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Wegmarken statt Diskurse
Kunsthalle: Die Dauerpräsentation mit neuer Konzeption, neuem Titel, neuen Werken
Katharina Winterhalter
Katharina Winterhalter
 |  aktualisiert: 28.05.2014 17:11 Uhr

Es ist der perfekte Zeitpunkt für eine Neuhängung der Dauerpräsentation in der Kunsthalle. Wegen der Landesausstellung und der Sammlung Gunter Sachs war das Erdgeschoss ohnehin ausgeräumt, die Kunstwerke lagen fast eineinhalb Jahre im Depot. Außerdem sind seit der Eröffnung des Hauses fünf Jahre vergangen und in dieser Zeit kamen viele neue Werke in die Sammlung der Museen und Galerien – darunter etliche Schenkungen und vier großartige Leihgaben aus der Sammlung der Bundesrepublik Deutschland. Statt auf Diskurse, so der bisherige Titel, setzen die Kuratoren Erich Schneider und Andrea Brandl nun „Wegmarken“ in der deutschen Kunst nach 1945.

Kenner der Sammlung wissen es: der Schwerpunkt lag lange Zeit auf der regionalen Kunstszene – der erste Katalog von 1994 hieß noch „zeitgenössische Kunst in Franken“. Dann kam die Erweiterung auf den süddeutschen Raum. Spätestens seit dem Umzug in die Kunsthalle geht der Blick der Kuratoren noch ein gutes Stück weiter. Zum einen gen Osten, auf Künstler der ehemaligen DDR wie Michael Morgner und Hartwig Ebersbach, die gegen die politischen Bedingungen aufbegehrt hatten, zum zweiten auf große Namen des westdeutschen Informel, wie Karl Otto Goetz, Otto Greis und Heinz Kreutz. Die hatten 1952 (mit Bernhard Schultze) die Künstlergruppe Quadriga gegründet, eine der ersten avantgardistischen Gruppen im Nachkriegsdeutschland.

Was kann, was sollte eine Sammlung dieser Größenordnung leisten? Dieser Frage muss sich ein Haus wie die Kunsthalle immer wieder stellen – und sie tut es. Einerseits mit dieser Neuhängung, aber auch mit den Wechselausstellungen und der Triennale für zeitgenössische Kunst, die 2015 in ihre dritte Runde geht. Dabei ist einerseits der Blick in die jüngere Vergangenheit der Kunstgeschichte wichtig, um das Heute zu verstehen. Gleichzeitig dürfen die aktuellen regionalen Künstler nicht übersehen werden, die über Franken hinaus Bedeutung haben und auch die nationalen Strömungen müssen die Kuratoren im Auge behalten. Kein geringer Anspruch.

Chronologische Hängung

Auch ohne den internationalen Klang, der die Menschenmassen bei der Sammlung Sachs ins Haus gelockt hat, ist diese neue Dauerpräsentation also ebenso einen Besuch wert. Wer sich nicht für geschichtliche oder kunstgeschichtliche Zusammenhänge interessiert, wird viele gegenständliche, farbenfrohe Bilder und figurative Skulpturen sehen. Die schöne Frauenfigur „Maja“ von Gustav Seitz, der fast lebensgroße Frauentorso „Heidi“ von Wilhelm Uhlig oder das irritierend traurig-erotische Gemälde „Das Federspiel“ von Fritz Burkhardt sind nur einige Beispiele.

Wer sich mehr Zeit nimmt, entdeckt in der chronologischen Hängung spannende Hinweise auf gesellschaftliche Ereignisse und Entwicklungen von 1945 bis heute. So ist nun in der Kunsthalle nachvollziehbar, dass der Zweite Weltkrieg zwar dramatische Auswirkungen auch auf die Kunst hatte, dass das Jahr 1945 aber kein absoluter Nullpunkt war, nach dem alles ganz anders weiterging als vor der Katastrophe. Die Abstraktion, die Suche nach einer neuen Malerei, hatte sich schon viel früher nicht nur angedeutet, sondern wurde auch praktiziert.

Die neue Hängung knüpft deutlicher als bisher an die Sammlung Joseph Hierling an, die im Untergeschoss Maler „zwischen den Weltkriegen“ zeigt. Ein Verbindungsglied ist Albert Birkles kleines, aber sehr präsentes Gemälde „Überlingen“ von 1930. Birkle war mit Wilhelm Kohlhoff befreundet, den es nach dem Krieg nach Schweinfurt verschlagen hatte. Sein weiblicher Akt hängt neben Birkles Stadtansicht. Die neue Hängung macht viele solcher oder ähnlicher Beziehungen deutlich.

Schwerpunkt im Westflügel ist das deutsche Informel, das ja auch Schwerpunkt der Sammlung ist. Die Kuratoren zeigen zwei Wege: der eine führt in die Abstraktion, der andere in die Figuration. Als „Väter der Abstraktion“ gelten Max Ackermann, Fritz Winter und Willi Baumeister, denen nun mit dem Schweinfurter Isi Huber ein Maler gegenübersteht, der nahe am Gegenstand geblieben ist und dessen frühes Werk „Amsterdam“ durchaus in dieser illustren Gesellschaft bestehen kann.

Wunderbare Leihgaben

Nicht alle Künstler können hier genannt werden. Besucher können sich auf alte Bekannte freuen wie Rupprecht Geigers großen, neonrosa Kreis. Und auf vieles neue, wie die wunderbar reduzierte Gouache von Emil Schumacher oder das großartige frühe Gemälde von Karl Otto Götz, der mit einem großen Rakel rasend schnell Farbe auf der Leinwand verteilt hat. Furios auch die dritte Leihgabe der Bundesrepublik: ein riesiges wildes Gemälde von Heimrad Prem. Damit ist die Künstlergruppe SPUR nun komplett vertreten. Ihr galt schon lange die Aufmerksamkeit der Kuratoren, gehörte sie doch zu den wichtigen Gruppen im süddeutschen Raum, die mit aggressiven und ironischen Bildern gegen die Adenauer-Ära opponierten.

Auch im Nordflur gibt es viele Bezüge und Dialoge. Den ehemaligen DDR-Künstlern Ebersbach und Morgner ist der verzweifelte Mensch „An der Mauer“ von G. Hubert Neidhart von 1964 gegenüber gestellt. Für den Schweinfurter Künstler verkörperte „die Mauer“ das Lebensgefühl im Deutschland der Nachkriegszeit. Ganz zeitlos in seiner Verzweiflung scheint der kauernde Mensch, eine rohe Holzskulptur von Andreas Kuhnlein von 2004. Und Jürgen Brodwolf gibt in seinem Geschichtsspeicher Schweinfurt dem Leid der Menschen dieser Stadt ein Gesicht, die bei den Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg getötet oder verletzt wurden.

Ein früher, ungewohnt farbiger Altschäffel korrespondiert mit einem knalligen Triptychon von Franz Hitzler, die wuchtige „Doline“ von Ingrid Hartlieb – ein überdimensioniertes Holzgefäß – mit einer eleganten Steinskulptur von Frederic d'Ard. Die neue Wandbeschriftung wiederholt das Beuys'sche Postulat „Alles ist Kunst!“ – also auch der Wohncontainer von Winfried Baumann und das Atelier von Victor Kraus, das bei seiner Ausstellung im Jahr 2012 viele Besucher fasziniert hat und das nun in einem Kabinett aufgebaut ist.

Eine Neuhängung bedeutet auch den Abschied von manch' lieb gewonnenem Werk. Die Wandarbeit aus Haaren „Nach dem Bade“ von Bettina Bätz bleibt verborgen hinter einer Wandscheibe. Der Wandfön von Monika Linhart, der mit seiner wunderbaren Soundcollage an die Vergangenheit des Hauses als Hallenbad erinnert hat, musste im Foyer der neuen Wandbeschriftung weichen – was aber ja nicht für immer sein muss. Bliebe noch die Großplastik „Segmentbogen“ von Thomas Röthel zu nennen – eine Leihgabe des Künstlers – die den Sommer über auf dem Platz vor der Kunsthalle liegen wird.

 
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