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Geldersheim
Geschichten und Geheimnisse aus Geldersheim: Heimatforscher Alfred Popp kennt sie alle
Lohn für einen Landsknecht: Alfred Popp am 'Veitriedlein', eine schmale Wiese, die Valentin Veit gehört hat.
Foto: Uwe Eichler | Lohn für einen Landsknecht: Alfred Popp am "Veitriedlein", eine schmale Wiese, die Valentin Veit gehört hat.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 01.07.2023 03:42 Uhr

Es ist heiß, die Luft flirrt in der Junisonne. Als Heimatforscher Alfred Popp ins Auto steigt, erinnert er sich an den Hitzesommer 1947. Auf einen Hungerwinter folgte Dürre, im kriegszerstörten Europa. Vier Jahre war der Landwirtssohn damals jung. Die Wasserleitung der Rhön-Maintal-Gruppe hatte abgestellt werden müssen. Popp sieht noch immer die Dörfler vor sich, die das kostbare Nass mit der Butte getragen haben, das wiederum aus Brunnen geschöpft werden musste. Eine zeitlose Szene.

Im März ist der ehemalige Mitarbeiter des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts 80 Jahre alt geworden. Die Beschäftigung mit der Ortsgeschichte war für den Gästeführer immer mehr als nur ein Hobby. Für die Vermessung und die Struktur von Landschaften hat er berufsbedingt einen Blick. Derzeit beschäftigt er sich mit historischen Flurnamen, wie sie 1834 auf dem Urkatasterplan verewigt worden sind, von akribischen Geometern, im Auftrag königlich-bayerischer Steuereintreiber. 244 Flurnamen hat Popp gesammelt, vom Asbachwald bis zum Neuen Egenhäuser Weg, wo mal eine Bahnverbindung Schweinfurt-Arnstein geplant war.

Jeder Flurname ist ein Stück Ortsgeschichte

Die Geldersheimer sind 1873 auf den Kosten sitzengeblieben: "Jeder Flurname ist ein Stück Ortsgeschichte." Angefangen hat Popps Interesse bei der Feuerwehr, wo er 1969 Kommandant wurde – nur um zu merken, wie wenig Historisches erhalten war. Popp konnte streitbar sein, insbesondere, wenn es um rasch vergessene Ereignisse im "Dritten Reich" ging. Heute sichtet er regelmäßig Originalquellen: "Jeden Tag beschäftige ich mich zwei oder drei Stunden damit."

'Frondienste' waren noch im 20.Jahrhundert des Bauern Los: Das Bild aus der Zeit um 1930 zeigt Arbeitsdienst in der Flur - hier an der unteren Bachbrücke, neben der Brauereischeune.
Foto: Archiv Alfred Popp | "Frondienste" waren noch im 20.Jahrhundert des Bauern Los: Das Bild aus der Zeit um 1930 zeigt Arbeitsdienst in der Flur - hier an der unteren Bachbrücke, neben der Brauereischeune.

Dass sich die fruchtbare Geldersheimer Gemarkung bis zum "Vorberg" erstreckt, weit westlich der A71, ist wohl eine Folge des Ersten Markgräflerkriegs 1459/1460. Markgraf Albrecht von Brandenburg, Kampfname "Achilles", focht unter anderem mit dem Fürstbischof von Würzburg um die Vorherrschaft in Franken. Dabei ging die heutige Wüstung Engersdorf in Flammen auf, das dazugehörige Land und die Überlebenden kamen zum früheren Pfalzort Geldersheim, vermutet Alfred Popp.

Markgraf Albrecht wollte die Vorherrschaft in Franken

Später sei daraus die Legende entstanden, die hungrigen Sömmersdörfer hätten den Wald am Vorberg an die Nachbarn verkauft, im Dreißigjährigen Krieg, "um drei Laib Brot und einen sauren Käse". Viele Felder seien wegen der Entfernung schwer zu bebauen gewesen, berichtet der Ortskundige, manches wurde an Egenhäuser oder Sömmersdorfer Bauern abgegeben.

In den "Behmerwiesen" sollen hussitische Streifscharen durchgezogen sein, ebenfalls im Spätmittelalter. "Am Galgenacker" lud das fürstbischöfliche Centgericht Schwerverbrecher zum Tanz mit Seilers Tochter ein. An der "Eisernen Hut" graste wohl mal die "Eiserne Kuh": Manche Grundstücke waren mit einem Kuhzins belastet, berichtet Popp. Ursprünglich sollte ein Tier als Zubehör versorgt werden, später wurde daraus eine Abgabe. "Eisern Vieh stirbt nie", seufzten die Bauern, die zudem Frondienste leisten mussten, bis in die Neuzeit.

Würzburg und Schweinfurt waren Erzfeinde

Besonders hat dem Ruheständler die Geschichte vom Landsknecht Valentin Veit angetan, der 1589 mit Spieß und Feuerrohr dafür sorgte, dass die gut-katholischen Untertanen des Würzburger Fürstbischofs nicht den Wochenmarkt beim protestantischen Erzfeind Schweinfurt besuchten. Der "Sheriff" von Galderschum erhielt dafür eine langgestreckte Wiese, das "Veitriedlein". Gewohnt hat er an Stelle der heutigen Bischofshöfe 2. "Veit" blieb als Dorfspitzname erhalten, der letzte Namensträger war Nachbewohner Veita Rudl, eigentlich Rudolf Hümmer, der von 1912 bis 1996 gelebt hat.

Historische Quelle: Das Brünnlein am Hermannsaugraben war ursprünglich für die Wasserversorgung von Geldersheim gedacht.
Foto: Uwe Eichler | Historische Quelle: Das Brünnlein am Hermannsaugraben war ursprünglich für die Wasserversorgung von Geldersheim gedacht.

Der Hermannsaubrunnen, der früher der Wasserversorgung dienen sollte, wurde 1997 eingefasst, den Stein am gleichnamigen Graben schmückt ein Humpen. "Hermann der Cherusker", der die Römer besiegt hat, im Teutoburger Wald- und Grabenkampf, scheint früher ein beliebter Namensgeber für Entwässerungsanlagen gewesen zu sein. In der Flur geht es heute ruhig zu. Gerade deswegen ertappt man sich bei der Frage, wie es hier zu Valentin Veits Zeiten ausgesehen haben mag. Es gab wohl mehr Hecken, vermutet Popp, zur Parzellierung der schmalen Felder, aber auch als Windschutz. Gekämpft wurde ständig, etwa mit Oberndorf oder "Oberreinfeld", um sumpfige Weidegründe.

Der Würzburger Bischof beklagte 1139 "Mord, Raub, Verwundung, Brandstiftung". Am Wartweg spähten die Geldersheimer nach Feinden. Richtung Schnackenwerth, beim Riedhof, stand einst die Riedburg, eine runde Turmburg auf dem Steyershügel: benannt nach Amtmann Jorg Ledschacher alias "Steirer", der hier um 1530 Besitz hatte. Bei Befliegungen und großer Trockenheit ist die Stelle dank "Kornkreisen" zu erahnen. Ein Thema für sich sind die zahlreichen, oft versetzen Bildstöcke. In der Nähe ragt die "Meusmarter" auf, die als Dank vor der Errettung vor einer Mäuseplage errichtet worden sein soll. Heute halten dort nur noch Greifvögel Wacht.

 
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