Als Manfred Manger am Donnerstagabend leichtfüßig, fast tänzelnd, die Bühne des Schweinfurter Kultursommers betrat, wirkte er, als würde er schweben. Das kurz vorher angezogene bunte Hemd saß akkurat und locker zugleich. Der Macher der "Dichter-Schlachtschüssel" strahlte über das ganze Gesicht, als er mit seiner Moderation die 55. Ausgabe des Schweinfurter Poetry Slam vor gut 300 Zuschauern eröffnen durfte.
In seiner ersten Live-Veranstaltung des Jahres meldete sich der Poetry Slam in besonderem Rahmen, aber mit den gewohnten Zutaten zurück. Die Teilnehmer mussten in der vorgegebenen Zeit von sieben Minuten auf der Bühne jeweils einen selbstgeschriebenen Text vortragen. Verkleidungen waren dabei genauso wie Requisiten untersagt. Die vermeintlichen Schranken erwiesen sich als keine für die sieben Wortakrobaten, die in zwei Vorrundengruppen um die Gunst der vorab ausgewählten Publikums-Jury buhlten.
Das "Opferlamm", den ersten Auftritt der Veranstaltung, gab Manger höchstselbst. Er las einen nachdenklich stimmenden, gesellschaftskritischen Text vor, in dem er sich die Frage stellte "Wohin soll die Reise gehen?". "Botschafter der Dekadenz fällen Vernunft – bäumeweise", prangerte er unter anderem den überbordenden, weltweiten Tourismus an. Ein gerade mal ein Nanometer großes Virus sorgte dafür, dass die Welt wieder kleiner geworden ist. "Viele trauern grenzenlos der Grenzenlosigkeit nach. Manche auch um Menschen. Ich auch um Vernunft."
Gedanklich auf Urlaubsreise ging auch die erste Poetin des Wettbewerbs, die Bonnerin Enora le Corre, die von ihrem fünftägigen Urlaub vor drei Jahren in Madrid, der Stadt die sie verzaubert hat, erzählte. Der Rosenheimer Thomas Eiven trug anschließend mit "Darum" ein unkonventionelles Liebesgedicht vor, in dem der Bühnenpoet humorvoll und spitzfindig all seine Unzulänglichkeiten und Misserfolge bei der Suche nach der Richtigen oder dem Richtigen offenbarte. Den offenherzigen Beitrag belohnte die Jury mit 26 Punkten. Damit sicherte sich Eiven den Sieg in der Vorrundengruppe eins vor le Corre und dem 20-jährigen Poetry-Nachwuchstalent Lucia Leonhardt aus Würzburg, die mit ihrem Text "Das Erwachen" die derzeitige Atmosphäre, "dass die Dinge wieder losgehen", ambivalent einzufangen versuchte.
Im Finale durfte Eivend die Bühne ein zweites Mal betreten. Seine wortgewaltigen Kontrahenten hießen dann Oliver Walter und Yannik Ambrusits, die in der zweiten Vorrundengruppe jeweils die volle Punktzahl der Jury erhielten. Starke Beiträge lieferten dort aber auch die Münchner Theresa Conrady, mit einem Text über Hochsensible, und Bert Uschner, der mit seinen Reimketten das Schweinfurter Publikum wortakrobatisch zum regen Mitmachen bewegte.
Im "Le Grande Finale" entschied das gesamte Publikum mittels Applaus-Pegel über den Gewinner. In seinem Finalstück nahm sich der 20 Jahre alte Yannik Ambrusits aus Würzburg die eigene Zunft der Slammer vor. Seinen stärkeren Beitrag trug er in der Vorrunde vor, in dem er aufzeigte, wie sich die Schere zwischen den Generationen, in Zeiten den Klimawandels, wieder schließen lässt.
In seinem gewagten aber geglückten Versuch in seinem Text "Die Welt wäre eine bessere, wenn ...", spielte Oliver Walter aus dem mittelfränkischen Spalt durch, was denn wäre, wenn Frauen wie Nazis und umgekehrt behandelt werden würden. Mit nicht wenig schwarzen Humor schlug Walter im Schweinfurter Abendhimmel zwei Fliegen mit einer Klappe, in dem er auf kreative Weise die Benachteiligung von Frauen und den laxen Umgang mit Rechtsextremismus offenlegte. Das vorgetragene Gedankenexperiment belohnte das Publikum. Walter durfte den "goldenen Eimer", die Sieger-Trophäe des Poetry Slam, mit nach Mittelfranken nehmen.