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Schweinfurt
Wenn die Seele Hilfe braucht
Dr. Hans Albrecht Schmid sprach über "Psychische Traumatisierung: Folgeerkrankungen und Therapiemöglichkeiten"
Psychische Traumata können das Leben der Betroffenen schwer beeinträchtigen. Das Leopoldina Arzt-Patienten-Seminar informierte über Behandlungsmöglichkeiten.
Foto: Julian Stratenschulte/dpa | Psychische Traumata können das Leben der Betroffenen schwer beeinträchtigen. Das Leopoldina Arzt-Patienten-Seminar informierte über Behandlungsmöglichkeiten.
Manfred Herker
 |  aktualisiert: 11.12.2019 21:33 Uhr

Seelische Verletzungen (psychische Traumata) durch extrem bedrohliche Erlebnisse können das Leben der Betroffenen schwer beeinträchtigen, sie oft in tiefe Verzweiflung stürzen. Über die "Folgeerkrankungen einer psychischen Traumatisierung und ihre Behandlungsmöglichkeiten" sprach beim Leopoldina Arzt-Patienten-Seminar Dr. Hans Albrecht Schmid, leitender Oberarzt der Klinik für Psychosomatik am Leopoldina.

Außergewöhnliche Bedrohungen mit seelischen Verletzungen können entstehen durch Naturkatastrophen, Unfall, Überfall, sexuelle Gewalt, drohenden Tod, Verlust einer Bezugsperson, Krieg, Folter, Geißelnahme, Flucht, Kindesmissbrauch oder Kindesvernachlässigung. Nicht nur als Opfer, sondern auch als Zeuge könne man psychische Traumata erleiden, betont Schmid. Und: Solch eine seelische Verletzung gehe mit Gefühlen der Hilflosigkeit und schutzlosen Preisgabe einher und erschüttere das Selbst- und Weltverständnis der Betroffenen.

Die Hauptkrankheit nach einem psychischen Trauma ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), eine verzögerte psychische Reaktion auf erlittene Ereignisse. Man spricht erst dann von einer PTBS, wenn das Trauma länger als einen Monat zurück liegt. Typisch für diese Störung ist das wiederkehrende, unwillkürlich sich aufdrängende Erinnern oder Wiedererleben des traumatischen Ereignisses, oft unter völligem Wahrnehmungsverlust der Umgebung. Diesem quälenden Ausgeliefertsein versuchen die Betroffenen zu entgehen, indem sie sich bemühen, alle belastenden Erinnerungen, Gedanken oder Gefühle zu vermeiden, die mit dem Ereignis verbunden sind.

Belastungsreaktionen können nach einem Trauma auftreten

Veränderungen des Denkens und Fühlens sind ebenfalls Symptome der PTBS: Unfähigkeit zur Erinnerung an das Ereignis, übertriebene negative Überzeugungen und Erwartungen bezüglich der eigenen Person, Anderer oder der Welt, dauerhaftes Gefühl von Furcht, Entsetzen, Wut, Schuld ("bin selber schuld"), Scham, vermindertes Interesse an Aktivitäten, Gefühl der Entfremdung sowie die Unfähigkeit, Glück, Zufriedenheit, Zuneigung zu empfinden.

Auch Zustände vegetativer Übererregbarkeit gehören zum Krankheitsbild der PTBS: Reizbarkeit, Wutausbrüche, Aggressionen gegen Sachen und Personen, riskantes oder selbstzerstörerisches Verhalten, übermäßige Wachsamkeit und Schreckreaktion, Konzentrations- und Schlafstörungen. Eventuell kommt es auch zu einer Unterbrechung der normalerweise zusammenhängenden psychischen Funktionen: Des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität, der Wahrnehmung der Umwelt, der Motorik und Sensibilität. Sofort oder Minuten nach einem Trauma kann die "akute Belastungsreaktion" auftreten. Sie kann bis zu einem Monat dauern und ist durch eine vielfältige, oft rasch wechselnde Symptomatik gekennzeichnet.

Traumatisierung in der Kindheit

Eine folgenschwere Traumatisierung kann in der Kindheit erfolgen. Hier nennt Schmid körperliche Misshandlung, sexuelle Gewalt, körperliche und emotionale Vernachlässigung, ständige Abwertungen, Gewalt(androhung), viele Trennungen oder Verluste, Drogenkonsum der Eltern, "Sündenbock-Rolle". Die späteren Folgen sind verheerend: Schlechte Selbstwahrnehmung, instabile Beziehungen, "alles mit sich machen lassen" (Wiederholung des Missbrauchs in der Kindheit), besonders bei Männern aggressives Verhalten, selbstschädigendes Verhalten (Schneiden), Sucht, Depressionen, Angsterkrankungen.

Schmid erläutert an den Ereignissen "großer Unfall" und "Vergewaltigung" die ersten psychologischen Hilfsangebote, die den Betroffenen vor allem Sicherheit, Beruhigung und Verbundenheit vermitteln sollen. Als Therapiemöglichkeiten nennt er: "Raus aus möglichem Täterkontakt", Symptome kurzfristig mit Medikamenten lindern, Stabilisierung, Trauma-Konfrontation wenn nötig und möglich, psychotherapeutische Gespräche.

Information: Eine ambulante Therapie könne traumatisierte Menschen durch Vermittlung von Orphea e.V. erhalten, dem Unterfränkischen Zentrum für Psychotraumatologie, Tel. (0931) 26483. Eine stationäre Therapie bieten an: Die Psychosomatische Klinik Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt, Tel. (09721) 720 3610. Infogruppe ohne Anmeldung jeden Freitag 14 Uhr. Außerdem die Krisenstation und die Psychotherapiestation des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin Schloss Werneck, Tel. (09722) 21 1356. Infogruppe  Freitags 16.30 Uhr.

 
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