Kind vom Schweinfurter Marktplatz, geboren 1788, wäre als freiheitsliebender Hüne mit Rockermähne in einem Motorradclub kaum aufgefallen. Als der Wortrebell einmal nach dem Verbleib eines königlichen Ordens gefragt wurde, meinte er, der sei nun Hutband für die Frau: nur eine von vielen Rückert-Anekdoten im Fachwerk-Museum, das den schönen Namen „Poetikum“ trägt.
Klaus Derleder ist als Leiter des etwa zwanzigköpfigen „Arbeitskreises Friedrich Rückert“ zufrieden: „Wir haben mit etwa 30 Besuchern gerechnet“. Am Sonntag sind es über 80 Leute geworden, im Museum wie in der Kirchenburg, mit Rollender Spielkiste und Seniorencafé. Der Elternbeirat des Grunelius-Kindergartens übernimmt die Bewirtung. Allein aus Aidhausen reisen sieben Damen an.
Im Poetikum dürfen Kinder (und Erwachsene) mit Federkiel und Tinte schreiben wie zur Zeit des Dorfamtmanns Johann Adam Rückert: der sich 1802 mit seinem Chef, Freiherr Truchsess von Wetzhausen überwarf, weil er gegenüber den Untertanen als zu „soft“ galt. Schweinebuttons erinnern daran, dass Friedrich danach Gymnasiast in Schweinfurt wurde. Zuvor ging in Oberlauringen die Post ab. Auch 2018 werden Siegellack-Stifte erhitzt, wird der Lack aufs Brief-Kuvert getropft und das Wappen eingestempelt. Am Nachbartisch dürfen Rückertporträts zusammengepuzzelt werden.
Auch die Förderschule Oberlauringen ist mit von der Partie. Bei einem museumspädagogischen Seminar habe der Arbeitskreis eines gelernt, so Derleder: „Selbst wenn ein Museum gut ist, kommen Besucher nur einmal“. Das Familienfest soll somit auch der Verstetigung dienen. So wie in den 1960-er Jahren Dorflehrer Heimstädt das Interesse am Lyriker wachhielt, sollen, findet der Gästeführer, auch künftige Generationen sagen dürfen: „Da war mal was.“ Mit dem Alter käme das Interesse dann von allein.
Videos und Audioführung zum meistvertonten deutschen Dichter
Im Obergeschoss zeigt sich, wo die Fördergelder der Dorferneuerung investiert wurden: Es gibt Videos und eine Audioführung zum „meistvertonten deutschen Dichter“, der sowohl bei Sänger Rudolf Schock als auch im Donald Duck-Comic Widerhall gefunden hat. Fliederfarbentapeten, bunte Gewänder und Vogelkäfige erinnern ans romantische Biedermeier: in der Exotik-Fans schon mal bemalte Spatzen als Kanarienvögel angedreht bekamen. In 43 Gedichten beschrieb Rückert seine naturnahe Kindheit auf dem Lande, rund um Alte Post, Lauerbrunnlein und Pfarrhaus. Relikte der jüdischen Gemeinde (die gerade um 1800 viele Zuzüge hatte) gehören ebenfalls zur Sammlung.
Gut geschützt: ein Original
Auch wenn der Poet gegenüber den vertrauten Außenseitern Stereotype seiner Zeit aufgegriffen hat: „Ein Judenfeind war er sicher nicht“, betont Derleder bei den Führungen. Schließlich glänzte der junge Oberlauringer später als weltoffener Orientalist. Friedel Korten vom Arbeitskreis zeigt einen besonderen Schatz: Das Gedicht vom Kätzchen 1851, im Original, das geschützt vor Sonnenlicht in einem Kasten aufbewahrt wird. Am Abend schließt sich ein Vortrag der ehemaligen Musiklehrerin Jutta Meierott an, zu Rückerts „Schwalbenlied“. Die Begrüßung übernimmt Bürgermeister Friedel Heckenlauer.
Das Poetikum ist sonn- und feiertags, von Ostern bis 31.Oktober, 13 bis 17 Uhr geöffnet, für Gruppen ab 8 Personen gibt es Sonderführungen, ebenso auf dem Rückertweg. Im Herbst soll es einen Ausflug nach Effelder geben, auf den Spuren einer Rückertschen Lovestory in Thüringen.