
Aus Weihrauch und Rosenwasser, aus Wüste, einem reichen Mann, Räubern, einer paradiesischen Stadt, Basaren, Oasen, einem feindlich gesinnten König, aus Blutrache, einem unterirdischen Palast, dazu einem wunderschönen Mädchen: Auf der Bühne der Rathausdiele in Schweinfurt erschuf sich der Orient, wie man ihn sich aus märchenhafter Sicht vorstellt und wie er sich zum Beispiel in den Geschichten aus "Tausendundeine Nacht" darstellt. Zu einem Erzählkonzert "Friedrich Rückert und 1001 Nacht" mit Claudia Ott und dem Ibtahidsch Ensemble strömten denn auch so viele Besucher und Besucherinnen, dass die vorgesehenen Sitzplätze kaum ausreichten.
Viele Sinne wurden an diesem Abend angesprochen, Neugier und Interesse in mehrfacher Hinsicht befriedigt. Zum einen war mit Claudia Ott eine renommierte Arabistin und Übersetzerin anwesend, die unter anderem eine Neuübersetzung der Märchen aus der arabischen Welt vorgelegt hat. Sie widmete sich zunächst in einem Kurzvortrag der spannenden Quellenlage, aus der sich zahlreiche Handschriften bedienen, die 2000 Jahre altes literarisches Kulturgut aus dem Orient, dem Iran oder Indien aufgreifen. Auch Friedrich Rückert kam übrigens mit einer Übersetzung in Berührung, die er allerdings sowohl in inhaltlicher als auch sprachlicher Hinsicht heftig kritisierte und deren Hintergrund sich als gefälscht herausstellte.
Von Dschinnen, Zauberern und Kalifen berichten Erzählungen, Gedichte und Reimprosa, greifen griechische Mythen oder altägyptische Motive auf, wandern durch Sprachen und Kulturen. Claudia Ott hatte für ihre anschließende Lesung "Die Geschichte des 2. Bettelmönchs" dabei. Scheherazade, die Tochter des Wesirs, erzählt sie nächtelang dem König, der die von ihm erwählten jungen Damen normalerweise nach genossener Nacht umbringt. Doch Scheherazade bricht in der Rahmenhandlung gegen Morgen immer an der spannendsten Stelle ab, um in der nächsten Nacht weiterzuerzählen – eine frühe Form des Cliffhangers.

Ott nahm das Publikum mit in diese orientalischen Nächte, trug so fesselnd, anschaulich und plastisch vor, dass man in der fasziniert lauschenden Gemeinschaft immer wieder aufs Neue der nächsten Erzählnacht entgegenfieberte. Das exzellente Ibtahidsch Ensemble, bestehend aus Hadi Andywi (Trommeln und Perkussionsinstrumente), Leen Shaban (Violine, Gesang), Karam Kasem (Oud), Arif Magyd (Saz) und Claudia Ott an der Flöte "Ney", vertiefte die Atmosphäre nicht nur durch kleine musikalische Einsprengsel zwischen Worten und Szenen. Einige Liebeslieder, überwiegend traditionelle arabische Melodien des frühen 20. Jahrhunderts, gaben eindrucksvoll Zeugnis von einer rhythmisch-orientalischen Musik, die für westliche Ohren oft etwas melancholisch klingt, sich aber immer wieder suggestiv steigern und mitreißen kann.
Nach der Pause, in der ein Team des Interkulturellen Begegnungszentrums für Frauen (IBF) für die passende orientalische und üppige Bewirtung sorgte, folgte man Claudia Ott auch noch zum literarischen Festmahl beim König, auf das ein in einen Affen verzauberter Königssohn eine krachend opulente Hymne verfasste und so Bildung demonstrierte. Köstlich, fortspinnungsreich, mitunter bizarr und absurd in den Wendungen, voll schwebender Granatäpfel und Weihrauch, der in Nebel aufgeht, sind diese "Geschichten aus 1001 Nacht". Das Publikum ließ sich mitreißen und einspinnen; dem starken Schlussapplaus nach schnell verflogenen zweieinhalb Stunden folgte noch eine musikalische Zugabe.