
Es war ihr Herzenswunsch, Weihnachten zuhause zu sein. Und das Palliativ-Team vom St. Josef-Krankenhaus hat ihn Frau K. ermöglicht. Die 63-Jährige (sie möchte ihren Namen nicht nennen) kann Weihnachten mit SAPV Palliativo, einer spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, zuhause verbringen.
Für manch andere Patienten ist das leider nicht möglich. Und das ist besonders schlimm. Denn wegen der Corona-Pandemie dürfen auch die Angehörigen nicht kommen. Es herrscht Besuchsverbot im Krankenhaus, auch an Weihnachten. Ausnahmen gibt es nur auf der Palliativ-, Kinder-, Geburts- und Intensivstation. Hier dürfen Patienten "eingeschränkt" Besuch empfangen. Das heißt: Je nach der individuellen Situation entscheidet das medizinische Personal, ob, wann und wie lange ein Angehöriger kommen kann.

Frau K. liegt seit einer Woche auf der Palliativstation. Sie hat ein fortschreitendes Tumorleiden. Als man ihr den stationären Aufenthalt hier empfahl, brach für sie erst einmal eine Welt zusammen. "Ich dachte, das ist jetzt das Ende." Und jetzt? "Ich habe mich noch nie so gut aufgehoben gefühlt wie hier", ist die 63-Jährige dankbar für den "respektvollen und liebevollen" Umgang. "Ich fühle mich ummantelt."
Palliativmedizin beschränkt sich nicht auf die letzte Lebensphase
Ihre Beschreibung trifft genau den Sinn. Der Begriff Palliativmedizin stammt von dem lateinischen Wort "palliare", zu Deutsch "mit einem Mantel umhüllen". Ziel ist es, Beschwerden zu lindern und eine höchstmögliche Lebensqualität für die Patienten zu erreichen. "Palliativmedizin beschränkt sich nicht auf die letzte Lebensphase", stellt Chefärztin Dr. Susanne Röder klar. Es gehe vielmehr darum, einem schwerkranken Menschen zu mehr Lebensqualität mit möglichst wenig Schmerzen und Ängsten zu verhelfen. Die Hälfte ihrer Patienten kann nach der stationären Therapie wieder nach Hause. So wie jener Mann, der vor zwei Jahren zur Schmerzeinstellung hier war und der Ärztin eine Weihnachtskarte geschickt hat. "Das berührt mich schon sehr."

Im Nachbarzimmer liegt ebenfalls eine 63-jährige, schwerkranke Frau. "Es ist traurig, wenn man an Weihnachten ins Krankenhaus muss", sagt sie. "Aber da, wo ich gerade bin, wird alles gemacht, dass man sich wohlfühlt." Im Aufenthaltsraum steht ein geschmückter Christbaum. Auf der Fensterbank in jedem Patientenzimmer leuchtet ein Friedenslicht als Zeichen der Hoffnung. Alle Patienten haben Stern- und Engelgeschenke von externen Spendern erhalten. Zum vierten Advent gab es sogar ein Konzert in der Krankenhauskapelle, das in die Patientenzimmer übertragen wurde. Es soll wenigstens etwas Weihnachtsstimmung aufkommen. Und etwas Normalität unter den besonderen Bedingungen.
Gerade für Angehörige von Patienten auf der Palliativstation sind die strengen Corona-Besuchsregeln mitunter schwer zu verkraften. "Wir würden natürlich am liebsten alle reinlassen", sagt die Chefärztin, für die jede Entscheidung ein Spagat zwischen Menschlichkeit und Verantwortungsbewusstsein ist. Deshalb gibt es auch keine festen Besuchsregeln, sondern es wird immer individuell entschieden. "Wir müssen alle mit Herz und Verstand ran, auch die Angehörigen."

Stationswechsel: Die 2.1 für innere Medizin und Onkologie ist drei Tage vor Heiligabend mit 30 Patienten voll belegt. Schwester Monika hätte eigentlich frei, aber es herrscht Pflegenotstand auf dieser Station. Ein Großteil des Personals hat sich mit dem Covid-19-Virus infiziert und befindet sich in Quarantäne. "Wir arbeiten hier am absoluten Limit." Wenn noch mehr Pflegekräfte ausfallen, muss die 51-Jährige auch an den Feiertagen ran. Weihnachtsstimmung kommt unter diesen Umständen kaum auf. "Früher war das ganz anders, viel familiärer." Seit 30 Jahren arbeitet Monika Pfister im St.-Josef-Krankenhaus. Sie erinnert sich an Zeiten, als ihre Kinder bei der Stationsweihnachtsfeier Flöte und Gitarre spielten und Lebkuchen an die Patienten verteilten. Schon aus Corona-Gründen ist das nicht mehr möglich.

Auf Station 2.1 herrscht absolutes Besuchsverbot. Eine 64-jährige Patientin aus dem Raum Münnerstadt konnte ihre Angehörigen nur am Gartenzaun treffen. Sie ist froh, dass sie die Weihnachtsfeiertage zuhause sein kann. Denn ohne die Familie will bei ihr keine Freude aufkommen.
Auch ihre 78-jährige Zimmernachbarin darf rechtzeitig zum Fest nach Hause. "Gottseidank", sagt sie und denkt an Weihnachten 2019, das sie aufgrund ihrer Krebserkrankung im Krankenhaus verbringen musste. Damals durfte sie Besuch empfangen, in Corona-Zeiten ist das nicht möglich. "Das ist schon sehr bedauerlich. Es wäre so schön, wenn jemand kommen könnte."

Für die 22-jährige Krankenpflegerin Anna Bauer ist es das erste Weihnachten auf Station. Und das gleich unter Corona-Bedingungen. "Für die Patienten ist das schon schwierig", verweist sie auf das Besuchsverbot und die fehlende Zeit des Pflegepersonals für das Zwischenmenschliche. Als besonders belastend empfindet sie persönlich das Arbeiten unter der Schutzmaske. Nach jeder Schicht hat sie Kopf- und Ohrenschmerzen, ringt nach Luft.
In der Notaufnahme geht es an Weihnachten stressig zu
Stressig geht es auch in der Notaufnahme zu. Lukas Kinateder gibt telefonisch Auskunft zwischen Tür und Angel. "An Weihnachten kommen immer nur schwere Notfälle." Oder Menschen, die niemanden haben. Menschen am Rande der Gesellschaft, die sich im Notfall nicht alleine versorgen können. "In unserer Gesellschaft gibt es viele Versorgungsdefizite", bedauert der Arzt.
Zurück auf der Palliativstation: Stationsleiter Ralf Holzinger hat an diesem Heiligabend Nachtschicht, wie schon so oft. Angesichts Corona ist es für ihn aber ein "besonderes" Weihnachtsfest. Gerade auf der Palliativstation wisse man nie, was alles passieren könne. Vor Jahren starb in seiner Spätschicht an Heiligabend eine junge Mutter. "Das raubte mir den Atem." Was wird an diesem Heiligabend geschehen? Ralf Holzinger weiß es nicht. Er wird auf jeden Fall "da sein". Für Patienten, die nicht nach Hause können. Oder für Patientinnen wie Frau K., die nach Weihnachten den schützenden Mantel der Palliativstation wieder brauchen. Ihre Familie trägt es tapfer: "Dann weinen wir einfach über die Straße."
