
Sogar der Würzburger Bischof Franz Jung war dieser Tage extra ins Kleine Stadttheater nach Gerolzhofen gekommen, um den Klassiker "Der Brandner Kaspar schaut ins Paradies" anzuschauen. "Er blieb auch nach dem Stück noch ziemlich lange, es hat ihm scheinbar gut gefallen", verriet Theater-Leiterin Silva Kirchhof.
Nicht nur dem Gottesmann gefiel es, was er dort sah. Die acht Vorstellungen an sechs Tagen lockten insgesamt rund 1000 Zuschauerinnen und Zuschauer an, ein weiterer großer Erfolg für die kleine Bühne in Gerolzhofen. Dabei hingen die gesamten Aufführungen am seidenen Faden.
Wochenlang hatten die neun Akteure geprobt für das Stück, sie standen am Tag der Premiere bereits in der Garderobe. Dann trat wenige Minuten vor dem Beginn gewissermaßen der Super-GAU ein. Eine halbe Stunde vor der allerersten Aufführung musste die Hauptrolle erkrankt absagen. Ausgerechnet den Boandlkramer Philip Errington-Zietlow hatte es erwischt. Eine Erkältung, fast keine Stimme, er musste passen. Errington-Zietlow fiel nicht nur für die Premiere aus, sondern gleich für die gesamte Woche mit acht Aufführungen.

Dass trotzdem gespielt werden konnte, lag an Silvia Kirchhof. Die eigentlich als Regisseurin des Stücks Fungierende sprang kurzerhand in das eiskalte Wasser, eine Situation, die auch für sie als langjähriger Profi völlig neu gewesen sei, wie sie zugab. "Es stand für mich relativ schnell fest, wir müssen spielen. An dem Tag waren ja schon 50 Zuschauer da. Außerdem hätten wir sonst wohl auch die anderen Vorstellungen absagen müssen", sagte sie im Nachhinein.
Es gab keine Alternative
Das mochte sie vor allem ihren Akteuren, die so viel Zeit und Herzblut in den Wochen zuvor investiert hatten, nicht antun. Also schlüpfte sie nach "vielleicht fünf Minuten Überlegung", wie sie sagte, in die Rolle des Tods, des Boandlkramers. "Wenn, dann kann nur ich das übernehmen, auch weil ich die Abläufe, die Laufwege, auf der Bühne kenne", begründete Kirchhof es. Der andere Hauptakteur, Stadtpfarrer Stefan Mai als Brandner Kaspar, gab gewissermaßen auch seinen Segen dazu.
Viele Passagen des langen Texts kannte sie aus der Regie sinngemäß, das Textbuch nahm die Mimin als Stütze mit auf die Bühne, um bisweilen kurz hinein zu schauen. Auf diese ungewöhnliche Spielart hatte Kirchhofs Ehemann Achim Hofmann das Publikum bei der Begrüßung hingewiesen, als er die Situation schilderte.
Später merkten die jeweils 120 Besucher pro Aufführung kaum etwas, zumal das Stück recht rund lief. "Es gab fast keine Aussetzer. Und wenn, dann hat Silvia das toll überspielt. Eine Riesen-Leistung", zollte auch Fotograf Jochen Fehlbaum Respekt. Als Freund und Helfer im Theaterhaus hatte er alle Stücke begleitet.
Pfarrer mit größtem Pensum
Am vorletzten Abend, am Sonntag, strahlten die Akteure, als es beim Schlussapplaus teils stehende Ovationen gab. Das blieb der verdiente Lohn für den Aufwand der Laien-Schauspieler. Unglaublich ins Zeug gelegt hatten sie sich, sogar während der Vorstellung. So lief etwa Mario Döpfner, eigentlich als Wilderer Flori mit auf der Bühne, in der Pause durch den Saal, um Kuchen zu verteilen. Die Gäste durften sich ein Stück Süßes nehmen, da im Stück der Brandner Kaspar Geburtstag feierte. Den Kucken backten jeweils Akteure vorab, mit übrigens mit frischen Eiern von Döpfners eigenen Hühnern.

Mit das größte Pensum hatte Stefan Mai zu leisten. Der katholische Geistliche hielt etwa am Sonntagvormittag Gottesdienst, nachmittags und abends stand er als Hauptrolle auf der Bühne, um erneut einen grandiosen Brandner Kaspar zu verkörpern, wie bereits vor acht Jahren. Mai pries die Gemeinschaft unter den Akteuren. "Ich bin aber auch froh, wenn es wieder vorbei ist", gestand er schmunzelnd.
Während der Woche bekam der Stadtpfarrer Besuch von seinem Vorgesetzten. Er hatte Bischof Franz Jung eingeladen, der sich dann tatsächlich eine Vorstellung anschaute. Jung zeigte sich sehr angetan von der Theatergruppe, er blieb nach der Vorstellung noch einige Zeit im Theaterhaus und plauderte lange mit den Schauspielern. Dass es dem Bischof anscheinend gut gefiel, zeigt sein Eintrag ins Gästebuch. "Danke für den wunderbaren Abend", schrieb er dort unter anderem.
Das Publikum zollte den Theaterern Respekt, das ließ sich aus dem Small-Talk mit den nach den Aufführungen heraus hören. "Wenn die Leute zufrieden sind, dann sind wir es auch", meinte etwa Bernd Beck, der als gemütlicher Petrus mit seinem Gehilfen Charly Weickert für den Himmel zuständig war.
Erleichterung macht sich breit
Sichtlich erleichtert schien auch Silvia Kirchhof, die unverhofft ganz in den Mittelpunkt gerückt war. "Für die gesamte Gruppe war es eine Höchstleistung. Ich bin sehr glücklich, dass wir es trotz allem so gut hinbekommen haben. Wir haben hinterher jeweils in 123 glückliche Gesichter geblickt und viel Lob bekommen. Das macht die Anstrengung wett."
Für 2024 hat das Gerolzhöfer Theaterensemble vorerst kein Stück geplant, auch weil Kirchhof dann als Regisseurin bei den Passionsspielen in Sömmersdorf eingebunden ist.
