Die gute Nachricht: Die Figuren könnten tatsächlich dem Auenland entsprungen sein. Und die Spieler des Meininger Puppentheaters bemühen sich redlich, J.R.R. Tolkiens „Der kleine Hobbit“ in einer dem sehr jungen Publikum angemessenen Fassung zu präsentieren.
Die gute Absicht von Regisseurin Felicitas J.M. Pischel-Zoppeck und ihrem Team, Tolkiens frühe Erzählung (1937) von der Wanderschaft des Hobbits Bilbo Beutlin „für Kinder ab fünf Jahren und Familien“ (Programm) unterhaltsam als Puppenspiel nahezubringen, die gute Absicht soll hier nicht bestritten werden.
Seit der Wiederbelebung des Tolkienkults in den späten 60er Jahren hat sich herumgesprochen, dass der britische Autor der Gründervater des modernen Fantasyromans ist. Was aber bleibt von dieser ungeheuer dichten Atmosphäre, dem durchkomponierten Geschehen auf Tolkiens Fantasiekontinent Mittelerde in einer Inszenierung wie der des Meininger Puppentheaters übrig? Die schlechte Nachricht: So gut wie nichts. Ein bisschen Dramatik, ein bisschen Witz, charakterstarke Puppen (von Katrin Sellin und Florian Schmigalle), fantasievolle Gewänder und Masken (von Anke Pradel) und eben die schau- und puppenspielerischen Mühen, eine komplexe Geschichte einem sehr jungen Publikum schmackhaft zu machen, welche die Kinder aber im Grunde überfordert.
Mit einem Bühnenbild (von Udo Schneeweiß), das Fantasien inspirieren kann, aber zu abstrakt bleibt für die Vorstellungswelten kleiner Kinder. Das heißt: Die Puppenspieler und die Textbuchautoren vom Figurentheater Wilde und Vogel reduzieren die Geschichte, die vom mythischen Gehalt, von der Buntheit und Trägheit des Lebens im Auenland handelt, vom unterschwelligen Rumoren in den kleinbürgerlichen Hobbit-Seelen und von den näher rückenden Bedrohungen des Idylls.
Übrig bleibt zumeist Äußerliches, mit ein paar moralischen Anspielungen. Der weise Zauberer Gandalf (Jan Krawczyk) und zwei Zwerge (Rodrigo Umseher und Martha Rudolf) überreden den ängstlichen Hobbit Bilbo (Claudia Acker) zu einer gefährlichen Reise.
Die Zwerge wollen ihren von einem Drachen gestohlenen und bewachten Schatz zurückholen. Unterwegs wartet eine ganze Menge Gefahren auf die vier wackeren Gesellen, unter anderem ein Kampf mit den schrecklichen Orks und die entscheidende Begegnung von Bilbo Beutlin mit dem lemurenhaften Wesen Gollum.
Was die Kinder bei der Stange hält, sind die eingestreuten Attraktionen: Überfälle, Kämpfe, Verfolgungen, ja selbst das nächtliche Pupsen der Helden wird zum kurzzeitigen Fänger der Aufmerksamkeit. Wenn Kinder schon mitten im Stück fragen, ob das jetzt das Ende sei und andere sich beschweren, dass es – auf der langen Wanderschaft – „schon wieder Nacht“ wird, dann ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass die Geschichte an der Fantasie der meisten Kinder vorbeiinszeniert wurde.
Bleibt am Ende die Frage, warum die Theatermacher sich unbedingt im Windschatten eines Kultromans und Filmerfolgs positionieren müssen, statt eine handfeste Interpretation von, sagen wir, „Sechse kommen durch die ganze Welt“ auf die Bühne zu stellen. Mit dem Tolkien-Stoff haben sie sich und ihrem jungen Publikum keinen Gefallen getan, selbst wenn sie im zu erwartenden Hype um die Hobbits mitschwimmen sollten. Siggi Seuss
Nächste Vorstellungen: 11./12. und 23./24. Dezember. Karten: Tel. (0 36 93) 451 222, www.das-meininger-theater.de