
„Seien Sie ehrlich! Finden Sie diese Streichhölzer nicht irgendwie beeindruckend?“ In der Tat, das sind sie, die Streichhölzer von Raymond Hains von 1964. Die Arbeit „Saffa“ von 1964 ist einfach ein Streichholzbriefchen, wie man sie früher, als man noch überall rauchen durfte, immer in der Tasche hatte – allerdings überdimensional groß. Zu sehen ist „Saffa“ in der großen Halle mit der Pop Art in der Ausstellung „Der Sammlung Gunter Sachs“ in der Kunsthalle.
Die eingangs formulierte Frage stellt der Audioguide dem Betrachter. Der ist möglicherweise verblüfft, warum jemand einfach ein riesiges Streichholzbriefchen baut, vielleicht sogar tatsächlich beeindruckt. Der Audioguide hilft zu verstehen, warum das so ist: Wir setzen Größe mit Bedeutung gleich, und ein denkbar banaler Gegenstand in dieser Größe ist im Grunde ein unauflösbarer Widerspruch. Wir verstehen also plötzlich, warum ein riesiges Streichholzbriefchen Kunst sein kann und warum Gunter Sachs die Arbeit in seine Sammlung aufgenommen hat.
Die in Schonungen und Berlin ansässige Firma Linon Medien hat die Audioguides für die Sachs-Ausstellung geliefert – Ulrike Hübschmann und Florian Walter lesen die kurzen und prägnanten Texte, die viel zum Verständnis dieser ganz besonderen Stimmung beitragen, die in den 1960er- und 1970er-Jahren in der Kunstwelt geherrscht haben muss. Als sich etwa die Nouveaux Réalistes gegen das Informel und dessen „Flucht nach innen“ wandten. Und konkrete Dinge und Aktionen zu Kunst erklärten.
Arman etwa, der Dinge zerschnitt oder verbrannte. Oder zerschlug, wie zum Beispiel einen Satz Streichinstrumente, und dann auf eine schwarze Fläche montierte. „Allegro furioso“ heißt die Arbeit passenderweise. Die Performance, also das Zerstörungswerk, fand, so informiert der Audioguide, in Gunter Sachs' Appartement in St. Moriz statt. Wie dort überhaupt ziemlich viel Kunst stattfand, etwa mit der Badezimmergestaltung von Roy Lichtenstein, den bemalten Spiegeln von Michelangelo Pistoletto oder der Schafe-Sitzgruppenskulptur von François-Xavier Lalanne.
„Blau ist das Unsichbare sichtbar werdend“, hat Yves Klein gesagt und damit selbst einen wesentlichen Schlüssel zu seinem Werk geliefert. Joseph Kosuth dagegen macht das Sichtbare sichtbar. Eine Leiter etwa, die als Leiter, als Abbildung einer Leiter und als Lexikondefinition einer Leiter ausgestellt ist. Der Audioguide erklärt dazu den Begriff Konzeptkunst – die Idee wird wichtiger als ihre Ausführung.
Die Texte kommen ohne jegliches kunsthistorisches Kauderwelsch aus. Im Gegenteil: Sie benennen ohne Umschweife Motive und Motivationen, und allein das reicht oft, ein Werk besser aus sich heraus zu versehen. Ansonsten bleiben sie auch dann wohltuend unaufgeregt, wenn es um entscheidende Momente der Kunstgeschichte geht. Etwa die Geschichte von der Begegnung von Gunter Sachs und Andy Warhol in St. Tropez. Die natürlich, Quelle ist Sachs' Autobiografie, in eine aufschlussreiche Anekdote mündet.
Immer wieder gibt es eine zweite Ebene, die angerissene Themen vertiefend erklärt und auch Konfliktstoffen nicht ausweicht, wie etwa dem Kinderpornografie-Vorwurf gegen den Fotografen Will McBride. Die zwei Euro, die der Audioguide kostet, sind also eine lohnende Ausgabe auch für Ausstellungsbesucher mit Vorkenntnissen.