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Schweinfurt
Wenn Oldtimer Geschichten erzählen
Albert Reinhart verkauft nicht nur alte Automobile, er transportiert auch deren Seele. Warum für ihn Wertschätzung wichtig ist und was hinter fränkischem Feng Shui steckt.
Albert Reinhart in einem Edel-Klassiker, einem Mercedes SL. Im Hintergrund stehen (von links) ein Citroen, zwei Alfas und ein Porsche Spyder Spalier.
Foto: Michael Bauer | Albert Reinhart in einem Edel-Klassiker, einem Mercedes SL. Im Hintergrund stehen (von links) ein Citroen, zwei Alfas und ein Porsche Spyder Spalier.
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 09.02.2024 20:00 Uhr

Es sei ein reines Feng-Shui-Haus, erklärt Albert Reinhart. Der Oldtimer-Liebhaber. Der Auto-Verkäufer. Der Philosoph. Er sagt auch Dinge wie "Ohne Altes gibt es nichts Neues". Oder fragt sich: "Wie erreiche ich künftig Menschen?" Und glaubt an Übersinnliches: "Kennen Sie das auch: Sie denken an Jemanden und plötzlich ruft dieser Jemand an." Der Inhaber des Autohauses Real im Schweinfurter Hafen macht Energiefelder dafür verantwortlich, dass die Menschen auf ihn zukommen. Er verkauft gut, auch in der Corona-Krise.

Man mag seinen Ohren nicht trauen bei dieser Aussage, sind die meisten Branchen durch die Einschränkungen mehr oder weniger arg gebeutelt gewesen – oder sind es noch. Reinhart beteuert es gerne noch einmal: "Das Geschäft blüht wie nie zuvor. Ich habe kaum noch Autos da." Na, ja, es stehen schon noch Schmuckstücke in dem von außen eckig-schlichtem Bau mit der Glasfront, der einmal ein Möbelhaus war. Darunter auch ein paar seltene und teure Flitzer aus den Schmieden Porsche, Mercedes oder Ferrari. Elfer, SL, Testarossa - da zucken die Autonarren nervös. Nur: Die sind gar nicht so sehr Reinharts Zielgruppe.

Neue Wege, die sich auszahlen

Der 58-Jährige, der sich nicht als Autohändler sieht, gleichwohl er mal als solcher klein in Schweinfurt angefangen hat. Der herkömmliche Gebrauchtwagenhandel und der mit Nutzfahrzeugen in der Würzburger Straße dienen ebenso lediglich der finanziellen Basisversorgung wie die Manager-Coachings und die Konkursware-Abwicklung für eine Bank durch den Absolventen eines NLP-Studiums - neurologisches Programmieren. 2016 hat er in der Friedrich-Rätzer-Straße das Oldtimer-Haus eröffnet. Und ist dabei komplett neue Wege gegangen. Wege, die sich jetzt, in der Krise auszahlen.

Die Energie von Albert Reinhart und seinem Sohn in einer Skulptur vereint. Das Kunstobjekt fügt sich stimmig ein in die Reihe der schmucken Oldtimer.
Foto: Michael Bauer | Die Energie von Albert Reinhart und seinem Sohn in einer Skulptur vereint. Das Kunstobjekt fügt sich stimmig ein in die Reihe der schmucken Oldtimer.

Denn dann entstehe für gewöhnlich Raum für Emotionen, für Träume und deren Erfüllung. "Oldtimer haben etwas mit Prägung zu tun, mit Wertschätzung, mit Lebensgeschichten." Der gebürtige Wargolshausener hört von seinen Kunden viele Geschichten und erzählt diese gerne weiter. Vom Opa, der ein bestimmtes Auto gefahren ist, und für den es dann im Leben gut weitergegangen ist. Vom bundesweit bekannten Schönheitschirurgen  aus Lindau, der sich zu seiner üppigen Porsche-Sammlung eine "Ente" gekauft hat, weil eine solche zur Studentenzeit mal sein Auto war. Oder von der frisch vom steinreichen Gatten verlassenen Frau, die ebenso einen 2 CV wollte, weil sie mit 18 einen gefahren hat und sich seit damals nie mehr so frei gefühlt hat. Emotionen. Es geht Reinhart um Emotionen. Und seinen Kunden ebenso.

Tränen beim Verkaufsgespräch

Da fließen auch mal Tränen beim Verkaufsgespräch, wenn der Sohn ein bestimmtes altes Auto sucht, weil das Wissen um dieses die einzige Beziehung zum Vater ist. Diese Söhne oder Töchter würden, so Reinhart, nicht zufällig zu ihm kommen: "Ich ziehe bestimmte Menschen an. Menschen, die wie ich Wertschätzung und Sinne erfahren wollen." Dazu müsse er kein Oldtimer-Experte sein. Wer einen ausgefallenen Flitzer, eine skurrile Kutsche will, der wisse ohnehin alles darüber, da könne er als Verkäufer nur Fehler machen. Viel lieber schickt er potenziellen Kunden vorab einen Essensplan zu, sollten sie zur Mittagszeit kommen wollen. Dann werden bei einem kleinen Menü Geschichten erzählt.

Dreimal Historie: Scheunentor und Körbe stammen vom elterlichen Hof, das Gemälde zeigt Albert Reinharts Auto, einen Lagonda Baujahr 1934.
Foto: Michael Bauer | Dreimal Historie: Scheunentor und Körbe stammen vom elterlichen Hof, das Gemälde zeigt Albert Reinharts Auto, einen Lagonda Baujahr 1934.

Anfangs sei das noch etwas anders gewesen. Da habe der Mann mit dem silbergrauen Kinnbärtchen noch internationale Messen besucht, um so an Sammlungen heran zu kommen. Aber letztlich habe diesen Einkäufen die Seele gefehlt. 2019 sei der Markt plötzlich eingebrochen. "Wir waren im Gebrauchtwagenmarkt angekommen, einen Guten kaufen, drei schlechte Autos angeboten bekommen." Ironie des Schicksals: Mit Corona sei die Wende gekommen. "In Zeiten, in denen Beständiges rar wird, wollen die Menschen plötzlich top Ware, edel, ohne nach dem Preis zu fragen. Sie wollen sich einen Traum erfüllen, alte Prägungen aufbrechen." Auch als Wertanlage werden Oldtimer, ähnlich zu Kunstobjekten, wieder gefragter. Denkt ein Kunde jedoch zu materiell, schickt ihn Reinhart schon mal weg: "Dann  sage ich: Sie sind kein Oldtimer-Mensch."

"Ich kaufe dieses Auto, um den Krieg und das damit verbundene Leid zu achten."
Ein Kunde Albert Reinharts beim Kauf eines Vorkriegs-Automobils

Selbst fährt Reinhart, neben einem Alltagsauto, einen Lagonda Open Tourer, ein Dreiliter-Sport-Cabrio von 1934. Natürlich wegen einer Geschichte. Er hatte dem Chef der Ravensburger Spiele so einen "Vorkrieger" verkauft, der während der Verhandlungen sagte: "Ich kaufe dieses Auto, um den Krieg und das damit verbundene Leid zu achten." Wie so oft sei es bei diesem Deal um Demut gegangen. Eine Demut, die Reinhart selbst empfunden hatte, als er mit 18 nach Frankreich gefahren und auf einem Oldtimer-Markt gelandet ist. Und beschlossen hat, dieser Leidenschaft bereitwillig zu verfallen.

Demut vor Gebrauchsgegenständen. Was viele Menschen den Kopf schütteln lässt, zieht sich wie ein Roter Faden durch Reinharts Leben und sein Oldtimer-Haus. Dessen Einrichtung ebenfalls Geschichten erzählt. Im Vertragszimmer steht der ausrangierte Tisch eines Goldschmiedes ("weil da mehr Wert darauf gelegen ist, als ich je verkaufen kann"). Im Verkaufsraum hängt ein altes Scheunentor ("auf das ich als Junge Fußball gespielt habe und durch das Generationen gegangen sind") - es stammt vom elterlichen Anwesen in Wargolshausen. An das und den Beruf des Vaters auch die geflochtenen Körbe in der Ecke nebenan erinnern. Im ersten Stock stehen noch Kleeböcke, an den Wänden hängen alte Stühle, der Tisch aus einer Wechselstube ("darin lag das Vermögen von 430 Wargolshausenern") und verwitterte Ziegel.

Teppichboden in der Werkstatt

Es gibt Türen aus aller Herren Länder, hinter denen sich Sinnsprüche verbergen – eine Vorbeugung vor diesen Auto-Nationen. Der Empfangs-Tresen ist gesäumt von den Dielen alter Weinfässer ("eine Hommage an den Büttner, der sie gefertigt hat"). Und in der Garage stehen die zu reparierenden Autos auf Teppichboden: "Meine Mitarbeiter sollen das Gefühl haben, dass ihre Arbeit etwas wert ist." Und mitten im Raum steht eine edle Skulptur aus Stein und Bronze, gefertigt von einem Künstler, den Reinhart in seinem zwischenzeitlichen Leben in der Wildnis des Maranello-Gebirges kennen und schätzen gelernt hat: "Es zeigt die Energie von mir und meinem Sohn." Alles irgendwie Feng Shui - fränkisches Feng Shui.

 
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