Mit einem festlichen Gottesdienst zu Palmsonntag ist die katholische Pfarrei Gerolzhofen in die Osterwoche gestartet. Wegen der Corona-Pandemie musste auch in diesem Jahr die sonst übliche ökumenische Palmweihe im Spitalgarten mit anschließender Prozession in die Kirchen ausfallen. Statt einer Predigt wies Pfarrer Stefan Mai diesmal auf interessante Besonderheiten in den Berichten des Lukas-Evangeliums hin, das in diesem Jahr vorgelesen wird, und ordnete diese in den damaligen historischen Kontext ein.
Der Brauch, eine Prozession mit den Zweigen von Palmen - oder mangels Palmen dann eben mit abgeschnittenen Trieben der Sal-Weide samt "Palmkätzchen" - abzuhalten, geht zurück auf das vierte Jahrhundert. Die damalige Idee dahinter, die sich - nach der Hochzeit in der Epoche der Gotik - in Teilen noch bis heute hält: Die biblischen Geschichten sollen nicht nur vorgelesen werden, sondern gleichzeitig lebendig nachgespielt und so erfahrbar gemacht werden. Eine Kirche des Sehens und nicht nur des Hörens.
So spielte man schon ab dem vierten Jahrhundert in Jerusalem die durch die Schriften überlieferten Ereignisse nach: Man zog gemeinsam hinaus nach Betanien und spielte mit Esel und Palmzweigen den Einzug Jesu nach. Am Gründonnerstag gingen die Pilger in der Nacht zum Garten Getsemani und hielten dort bei Kerzenlicht die nächtliche Wache. Diese Tradition, die bald auch im Abendland nachgespielt wurde, hat sich bis heute erhalten: in der Segnung der Palmzweige, in der Palmprozession und in den nächtlichen Anbetungsstunden am Gründonnerstag.
Einem Kaiserempfang nachempfunden
Der Evangelisten Lukas gestaltet den Einzug Jesu nach dem Vorbild eines Kaiserempfangs in seiner Zeit. "Da kam die Bevölkerung dem Kaiser schon weit vor der Stadt entgegen, huldigte ihm durch Hoch-Rufe und legte Zeichen der Ehrerbietung auf den Weg, den der Herrscher mit seinem Hofstaat ging", erklärte Pfarrer Stefan Mai am Sonntag im Gottesdienst. "Was bei einem solchen Kaiserempfang sonst die Stadtbevölkerung macht, machen im Lukasevangelium die Jünger Jesu. Und sie rufen auch offen aus, was das bedeutet: Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn." Der König der Juden, nicht der Kaiser.
Und dann das Besondere im Lukasevangelium, das sich in keinem anderen Evangelium findet. Die Begleiter Jesu fügen ihren Jubelrufen hinzu: Im Himmel Friede und Ehre in der Höhe. "Jeder denkt da sofort an Weihnachten", betonte Pfarrer Mai. "Das will der Evangelist auch. Er will an die Geburt Jesu erinnern, wo die Schar der Engel singt: 'Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden.' Dieser Friede, will Lukas sagen, kommt mit diesem Jesus auf Erden."
Der junge Esel als Symbol
Der Hinweis auf den Frieden wird unterstützt durch eine symbolische Handlung, eine kleine Randnotiz in der Erzählung, die heutzutage einem modernen Menschen kaum auffällt: Die Jünger setzen Jesus auf einen jungen Esel. "Normalerweise geht das schief", weiß Stefan Mai. "Ein Jungtier wirft Fremde ab, solange es nicht eingeritten ist." Den Jesus jedoch trägt dieser junge Esel auf Anhieb ganz friedlich. "Einen solchen Frieden strahlt Jesus aus."
Wie kein anderer Evangelist schildere Lukas in seinem Evangelium den Jesus als menschenfreundlich und verständnisvoll. Das werde auch in der Passionsgeschichte deutlich, schilderte Mai. Mit größter Anschaulichkeit schildert Lukas die Angst Jesu am Ölberg: So dick wie Blutstropfen fließt ihm der Angstschweiß, wie man es bei Todkranken erleben kann. "Diese Angst macht Jesu so menschlich und rückt ihn an die Seite derer, die Angst durchleiden", so Mai.
Verständnis für die Jünger
Während das Matthäus- und Markusevangelium erzählen, dass Jesus seinen Jüngern das Einschlafen am Ölberg zum Vorwurf macht, schont Jesus in der Lukas-Erzählung hingegen seine Jünger, hat sogar Verständnis für sie. Es heißt bei ihm: Denn sie waren vor Kummer erschöpft. "Lukas gestaltet auch die Sterbeszene ganz anders als die anderen Evangelisten", erklärte Mai. Selbst am Kreuz halte Jesus die menschenfreundliche und heilende Botschaft durch: "Den Mördern spricht er die Vergebung zu und dem Schächer verspricht er das Paradies."
Und während Jesus in den Berichten des Matthäus- und Markusevangeliums am Ende mit der Verlassenheitsfrage und einem lauten Schrei stirbt, betet Jesus bei Lukas noch am Kreuz das jüdische Abendgebet "Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist", ehe er sanft seinen Lebensgeist aushaucht.