Poetry Slam - was ist das eigentlich? Zur Beantwortung dieser Frage lud "Das Karussell e.V.” am Freitag zum ersten Weihnachts-Slam nach Gerolzhofen ins Theaterhaus ein. Vor ausverkauftem Haus, 50 begeisterte Zuhörer fanden in dem kleinen Saal Platz, trugen sechs Slammer ihre selbstgeschriebenen Texte vor.
"Poetry Slam - da steckt das ‘slammen', das Kriegführen drin”, begann Christoph Auer, der die Veranstaltung mit seiner Frau Carolin moderierte, seine Erklärung des Begriffs. In der Tat hat Poetry Slam manchmal fast schon kriegerische Züge, ein Krieg der Worte sozusagen. Prägend für diese aus Amerika stammende Kunstform waren in den Anfängen die teils wortgewaltigen Verbalschlachten der Hip-Hop Szene, bei denen zwei Kontrahenten mittels ihrer Texte um die Gunst des Publikums rangen.
Das Publikum entscheidet
Anders als bei ähnlichen Veranstaltung, wie beispielsweise einer Offenen Bühne, hat der Poetry Slam einen Wettbewerbscharakter. Es bestimmt nicht etwa eine Jury das Weiterkommen der Teilnehmer, sonder der errungene Applaus des Publikums gibt an, wer in der nächsten Runde erneut die Bühne betreten darf. Die Reihenfolge der Teilnehmer wird der Fairness halber ausgelost.
Auf der Bühne wird zuerst ein Text zum Besten gegeben, der aus der Feder des Slammers stammen muss. Eine weitere Eigenheit des Poetry Slams ist der gänzliche Verzicht auf Requisiten und Kostüme. Der Künstler soll so alltagsnah wie möglich aussehen und lediglich durch seine Poesie (Poetry) und Sprachgewandtheit überzeugen.
Beim ersten Gerolzhöfer Weihnachts-Slamen maßen sich Amelie Auer, Johannes Stößel, Michael Malcherek, Arne Oberhof, Mark Deutel und Yannik Ambrusits, der amtierende fränkische U20-Meister. Sie alle rangen um das Recht, die Trophäe des Abends - den goldenen Hirsch "Herr Röhrich” - mit nach Hause nehmen zu dürfen.
Finden der Selbstliebe
Das Publikum erlebte eine facettenreiche Textsammlung, in der Amelie Auer mit ihrem Werk über das Finden der Selbstliebe in einer Welt, in der es immer nur "nicht gut genug” heißt, den Anfang machte. Sie baute ihren Text auf das Lied "Schön genug” von Lina Maly auf und nahm ihre Zuhörer mit auf eine Reise, an deren Ende ein jeder sagen könne "Ja ich bin schön genug - Wir sind schön genug”.
Auf sie folgte Johannes Stößel, der seinen Text unter das provokante Motto "Wenn Wahlen etwas ändern, dann wären sie längst verboten” stellte. Er kritisierte das System, das nach dem immer gleichen Prinzip von "Brot und Spiele” funktioniere und forderte das Publikum auf, endlich aufzuwachen und die Welt mit offenen Augen, frei jeglicher Fremdkontrolle zu sehen.
"Lachen ist Energie"
Den Abschluss des ersten Trios bildete Michael Deutel, der aus seiner eigenen Lebensgeschichte vorlas. Seine Erzählung handelte von seinem Aufenthalt in einem Kindergarten, den er während seines Freiwilligen sozialen Jahrs (FSJ) besuchte. Er berichtete vom alltäglichen Wahnsinn, aber auch welche Motivation das Lachen eines Kindes haben könne und wie trist und grau ihm sein Alltag nach Ende seines FSJ vorkam. "Lachen ist Energie, die bleibt. Und die will ich nutzen”, war seine abschließende Botschaft an das Publikum.
Nach einem kurzen Zwischenspiel, in dem sich das Publikum noch einmal Gedanken darüber machen konnte, welcher der drei Poeten den meisten Applaus verdient habe, kam es zur Abstimmung: Amelie Auer durfte sich gleich bei ihrem ersten Poetry Slam über ihre Finalteilnahme freuen.
In der zweiten Runde ging es nun darum, den Kontrahenten von Auer zu ermitteln, der ebenfalls in das finale Rennen um "‘Herrn Röhrich” gehen würde. Den Anfang machte Arne Oberhof mit einem drastischen Themenwechsel. Er nahm das Publikum mit zu einem Verkehrsunfall auf der Autobahn A3, bei dem sieben Menschen ihr Leben verloren. Schuld an alldem war die Benutzung eines Handys während der Fahrt. "Jetzt hast du deine SMS-Flat mit sieben Leben bezahlt”, war einer der markanten Sätze aus dem Werk des jungen Poeten. Ebenfalls griff er Themen wie die mangelnde Rettungsgasse und gaffende Verkehrsteilnehmer auf und hinterließ bei so manchem Zuschauer ein mulmiges Gefühl, als er gegen Ende seines Vortrags von einem blutigen Teddybär auf der Rückbank berichtete.
In der Fantasiewelt
In eine völlig andere Welt entführte Mark Deutel das Publikum. Sein Text spielte in der Fantasiewelt eines PnPs (Pen and Paper) und erzählte die Geschichte einer Spielerschar, die sich so mancher Herausforderung stellen musste und diese meist mehr schlecht als recht lösten.
Abschließend trat Yannik Ambrusits auf - und wurde seiner Favoritenrolle gerecht. Mit seinem Text unter dem Motto "Reisen” zeigte er dem Publikum, welche Wortkreationen man nur mit einem Wortstamm schaffen kann. Durch pointierte Betonung und eine humorvolle Ausgestaltung seines Textes erwarb er sich die Begeisterung des Publikums und zog so ins Finale ein.
Im entscheidenden Durchgang begann Amelie mit einem Text über ein Lama beim Friseur und brachte so die Zuhörer durch Sätze wie "Ich Alpaca meine Sachen, denn ich muss schon bald in den Anden landen” zum Lachen. Yannik stellte sein Können erneut unter Beweis, indem er mit seinem Text über Entscheidungen, der den passenden Titel trug "Ich kann mich nicht entscheiden, wie dieser Text heißen soll”, die Zuschauer erneut fesselte und letzten Endes auf seine Seite zog.
Wanderpokal "Herr Röhrich"
Nach einem facettenreichen Abend, dessen Gestaltung unterschiedlicher kaum hätte sein können, durfte Yannik Ambrusits den goldenen "Herrn Röhrich” in den Himmel recken und den Sieg beim ersten großen Poetry Slam in Gerolzhofen feiern. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass es sich bei dem Pokal um einen Wanderpokal handelt, der im kommenden Jahr seinen Weg erneut zurück nach Gerolzhofen finden wird, um dann erneut an den besten Wortakrobaten verliehen zu werden.
Für das Publikum blieb nach den etlichen Denkanstößen der jungen Poeten auch die Vorfreude auf das Wiederkehren eines Poetry Slams im Sommer, für den die Planungen bereits laufen.