Orhan Duvan spricht Türkisch und Deutsch. Und er kümmert sich um 30 Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien. Junge Männer, die größtenteils ihn genauso wenig verstehen, wie er sie. Die gemeinsamen Sprachen: Menschlichkeit und Fußball. Duvan ist Vorsitzender des FV Türkgücü Schweinfurt, dem jüngsten unterfränkischen Stützpunktverein „Integration durch Sport“, einer Aktion des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).
Der Deutsch-Türke ist mächtig stolz, dass er und sein Klub beitragen dürfen zu interkultureller Verständigung: „Ich kenne das ja aus eigener Erfahrung. Was kann es Schöneres geben, als Menschen die Sicherheit zu geben, dass sie so akzeptiert werden wie sie sind?“
Und genau das tun die Schweinfurter Türken. Das Sportgelände des Fußball-A-Klassisten liegt günstig auf dem Weg zwischen Erstaufnahmeeinrichtung und Stadt. Da kamen erst ein paar Syrer. Dann ein paar Afghanen. Sie merkten schnell, dass sie willkommen sind. Dass sie unbürokratisch aufgenommen werden. Einfach mal mitkicken. Ein bisschen Sport, ein bisschen Lachen. „Auch wenn die meisten dieser Jungs in ihrem Land nicht in Vereinen und auf ausgetretenen Wiesen Fußball gespielt haben, endlich konnten sie im neuen, fremden Land zeigen, dass sie auch etwas können“, so Duvan.
Er kümmerte sich mit seinen Mitstreitern sofort um Sportkleidung und Schuhe. Bälle und Platz waren ausreichend vorhanden. Das Sportgelände am Rand des Stadtteils Bergl umfasst über 30 000 Quadratmeter. „Bei uns passen alle rein“, sagt der 47-Jährige.
Anträge gehen an die Heimatländer
Gut so. Denn es kamen dank Mund-zu-Mund-Propaganda immer mehr. Inzwischen trainieren rund 30 Flüchtlinge regelmäßig mit Türkgücü. Die meisten haben inzwischen einen Pass des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV). „Auch wenn das Sportliche zunächst zweitrangig und die Spielberechtigung nicht ganz einfach zu bekommen ist“, so Duvan. Die Anträge gehen an den BFV, von dort in die Heimatländer.
Dort herrscht Krieg und Chaos, es gibt Wichtigeres als Fußball-Formalitäten. Doch nach 30 Tagen Wartezeit erteilt der Bayerische Fußballverband (BFV) dann in der Regel das Spielrecht. FV-Trainer Lulzim Gubetini, als Kosovare ebenfalls aus einem Konfliktgebiet stammend, hat auch Talente gesichtet – und so kicken bereits in der ersten und zweiten Mannschaft der Schweinfurter schon einige Syrer und vor allem Afghanen. Der Rest spielt in der „Dritten“, die aber nicht am Rundenbetrieb teilnimmt und nur kurzfristig ausgemachte Freundschaftsspiele austrägt.
Duvan hat inzwischen auch Dolmetscher aufgetrieben, mit den sprachlichen Barrieren fallen ja bekanntlich auch die zwischenmenschlichen. Und schnell merkte der FV-Vorsitzende, dass die Sache einen deutlich höheren Aufwand erfordert, als der bisherige Spielbetrieb. Er ging einfach mal auf eine Versammlung, bei der sich Vertreter der Stadt Schweinfurt und der Bayerischen Sportjugend (BSJ) zum Thema Integration austauschten, und wurde fündig: Die Sportverbände unterstützen Vereine bei der Erstausstattung für Fußballer mit Migrationshintergrund. Der DOSB unterstützt über die Landesverbände ganz konkret im Rahmen seiner Aktion „Integration durch Sport“. Der FV Türkgücü bewarb sich und wurde Stützpunktverein. Kürzlich bekamen die Schweinfurter die Ernennung im Zuge ihres ersten türkisch-deutsch-syrischen Fußballturniers.
„Das ist schon ein außergewöhnliches Engagement“, sagt Thomas Kram. Der Bildungsreferent im Ressort Integration durch Sport im Bayerischen Landessportverband (BLSV) liefert die Erklärung gleich nach, warum das bei Türkgücü so rund läuft: „Aus der selbst erlebten Integration wird gelebte Integration. Die Leute in diesem Verein wissen, was es braucht, um anzukommen in einer Gesellschaft.“ Den deutsch-türkischen Kulturverein FV Türkgücü gibt es bereits seit 1964. Auch wenn bis auf eine Person alle Vorstandsmitglieder türkischstämmig sind, es ist längst ein deutscher Klub daraus geworden – ohne die Wurzeln seiner Kultur zu verleugnen.
Kram sieht genau darin einen entscheidenden Vorteil gegenüber Vereinen, die kaum Mitglieder mit Migrationshintergrund haben: „Geht eine deutsche Frau in eine Flüchtlingsunterkunft und bietet beispielsweise Turntraining an, wird das kaum Wirkung zeigen. Kommt aber zum Beispiel eine türkische Frau, möglicherweise noch mit Kopftuch, wird die Hemmschwelle deutlich niedriger liegen.
Kram nennt das den „Türöffner-Effekt“. Man dürfe schließlich nicht vergessen, dass die Mehrheit der Flüchtlinge Schlimmes erlebt habe und Zeit brauche, wieder Vertrauen aufzubauen. Zeit, die es im Sinne eine raschen Integration nicht immer gibt.
Akzeptanz und Zulauf gestiegen
Wer vom BLSV beziehungsweise DOSB als Stützpunktverein anerkannt ist, erfährt strukturelle und materielle Hilfe. Nicht erst seit der aktuellen Flüchtlingswelle. Seit Anfang der 90er existiert das Projekt für interkulturelle Öffnung. Akzeptanz und Zulauf, so Kram, seien aber gerade seit letztem Jahr deutlich gestiegen. Der Verband hilft beim Beschaffen von Trainingsgeräten und Platzkapazitäten, aber auch beim Schulen von Übungsleitern mit dem Programm „Fit für die Vielfalt“. Finanzielle Zuschüsse sind immer zweckgebunden. Gebühren für Spielberechtigungen oder Wettkampfteilnahmen müssen die Vereine indes selbst tragen.
Umso mehr freut sich Kram über den FV Türkgücü, der bereits über 20 Pässe beantragt und damit mehr als 1000 Euro ausgegeben hat. Denn das Risiko ist groß, dass Flüchtlinge binnen weniger Monate weiterziehen müssen, mitunter in ein ganz anderes Bundesland. Kram: „Da ist es schön, wenn Vereine über den Tellerrand hinausschauen, nicht nur im eigenen Interesse handeln und in einem Mikrokosmos leben.“ Denn auch, wenn womöglich später die vollständige Integration woanders geplant wird, „es muss zunächst das Ankommen gemanagt werden“, dankt der 41-Jährige allen engagierten Klubs für ihr schnelles Handeln.
Umso mehr hat es Orhan Duvan vor wenigen Wochen irritiert, als er ausgerechnet von einer Amtsperson in Würzburg, deren Namen und Tätigkeit er nicht weiter konkretisieren mag, eine verstörende Frage zu hören bekam. Warum ausgerechnet ein türkischer Verein glaube, Integration betreiben zu können. „Da bin ich richtig wütend geworden“, so Duvan. „Wir leben in Deutschland. Wir sind integriert. Warum sollen wir das nicht können? Wir wissen, wie die deutsche Gesellschaft funktioniert.“ Und: „Das hat uns nur noch mehr angespornt, zu helfen.“
Auch ein anderes einschneidendes Erlebnis konnte Duvan und seinen Verein nicht vom Kurs abbringen: Der Anschlag in Würzburg, bei dem ein 17-jähriger Afghane mehrere Personen in einem Regionalzug schwer verletzt hat. „Da habe ich mich beschissen gefühlt“, erinnert er sich an die Nacht der ersten Nachrichten. Schließlich stellen Afghanen das Gros seiner neuen Schützlinge. „Aber wir haben bewusst nicht darüber mit ihnen geredet. Wir wollen Politik aus dem Verein heraushalten.“ Und schließlich hätte das „seinen“ Afghanen das Gefühl einer Verallgemeinerung gegeben. Und Vorurteile seien das Letzte, was man brauchen könne auf dem Weg zur Integration.
Integration durch Sport
Darüber hinaus besteht intensiver Kontakt zu weiteren Vereinen in Unterfranken, die Stützpunktvereine waren und die Integrationsarbeit inzwischen ohne finanzielle Förderung weiterführen. Dazu gehören: TV Aschaffenburg, TUS Damm Aschaffenburg, TSV Aschbach, TV/DJK Hammelburg. Gespräche für die Übernahme eines Integrationsprojekts in einen Stützpunktverein führt der BLSV mit dem TSV Lohr. Außerdem werden zwei Integrationsprojekte außerhalb von Sportvereinen aktuell in Würzburg gefördert: ein Projekt für Bogenbau und Bogenschießen mit Jugendlichen sowie eine interkulturelle Frauensportgruppe.
Solche Menschen haben schon mal Deutschland in den Abgrund getrieben.
Stefan Fuchs
Nussgasse 8
Wer wegläuft und Fußball spielt, anstatt seine Heimat, seine Familie, seine Ehre, seine Würde und seine Freiheit zu verteidigen, der muss sich fragen lassen, was ihm das alles eigentlich wert ist.
Solche Männer als Feiglinge zu bezeichnen, sollte doch auch im Rahmen dieses Forums möglich sein...
Zweitens, gesetzt den Fall Sie haben einen Sohn, der ins dienstfähige Alter käme und die Schergen des Hr. Assad würden voraussichtlich demnächst kommen und diesen in die syrische Armee pressen, wie würden Sie handeln?
Ließen Sie ihren Sohn in dieser Armee für die Hersch-Sucht eines Diktators abschlachten?
Mir ging das Leben meiner Kinder über alle anderen Werte und ich würde sonst was bewegen und versilbern um meine Kinder in Sicherheit bringen zu können.
So wie Sie daher reden, haben Sie sich eine solche Situation vermutlich noch nicht vorgestellt oder Sie sind wahrlich herzlos.
Aber die eigenen Kinder, Frauen und Eltern haben diese Helden im Kriegsgebiet zurückgelassen.
Das Sie sich der Meinung des Grünen-Vorstands und Integrationsberaters Herrn Fuchs anschließen, kann ich nachvollziehen.
Ansonsten, Integration im Fußballclub finde ich gut.....besser als Unsinn machen
Die über 1.000 Euro wurden für Vereinswechsel von Spielern, die bereits seit über zehn Jahren in SW leben und bereits bei mehreren Vereinen Fußball gespielt haben, fällig.
Nur so wird ein Schuh draus.