Schon in ihrem ersten Jahr in Deutschland haben sie Nikolaus gefeiert wie die Deutschen. „And it worked“ – es hat funktioniert, sagt Chad Sekutera, Lieutenant Colonel bei der US Army in Schweinfurt. Seit vier Jahren lebt Sekutera mit seiner Familie in Deutschland, zweimal noch werden sie alle hier gemeinsam Weihnachten feiern, dann, nach Schließung des Standorts, geht es zurück in die Staaten. Anders als viele ihrer Landsleute hatten sie nie das Bedürfnis, über die Feiertage zurückzufliegen. Maria, Chads Frau, war in den vier Jahren – zwei in Heidelberg, zwei in Schweinfurt – überhaupt nur einmal in den USA.
Natürlich wird an den Feiertagen mit der Verwandtschaft in mehreren US-Bundesstaaten geskypt, aber Weihnachten hängt für die Sekuteras nicht mit einem Ort zusammen. „Die Familie, das sind wir hier“, sagt Chad Sekutera, und schließt mit einer Handbewegung Maria und die vier Kinder ein, die Zwillinge Lucas und Ben (14), Abby (12) und Josh (10). „Wichtig ist, dass wir zusammen sind.“
Chad stammt aus Nebraska und liebt deshalb eher die kleinen Städte. Maria stammt aus New York City und liebt deshalb erst recht die kleinen Städte. Und deshalb fühlt sich die Familie in Schweinfurt so wohl. „Der Lebensrhythmus ist einfach ruhiger“, sagt Chad. In den USA ist alles rund um die Uhr geöffnet, permanent ist irgendwo Betrieb. Dass hier die Läden am Sonntag geschlossen sind, empfindet Chad Sekutera als Segen: „Man hat mehr Zeit für die Familie.“
Alles andere als Stubenhocker
Dabei sind die Sekuteras alles andere als Stubenhocker. Anders als viele ihrer Landsleute bei der Army begeben sie sich grundsätzlich möglichst oft hinaus aus der abgeschirmten Army-Umgebung. Sie kennen etliche Gasthäuser in der Gegend, in denen es „great german food“ gibt: „The Schwein is good“, sagt Maria und meint damit nicht nur das Essen. Sie klappern mit Vorliebe die Weihnachtsmärkte der Region ab – „es gibt so viel zu sehen, das kann man gar nicht alles schaffen“, sagt Chad.
Immer versuchen sie, Anschluss an die Aktivitäten außerhalb der Militärgemeinde zu bekommen. „Viele Ladys haben einfach Angst, rauszugehen“, sagt Maria. „Und sie machen es dir ja auch leicht, es gibt hier alles, man müsste die Kaserne nie verlassen.“ Dabei fand auch sie das erste Jahr in Deutschland richtig hart. Sie hatte alle Freunde in Colorado Springs zurückgelassen, wo die Familie zuletzt wohnte, sprach kein Deutsch, kannte sich nicht aus.
Sie ging es offensiv an und brachte bereits in Heidelberg den Trainer eines deutschen Fußballvereins dazu, die beiden großen Jungs vorspielen zu lassen. Der war erst ziemlich skeptisch und beugte sich dann doch Marias Hartnäckigkeit. Heute, in Schweinfurt, spielen Lucas und Ben bei den Freien Turnern, Abby hat es sogar in die U13-Mannschaft des FC05 geschafft.
Und anders als viele Landsleute reisen die Sekuteras permanent in Europa herum. „Sobald er frei hat“, sagt Maria und deutet mit dem Daumen auf Chad, „sind wir unterwegs.“ Chad war schon in Korea und Honduras stationiert – und hier hat er Maria kennengelernt, die damals selbst noch bei der Army war. In Europa war die Familie schon in Griechenland, Italien, Spanien, Polen, Tschechien, Österreich, der Schweiz, in Norwegen und auf Teneriffa. Und die restliche Zeit hier wollen sie nutzen, um noch mehr von Europa zu sehen.
Weihnachten aber ist eine Art Ruhepol im Jahreslauf. „Ben ist ein richtig guter Bäcker“, sagt Maria, „wir gehen in Askren Manor in der Nachbarschaft herum und verteilen seine Plätzchen.“ Zuhause gibt es den italienischen Weihnachtskuchen Panettone (ein absolutes Muss) und heißen Kakao, eine Tradition in Marias Familie, die ursprünglich aus Peru stammt.
Natürlich gibt es auch Geschenke, wobei die Kinder sich nicht einig sind, welche Wunschzettel-Strategie die bessere ist: Viele, viele Wünsche einreichen und hoffen, dass möglichst viele berücksichtigt werden (Abby und Josh), oder nur einen, großen, von dem dann ja wohl erwartet werden kann, dass er erfüllt wird (die Zwillinge). Die Eltern grinsen und halten sich bedeckt. „Ich drohe im Scherz höchstens, dass es nur Socken und Unterwäsche gibt, wenn sie keine guten Noten nach Hause bringen“, sagt Chad.
Radwege-Fans
Und die Krippe? Die Familie besitzt eine. Aber die ist irgendwo in den Staaten eingelagert. Es gibt hier ohnehin so schöne, vielleicht kaufen sich die Sekuteras noch eine. Eine deutsche Krippe für die letzten beiden Weihnachten in Deutschland.
Das Gespräch über Weihnachten diesseits und jenseits des Atlantik wird allmählich zu einem Gespräch über Deutschland aus der Sicht einer amerikanischen Familie. Mit durchaus überraschenden Einblicken. So haben Maria und Chad die Erfahrung gemacht, dass ihnen die Menschen in Franken freundlicher, herzlicher und offener begegnen als in Heidelberg. Aber dass man in Franken eher zum Ziel kommt, wenn man ein bisschen „pushy“ ist, also hartnäckig mit Tendenz zur Aufdringlichkeit, ist möglicherweise eine Erfahrung, die andere auch schon gemacht haben.
Tatsächlich scheint sich die Vorfreude auf die Rückkehr in die Staaten in Grenzen zu halten. „Wir fühlen uns hier zu Hause“, sagt Chad. Die Zwillinge werden Schnitzel und Bratwürste vermissen. Und den Fußball natürlich. Abby die sauberen und intakten Straßen. Maria die Radwege („das ist hier ja eine richtig tolle Sache“) und das Zugfahren. „Gib ihr ein Bayernticket, und sie ist weg“, sagt Chad.