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SCHWEINFURT
Wenn Mütter am Ende sind
„Ich musste einfach nur noch funktionieren.“ Karin Schifferl beschreibt die Situation, die sie zum ersten Mal in eine Mutter-Kind-Kur brachte. Sie arbeitet im Familienbetrieb mit 30 Angestellten, ihre Tochter war zwei Jahre alt.
Karin Schifferl (links) und Ilse Geyer (rechts) freuen sich. Dank der Hilfe von Carina Wesson (Mitte), die die Beratungsstelle des Müttergenesungswerks bei der Arbeiterwohlfahrt leitet, haben sie es geschafft und eine Mütter- beziehungsweise Mutter-Kind-Kur genossen.
Foto: FOTO Ursula Lux | Karin Schifferl (links) und Ilse Geyer (rechts) freuen sich. Dank der Hilfe von Carina Wesson (Mitte), die die Beratungsstelle des Müttergenesungswerks bei der Arbeiterwohlfahrt leitet, haben sie es geschafft und ...
Von unserer Mitarbeiterin Ursula Lux
 |  aktualisiert: 23.04.2009 17:18 Uhr

Irgendwann war sie so fertig, dass sie sich wegen einer Kur an ihre Krankenkasse wandte. Allein die Aussage von dort „das wird schwierig“ genügte und Karin Schifferl warf die Flinte ins Korn. „Ich hatte keine Kraft mehr, mein Recht einzufordern“, sagt sie heute. Zufällig traf sie Carina Wesson, die bei der Arbeiterwohlfahrt für die Müttergenesungskuren zuständig ist. Die kennt das so genannte Mütter-burn-out und verhalf Karin Schifferl zu einer Mutter-Kind-Kur.

Inzwischen war Schifferl drei Mal mit ihrer heute zwölfjährigen Tochter auf Kur und ihre Beziehung hat sich wesentlich verbessert. „Zu Hause hatten wir kaum Zeit füreinander und wenn, dann war ich oft gereizt.“ In der Kur erlebte sie, dass es anderen Müttern nicht besser geht und sie lernte, dass Frauen keine schlechten Mütter sind, nur weil sie überfordert sind. Diese positiven Erfahrungen ließen sie ihren Alltag besser bewältigen.

Ganz anders die Geschichte von Ilse Geyer. Sie hatte sich in zahllosen Ehrenämtern aufgerieben, ihre Mutter 40 Jahre lang gepflegt und einen Sohn großgezogen. Als noch eine schwere familiäre Belastung dazukam, war ihre Energie aufgebraucht. Sie brach zusammen. Die Kasse wollte der 72-Jährigen nur eine offene Badekur genehmigen. Über den evangelischen Frauenbund, in dem sie aktiv ist, kam sie zu Carina Wesson, die sich nicht nur dafür engagierte, dass Ilse Geyer eine Mütterkur bekam, sondern gemeinsam mit dem Frauenbund auch die Finanzierung übernahm. Nachdem sie 20 Jahre lang für das Müttergenesungswerk gesammelt hatte, kam Ilse Geyer jetzt selbst in den Genuss einer Kur. Einfach war das allerdings nicht, sie musste neun Monate warten.

Ulla K. (Name von der Redaktion geändert), ist berufstätig und Mutter von vier Kindern. Obwohl ihr Mann im Haushalt mithilft, wuchs ihr eines Tages doch alles über den Kopf. Als sie bei der Krankenkasse eine Kur beantragte, bekam sie die lapidare Antwort, sie solle eine Psychotherapie machen, sie arbeite zu viel. Auch sie landete schließlich in einem Mütterkurheim.

„Wir waren eine tolle Gemeinschaft“, erinnert sich Ilse Geyer an ihren Aufenthalt auf der Insel Juist. Auch Karin Schifferl lobt das Zusammensein. Allerdings müsse man sich auch abgrenzen, sonst belasten die Probleme der anderen noch zusätzlich. Ilse Geyer bekam von ihrer Ärztin ohnehin die Warnung mit auf den Weg: „Spielen sie bloß nicht den Engel von Juist!“

Carina Wesson kennt das Problem. Viele Mütter gehen erst dann zum Arzt, wenn sie völlig am Ende sind. Dann aber sage die Kasse, dass die Möglichkeiten vor Ort nicht ausgeschöpft wurden. Manche Kassen lehnen grundsätzlich erst einmal ab, dann müsse Widerspruch eingelegt werden. Manchmal schreibe der Arzt nur „Erschöpfungssyndrom“, dann sage der Medizinische Dienst der Krankenkasse: „Der fehlt ja nichts“. Seit die Mütterkuren 2007 zu Pflichtleistungen der Krankenkassen wurden, geht der Trend wieder aufwärts. Bereits 40 Mütter hat Wesson in diesem Jahr vermittelt. Ihr fällt auf, dass immer mehr Frauen mit psychisch kranken Kindern eine Kur beantragen. Auch die bedürften fachlicher Hilfe, sagt Wesson und ist sich sicher, dass noch viel mehr Mütter die Kurangebote bräuchten, aber nicht genug informiert seien. Sie will den Frauen Mut machen, es zu probieren, bis zu einem Alter von etwa 65 Jahren sei eine solche Kur möglich.

Stichwort

1950 hat Elly Heuss-Knapp, die Frau des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss, das Deutsche Müttergenesungswerk gegründet. Es soll Kuren für Mütter ermöglichen und durch die Vernetzung der Wohlfahrtsverbände unter dem Dach des Müttergenesungswerkes die Arbeit für Mütter stärken. Das geschieht mit Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen. In Schweinfurt vermittelt nur noch die Arbeiterwohlfahrt solche Kuren. Zuständig ist Carina Wesson, Tel. (0 97 21) 22 39 0.

 
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