Ein seit 2017 existierendes Projekt dürfte den allermeisten Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses des Kreistags ebenso wenig bekannt gewesen sein wie der Begriff Schulabsentismus. Dahinter verbirgt sich weit mehr als das "klassische" Schulschwänzen aus Lustlosigkeit. Denn die Gründe, weswegen Kinder nicht die Schule besuchen, sind vielfältig, wie Daniela Haupt vom Jugendamt erläuterte.
Angst vor dem Gang zur Schule
Oft sei Angst der Auslöser, weswegen Kinder und Jugendliche die Schule meiden. Manche leideten unter sozialen Phobien, weswegen sie die Wohnung gar nicht mehr verlassen. Ein Hilfsansatz sei zum Beispiel, mit dem Betroffenen zunächst einmal den Schulweg abzugehen, um quasi eine räumliche Annäherungen zu erreichen. Aber auch das gibt es: Eltern, die Schule für keinen "guten Ort" für ihre Kinder halten und sie bewusst von dort fernhalten. Die Pandemie hätte Symptome zum Teil verstärkt, weil Kindern im Lockdown oft die Tagesstruktur abhanden gekommen sei oder Eltern Schule nur mit Präsenzunterricht gleichstellten.
Rein pandemieabhängige Auffälligkeiten gebe es allerdings nicht, antwortete Schulamtsleiterin Gabriele Freiberg auf eine entsprechende Frage von Kreisrat Alfred Schmitt (AfD). Bei den Eltern, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken, um ihnen die derzeit obligatorischen Corona-Tests zu ersparen, handle es sich um Einzelfälle. Dies sei auch erlaubt; für die Schüler gilt dann Distanzunterricht.
Zehn Fehltage sind ein Alarmsignal
Als ein Alarmsignal für möglichen Schulabsentismus, das in erster Linie die Klassenlehrer wahrnehmen können, ist laut Haupt der Umstand zu sehen, wenn sich von Schuljahresbeginn bis Dezember etwa zehn vereinzelt aufgetretene Fehltage angesammelt haben. Dann gebe es Handlungsbedarf. Die "Klasse Zukunft", so der Name des Projekts, greife dann ein, wenn die Maßnahmen der Schule oder der Sozialarbeiter keine Wirkung zeigten. Die "Klasse Zukunft" besteht aus Vertretern der ambulanten Kinder- und Jugendpsychiatrie, dem Jugendamt und der Schule für Kranke, die den Unterricht für erkrankte Schüler aufrecht erhält. Voraussetzung für die Hilfe: Die Familien müssen dazu bereit sein.
Dass im Projekt mehrere Disziplinen zusammenarbeiten, hat laut Haupt den Vorteil, das man individuelle Formen von und Gründe für Schulabsentismus früh erkennen und ihm entgegenwirken könne. Denn oberstes Ziel sei es, eine stationäre psychiatrische Behandlung zu vermeiden. Dazu gehört auch, dass die "Klasse Zukunft" garantiert, binnen 14 Tagen einen Notfalltermin bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie einzurichten, bei der die Wartezeiten oftmals um ein Vielfaches länger sind.
Sechs Fälle im Monat
Zur Überraschung der Ausschussmitglieder gibt es über die Fallzahlen keine Statistik. Daniela Haupt, die die "Klasse Zukunft" 2017 eher spontan ins Leben gerufen hat, nennt etwa sechs Fälle pro Monat, mit denen man sich regelmäßig befasse. Die Dauer der Hilfe schwanke zwischen zwei Wochen und drei Monaten. Seit 2019 haben sich auch die Jugendhilfen der Landkreise Rhön-Grabfeld und Haßberge angeschlossen; die Stadt Schweinfurt macht nicht mit.