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SCHWEINFURT
Wenn man jemanden braucht, der zuhört
Lorenz Hummel leitet den GesprächsLaden Schweinfurt seit September 2020. Regelmäßig wird dort auch Künstlern die Chancen gegeben, ihre Werke auszustellen. Noch bis Oktober sind unter dem Titel „An der Grenze“ Bilder von Anita Haub und Martha Walter zu sehen.
Foto: Hannes Helferich | Lorenz Hummel leitet den GesprächsLaden Schweinfurt seit September 2020. Regelmäßig wird dort auch Künstlern die Chancen gegeben, ihre Werke auszustellen.
Hannes Helferich
Hannes Helferich
 |  aktualisiert: 13.06.2021 02:21 Uhr

In diesem Laden gibt es nichts zu kaufen. Was angeboten wird, ist kostenlos, außergewöhnlich und etwas Besonderes: Reden, über Gott und die Welt, sprechen, über eine Erkrankung, übers Älterwerden oder über Eheprobleme. Und das Gegenüber in diesem Laden fällt dem, der seine Sorgen ablädt, garantiert nicht ins Wort, „gackert nicht gleich rein, wie das Ehepaare so gerne tun“, wie das Lorenz Hummel formuliert. Die Menschen, die den GesprächsLaden in Schweinfurt aufsuchen, „brauchen einen, der bis zum Ende zuhört“, sagt der Pastoralreferent.

Ohne Warten auf einen Termin

Hummel hat das Zepter am 1. September 2020 als Nachfolger von Robert Bundschuh übernommen, der die von der Diözese Würzburg und der Stadtkirche Schweinfurt finanzierte Einrichtung mitgegründet hat. 21 Jahre lang war Bundschuh bis zur Pensionierung ihr Gesicht. Hummel wuchs in Würzburg auf, studierte Diplom-Theologie. Er arbeitete in Giebelstadt, Maroldsweisach, Mömbris, war Familienseelsorger im Dekanat Alzenau. Zuletzt wirkte er in Würzburg. „Nochmal eine Herausforderung“, begründet der verheiratete Vater (58) vier erwachsener Kinder seine erfolgreiche Bewerbung.

In den GesprächsLaden kann „jeder kommen, der ein Gespräch will“. Alter, Religion, Geschlecht, egal. „Jeder Mensch ist uns wichtig“, sagt Hummel. Uns. Damit meint er sich und die derzeit neun Ehrenamtlichen. Das Gros der Besucher ist zwischen 40 und 70 Jahre alt. In einer Krise stecken viele nicht unbedingt, aber eigentlich alle haben ein Problem. Sie kommen, um einfach mal mit einer außenstehenden Person darüber zu reden. „Das tut manchen schon gut,“ weiß Hummel. Andere fühlen sich einsam, dritte wissen bei einem speziellen Thema alleine nicht weiter.

Trauer, Eheprobleme, Depression sind die Hauptthemen. Eine 60-Jährige schaute kürzlich im GesprächsLaden angeblich nur vorbei, um die regelmäßige Ausstellung zu besuchen. Noch bis Oktober sind unter dem Titel „An der Grenze“ Bilder von Anita Haub und Martha Walter zu sehen. Sie outete dann aber ihre Depression, war dankbar für das Gespräch. Ein großer Vorteil ist neben der Kostenfreiheit, dass man nicht erst Monate auf einen Termin warten muss, was bei Therapeuten die Regel ist. Hummel ist hier wichtig zu erwähnen, dass das Laden-Team keine Therapeuten ersetzen kann und will. „Wir setzen Leute aber wieder auf die Spur“. Wenn dieses „Überbrücken“, wie er das nennt, nicht hilft, verweisen er und/oder die Ehrenamtlichen an Fachstellen.

Offen ist der GesprächsLaden von Montag bis Mittwoch von 10 bis 14, am Donnerstag und Freitag von 14 bis 18 Uhr. Gesprächspartner sind Hummel, der einzige Hauptamtliche, und jeweils ein Ehrenamtlicher. Seit der Eröffnung 1999 suchten im Durchschnitt jährlich 1600 Menschen den Laden auf. 2020 waren es mit 1250 ein paar weniger, sicher bedingt durch den Umzug zum Marktplatz 20 schon im April, den Leitungswechsel im Herbst und auch wegen der Pandemie. Mittlerweile zieht die Nachfrage aber wieder spürbar an, weshalb mehr Ehrenamtliche nötig und wohl auch schon ausgebildet wären. Aber: Der Lehrgang (zweimal samstags) für die Interessenten, die sich bereits angemeldet hatten, musste wegen Corona schon dreimal verschoben werden.

Was sich der Besucher von der Seele redet, bleibt im GesprächsLaden. „Anonymität ist das Markenzeichen“, sagt Hummel. Das Raumangebot ist dafür ausreichend. Manche Gespräche dauern fünf Minuten, die Regel sind 45 bis 90 Minuten. Oft verlangt ein Problem eine zweite, dritte Runde, was den „Wiederholungstätern“, wie Hummel augenzwinkernd sagt, auch ermöglicht wird. Ratschläge erteilen die Profis im GesprächsLaden keine. „Wir fragen nach, hören zu, begleiten einen Weg“, beschreibt Hummel die Unterstützung.

Wie bereitet er sich vor? „Ruhig bleiben“, sagt er. Hummel ist nach einem Dreivierteljahr angekommen im GesprächsLaden, kann nun wie geplant auch als Netzwerker fungieren, sprich: er wiederbelebt unter Bundschuh aufgebaute Kontakte, knüpft neue, will eigene Ideen umsetzen, zum Beispiel irgendwann heilsames Singen anbieten. Froh ist er, dass der Offene Gesprächskreis für Menschen in Trauer mit umgezogen ist.

Dieser Kreis wurde Anfang 2000 von und in der Palliativstation des Sankt Josefs Krankenhauses gegründet. Die Sprechstunden fanden im dortigen Andachtsraum statt. 2012 ist das so wichtige Angebot für trauernde Menschen in den GesprächsLaden gewechselt, ist aber nach wie vor Teil der Seelsorge von Sankt Josef, berichtet Cornelia Krines-Eder.

Die Diplom-Sozialpädagogin ist auch Trauerberaterin, kam 2007 zum Gesprächskreis, den sie seitdem leitet. Die Regeln und Verhaltensweisen sind die Gleichen: Nichts wird aus dem Gesprächskreis nach außen getragen, die Teilnahme ist kostenlos und ohne Anmeldung jederzeit möglich. „Jeder ist willkommen“, sagt Krines-Eder, die sich zunächst als Zuhörerin sieht, der trauernde Besucher findet „offene Ohren“.

Für alle Teilnehmer, in der Mehrheit Frauen, ist die Trauer der Anlass, mit anderen in der gleichen Situation über ihren Schmerz, ihre Gefühle zu reden, sich auszutauschen oder auch einfach erst Mal nur zuzuhören. „Das hilft manchen schon“, weiß Krines-Eder. Manche kommen sofort nach einem Todesfall, andere sehen vier Wochen nach dem Tod ihres Mannes („ich höre noch seine Stimme“) , eines Kindes oder engen Angehörigen die Zeit gekommen, sich mit anderen auszutauschen. Bei einer dritten Gruppe sind fünf Jahre vergangen, aber die Trauer lässt sie nicht los. Krines-Eder nennt Trauer etwas „ganz Natürliches, man muss seine Ängste äußern dürfen“. Trauer ist für sie ein „Weg zurück ins Leben“. Der Offene Gesprächskreis macht das möglich, immer am zweiten Montag eines jeden Monats kommt die Offene Runde im GesprächsLaden zusammen. Für Hummel ein „ganz wichtiges Angebot“.

Der GesprächsLaden ist von der Manggasse auf die gute Stube der Stadt umgezogen. Adresse: Marktplatz 20.
Foto: Hannes Helferich | Der GesprächsLaden ist von der Manggasse auf die gute Stube der Stadt umgezogen. Adresse: Marktplatz 20.
 
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