In Üchtelhausen herrscht derzeit keine Katastrophenstimmung. Zumindest hätten es schon ein paar Besucher mehr sein dürfen, beim spannenden und aktuellen Vortrag "Sind wir wirklich sicher?", der eine Wanderausstellung in der Kirchbergschule abrundete. Beim dargestellten Projekt "VILSS" des Rotkreuz-Kreisverbandes geht es um "Vulnerabilität unserer kritischen Infrastrukturen im Landkreis Schweinfurt bei einem Stromausfall".
Wie verhält man sich konkret, wenn der Strom nicht nur für ein paar Stunden (wie in der Stadt Schweinfurt 2015), sondern Tage, vielleicht sogar Wochen wegbleibt? Herbert Göb zeigte als Ehrenmitglied des Roten Kreuzes die Vulnerabilität, die Verwundbarkeit einer modernen Welt, die mehr denn je auf das konstante Vorhandensein von 230 Volt Spannung in der Steckdose angewiesen ist.
Alle brauchen rund um die Uhr Strom
Tatsächlich stünde nach mehr als zwölf Stunden Blackout unsere gesamte Lebensweise auf dem Prüfstand, in einer Welt mit Ampeln, Kühlschränken und Internet. Supermärkte, Medien, Banken, Polizei, Rettungsdienste, Landwirtschaft, Fabriken, sie alle brauchen rund um die Uhr Strom.
Ein Film über einen Blackout in Hessen führte in die Thematik ein. Denkbare Szenarien gibt es genug. Cyberangriffe, die Überlastung oder Unterversorgung der Netze, Unwetter, Schneelasten, die Folgen des Klimawandels, menschliches oder technisches Versagen können die Versorgung abrupt beenden, regional, aber auch europaweit. 2019 wurde Berlin-Köpenick für 31 Stunden lahmgelegt, durch das Missgeschick eines Baggerfahrers, es gab Evakuierungen. Die 2017 betroffene Gemeinde Ziegenhagen in Nordhessen gilt heute als vorbildlich in Sachen Notfallvorsorge. Im Landkreis wurden Wasserlosen und Gerolzhofen als Beispiele unter die Lupe genommen.
Das Handynetz wäre zwar für zwölf Stunden notstromversorgt, dürfte aber durch Überlastung schneller zusammenbrechen. Radiosender sollten 14 Tage durchhalten. Aber schon für Tankstellen oder Pflegeheime sind keine Notstromaggregate vorgeschrieben. "Das europäische Stromnetz zählt zu den sichersten" beruhigt Göb, mittlerweile sind auch Moldawien und die Ukraine angeschlossen. Aber Corona, Ahrtalflut oder Ukrainekrise zeigen, wie schnell alles anders sein kann.
Die Frage ist nicht, ob ein Blackout kommt, sondern wann
Für Experten stelle sich nicht mehr die Frage, ob ein großer Blackout kommt, sondern wann, sagt der Referent. Das Bundesamt für Katastrophenschutz empfiehlt haltbare Vorräte für zehn Tage. Ein Mensch braucht etwa 14 Liter Wasser in der Woche. Auch Geldautomaten dürften rasend schnell geleert sein: Im Schnitt verwahrt der oder die Deutsche 118 Euro zuhause. Ein Notfallrucksack sollte immer bereitstehen, falls das Haus schnell geräumt werden muss, mit Dokumentenmappe, warmer Kleidung, Medikamenten, Erste-Hilfe-Utensilien. Akkus und Powerbanks mit Solarpanelen und Schnittstellen, Taschenlampen, Kerzen, Campingklo und -Kocher oder Kurbelradio würde man im Krisenmodus ebenfalls zu schätzen wissen – und natürlich (die Pandemieprepper wissen es noch) Toilettenpapier.
Göb empfiehlt den Kommunen eine Ist-Analyse, auch mal eine Übung und die Sensibilisierung der Bevölkerung. Ebenso sollte es lokale "Katastrophen-Leuchttürme" vor Ort geben, erkennbar an einem stilisierten Leuchtturmsymbol: eine Anlaufstelle zur Notversorgung aller Art. In Üchtelhausen ist das derzeit die Feuerwehr (obwohl sie bei einem derartigen Szenario vermutlich anderweitig beschäftigt wäre).
App "Nina" informiert über Warnlagen, über die App "Team Bayern" kann man sich in eine Helferliste eintragen lassen. Thomas Lindörfer ist Krisenmanager beim Rotkreuz-Kreisverband, das über den "VILSS"-Fall Infomaterial auf seiner Internetseite bereithält (kvschweinfurt.brk.de). Empfohlen wird auch die Seite der neuen bayerischen Regionalbeauftragten Sandra Kreitner (www.stromausfall-wm-sog.de). Birgit Göbhardt ist als ehemalige Bürgermeisterin unter den Besuchern des Vortrags. Sie erinnert sich noch gut an Notfallmappen im Rathaustresor, gesichert per Schlüssel, nicht elektronisch.