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SCHWEINFURT
Weihnachtsmarkt: Mobile Toiletten nur für Gehtüchtige
Erstmals steht am Weihnachtsmarkt ein mobiler Toilettencontainer (weiß, Bildmitte) – aber ohne Behindertentoilette. Dagegen beschwerten sich bereits Rollstuhlfahrerinnen. Der Behindertenbeirat der Stadt bat  um „eine schnellstmögliche Nachbesserung“ – bisher vergebens.
Foto: Stefan Sauer | Erstmals steht am Weihnachtsmarkt ein mobiler Toilettencontainer (weiß, Bildmitte) – aber ohne Behindertentoilette. Dagegen beschwerten sich bereits Rollstuhlfahrerinnen.
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:08 Uhr
Claudia Meyerhöfer, wohnhaft am Bergl, würde auch gerne mal den Weihnachtsmarkt besuchen, in weihnachtlicher Atmosphäre einen Glühwein trinken. Sie verzichtet lieber darauf, aus einem ganz einfachen Grund: Wenn sie zur Toilette muss, hat sie schlechte Karten. Bis sie eine erreicht, könnte es schon zu spät sein. Sie ist Rollstuhlfahrerin, und die nächsten Behindertenklos sind relativ weit entfernt oder – wie die im Rathaus – nur kompliziert erreichbar und außerdem zu klein.

Welche Logik steht dahinter?

Dabei steht heuer erstmals ein mobiler Toilettencontainer auf dem Weihnachtsmarkt, am nördlichen Ende, vier Meter hinter der Bude, die „Flammkuchen aus dem Holzbackofen“ verkauft. Die Klos sind aber nur für Gehtüchtige zugänglich, nicht für Rollstuhlfahrer. Brigitte Müller, auf den Rollstuhl angewiesen, bedauerte dies in einer ans Ordnungsamt gerichteten Mail vom 27. November sehr. Das sei beim Weinfest im Sommer schon so gewesen, jetzt wieder. Sie möchte wissen, welche Logik dahinter steht.

Erst mal sehen, wie das Containerklo für Nichtbehinderte angenommen wird

Die Antwort: Ob der erstmals aufgestellte Toilettencontainer angenommen werde, müsse erst abgewartet werden. Ein konkreter Toilettenbedarf von Rollstuhlfahrern beim Weihnachtsmarkt sei bisher nicht aufgelaufen. Deshalb sei erst einmal ein „normaler“ mobiler Klocontainer installiert worden. Sollte der gut frequentiert werden und „sich ein konkreter Bedarf auch für eine zusätzliche mobile Behindertentoilette ergeben, müsste man für nächstes Jahr gegebenenfalls über eine Nachbesserung nachdenken“.

Behindertenbeirat: Eine klare Diskriminierung

Das will der Behindertenbeirat der Stadt Schweinfurt so nicht hinnehmen. In einem Schreiben an die Rathausspitze moniert Norbert Sandmann: „Wenn es sich hier auch um keine böse Absicht handelt, so entspricht die Vorgehensweise einer klaren Benachteiligung und somit einer Diskriminierung.“ Bei der Planung seien die Belange von Menschen mit Behinderung außer Acht gelassen und diese Benachteiligung vom Amt für öffentliche Ordnung auch noch schriftlich bestätigt worden. Und weiter: „Ich empfehle daher eine schnellstmögliche Nachbesserung durch Bereitstellung eines behindertengerechten Toilettencontainers.“

Für Nichtbehinderte gibt's auch Toiletten in der Metzgergasse

Ausgerechnet für Gehtüchtige ist nun also ein mobiles Klo direkt vor Ort – wobei die nächste öffentliche stationäre Bedürfnisanstalt in der Metzgergasse nicht weit entfernt wäre. Aber für Rollstuhlfahrer verweist das Ordnungsamt auf „die Situation wie in den Vorjahren auch“.

Die stellt sich auf Anfrage laut Mitteilung der Stadt so dar, dass sie die nächstgelegenen Behindertentoiletten auflistet: Roßmarkt, Zentrum am Schrottrum, im Rathaus (1. Stock), Rückertstraße, Mehrgenerationenhaus, Offene Behindertenarbeit, Stadtbücherei Ebracher Hof. Bei all diesen Toiletten seien aber unterschiedliche Öffnungszeiten zu beachten.

Schriftliche Kritik kommt auch vom Seniorenbeirat

Etliche sind schon zu, wenn der Weihnachtsmarkt noch läuft. Für Manfred Neder, Vorsitzender des Behindertenbeirates, ist die Antwort des Ordnungsamtes auf die Beschwerde der Brigitte Müller „nicht hinnehmbar“.

Auch der Vorsitzende des Seniorenbeirats, Norbert Holzheid, kritisiert dies. Am 30. November schrieb er an die Stadt: „Älteren Menschen, die auf einen Rollator oder Rollstuhl angewiesen sind, ist es nicht möglich, ohne lange Wege auf sich nehmen zu müssen, eine Toilette aufzusuchen.“ Die Toilette im Rathaus sei aufgrund der Öffnungszeiten auch keine Alternative.

„Wir halten diesen Zustand für nicht akzeptabel“

Holzheid bittet um „dringende Abhilfe, da es sich eindeutig um eine Diskriminierung von Menschen mit körperlichen Einschränkungen und Behinderungen handelt“. Um eine geeignete Toilette zu erreichen, müssten diese Menschen zum Roßmarkt oder dem Ende der Rückertstraße gehen: „Wir halten diesen Zustand für nicht akzeptabel.“

Wie wird das in Würzburg während des Weihnachtsmarktes gehandhabt? Die Pressestelle der Domstadt verweist auf eine stationäre Behindertentoilette unweit des unteren Marktes, gleich in der Nähe der mobilen Toilettenanlage.

Behindertegerechte mobile Toilöetten sind „verhältnismäßig teuer“

Die Stadt Schweinfurt will heuer jedenfalls für behinderte Menschen keine mobile Toilette am Weihnachtsmarkt aufstellen. Sie verweist auf die Kosten und in die Zukunft: „Theoretisch ist es natürlich auch möglich, für Veranstaltungen wie den Weihnachtsmarkt oder auch das Stadtfest mobile behindertengerechte Toiletten anzumieten. Dies ist aber verhältnismäßig teuer, daher ist das Ziel der Stadt Schweinfurt, mehr dauerhafte behindertengerechte Toiletten zu schaffen. Zum Beispiel wird dies auch beim geplanten Neubau des Kassengebäudes berücksichtigt.“

 
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Kommentare
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  • ahaub@web.de
    Zu den artikel man überlegt langfristig mehr behinderten Toiletten zu bauen ist ein Witz wie lange wird so was brauchen ist meiner Meinung nur vertröstung und die Leute still zu halten
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  • krug.klaus@t-online.de
    Jetzt sollte jemand in der Stadtverwaltung zum Telefonhörer greifen, bei einem der vielen Toilettenverleiher anrufen, der dann am Montag so eine mobile Behinderten-Toillete aufstellt. Das wäre Dienst am Bürger. An den paar Euro mehr an Mietkosten sollte das in einem "Attraktiven Schweinfurt" doch nicht scheitern. Von völliger Ignoranz zeugt die Aussage, dass sich erst ein konkreter Bedarf für eine Behindertentoilette zeigen müsste. Es steht wohl außer Frage, dass es eine Reihe Schweinfurter Bürger gibt, die auf so eine Einrichtung angewiesen sind. Ist das nicht "konkreter Bedarf" genug?
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