"Ich glaube, die Philosophen haben auch keine Ahnung". Manchmal schwingt er noch mit, der verschmitzte Sebber-Sound, im fiktiven, aber autobiographisch gefärbten Lebensbericht von Florian. Der Streifenpolizist flüchtet sich desillusioniert zu den antiken Stoikern, wie Seneca, der Vernunft und Gelassenheit fordert, komme was wolle.
Florian gibt es nicht wirklich, die Asphaltwelt, an der sich in 45 Dienstjahren jede Illusion abgeschliffen hat, schon. Der Ton ist rauer geworden, im Cop-Krimi von Joachim Engel. Mit "Die Seele ist ein leeres Fass" hat der Schweinfurter Autor einen durchweg ernsthaften Roman und sich dabei eigene Erlebnisse von der Seele geschrieben.
"Ein Polizist blickt zurück" lautet die Unterschrift, von Buch Nr. 4, nach dem Episodenroman "Rossmarkt" oder den Mundartgeschichtli rund um Sebber, der als Antiheld mit Dienstmarke zum Schmunzeln anregen sollte. Das Lächeln von Protagonist Florian gefriert, angesichts grausiger Verkehrsunfälle, von Psychos, Stalkern, Extremisten, Bürokraten, Abgassonderuntersuchungen.
Engel, Jahrgang 1961, weiß, von was er schreibt. Der gebürtige Haßfurter ist frisch pensioniert worden, nach mehr als 40 Jahren in Polizeiuniform. "Inspiriert" sei Florians Geschichte von realen Ereignissen, nicht mehr, nicht weniger. Gezeigt werden soll, wie ein junger Polizist seine Euphorie verliert: "Ich will es nicht als Abrechnung oder Nachtreten verstanden wissen." Manch Seitenwende ist zugleich eine Zeitenwende.
In den 70ern ruckelt ein Zug unruhig Richtung Würzburg. Darin sitzt der 17 Jahre alte Nachwuchspolizist. "Mach uns keine Schande", hat ihm sein Vater mitgegeben, auf dem Weg in die Kaserne. Es sind die bleiernen Jahre des RAF-Terrors, der Ölkrise und autofreien Sonntage. Gleichschritt und Handgranatenwerfen zählen zur polizeilichen Grundausbildung, Demonstranten rücken martialisch mit Äxten, Zwillen, Baseballschlägern an.
"Mit 17 hat man keine Vorstellungen, was auf einen zukommt", sagt Engel, beim Kaffee in der Fußgängerzone. Früher habe man als Polizist geglaubt, hässliche Erfahrungen wegstecken zu können. Sich zu gewöhnen, an Tod, Gewalt, menschliche Tragödien. Das Gegenteil ist der Fall, lernt Florian. Der Pegel seiner psychischen Belastung steigt von Jahr zu Jahr. Er eckt zunehmend an. "Unser Seelenfass läuft voll", warnt ein Kollege.
Bis zum Überlaufen. Dagegen helfe nur Reden. Florian verzweifelt am Verlust guter Kollegen, "am Leid der Unglücklichen und an der Dreistigkeit der unanständigen Menschen." An Missachtung der Opfer und zu viel Nachsicht für Täter. Auch die Polizistenmorde von Kusel 2022 hatten eine ganze Reihe von Vorgängerverbrechen, an Orten wie Dorfen (1988) oder Holzminden (1991).
Der Eiserne Vorhang fällt, die Asylwelle brandet auf. Manche Geschichte wirkt provokant, aber lebensecht. Zwei hasserfüllte Kriminelle nordafrikanischer Herkunft bringen den Polizisten zur Verzweiflung, "weil sie überhaupt kein Unrechtsbewusstsein haben." Links, rechts, mit diesem Schema kann Florian wenig anfangen. Auch erratische Corona-Proteste werden verhandelt, oder der Wahnsinn des Ukrainekriegs. Sogar einen hollywoodreifen Showdown mit Automatenknackern gönnt Engel seinem "Antisebber", der kurz vor der Pensionierung zur Maschinenpistole greifen muss.
Viele seiner Einsätze sind glimpflich ausgegangen, mitunter hatte die Gerechtigkeit sogar einen guten Tag. Nein, ein cooler Job sei Streifenpolizist schon, findet Engel. Vieles habe sich sogar zum Positiven verändert, die Wertschätzung in der Bevölkerung etwa. Die Erwartungen an die Gesetzeshüter seien mittlerweile eher zu hoch, angesichts enger rechtlicher Vorgaben. "Die Polizei macht nix? Wir können nicht." Trotz Frustration hat Florian seinen Eltern keine Schande bereitet. Das Protokoll eines Polizistenlebens gibt es im Schweinfurter oder Online-Buchhandel, als Hardcover.