Die Übertrittschancen bayerischer Kinder hängen offenbar stark von ihrem Wohnort ab. Das geht aus einem Papier hervor, das das bayerische Kultusministerium auf eine Anfrage der Landtags-Grünen hin erstellt hat. Die Grünen hatten wissen wollen, wieviel Prozent der Viertklässler eine Eignungsempfehlung fürs Gymnasium oder für die Realschule bekommen. Die Liste des Ministeriums beweist nun, dass Übertrittschancen extrem stark variieren – offenbar abhängig davon, ob die Kinder in der Stadt oder dem Land leben und ob sie in einer reichen oder einer ärmeren Gegend wohnen.
Starnberg: 69 Prozent. Schweinfurt: 38 Prozent Übertrittsempfehlungen
So sehen Lehrer im oberbayerischen Kreis Starnberg, der reichsten Gegend Bayerns, 69,1 Prozent ihrer Schüler als fürs Gymnasium geeignet an. Das ist Bayern-Rekord. Eine sehr hohe Prozentzahl von Eignungsempfehlungen findet sich auch bei Schülern aus den oberbayerischen Kreisen München-Land (67 Prozent) und Ebersberg (63,3 Prozent); diese Landkreise gehören wie Starnberg zu den reichsten Gegenden Bayerns. Unterfranken fällt dagegen stark ab. Zwar wird in Würzburg (58,7 Prozent) Viertklässlern noch oft das Gymnasium empfohlen, doch im Norden Unterfrankens sinkt die Zahl der Eignungsempfehlungen massiv.
Mit 38,5 Prozent Übertrittsempfehlungen ist die Stadt Schweinfurt Schlusslicht in Bayern, gefolgt von Weiden in der Oberpfalz (40,3 Prozent) auf dem vorletzten und dem Kreis Bad Kissingen (40,7 Prozent) auf dem drittletzten Platz. Die Zahlen wurden im Schuljahr 2016/17 erhoben. Sie decken sich im Wesentlichen mit Zahlen des Vorjahrs.
Bildungspolitischer Sprecher: „Es ist etwas faul im Schulsystem“
„Es ist etwas faul im Schulsystem, wenn in Starnberg fast 70 Prozent der Kinder den Übertrittsnotenschnitt von 2,33 schaffen, in Schweinfurt aber nicht einmal 40 Prozent. An der guten Luft in Oberbayern liegt das sicher nicht“, kommentiert Thomas Gehring, bildungspolitischer Sprecher der Landtags-Grünen, der die Anfrage verantwortet. Was aber sind die Gründe? Sind die Schulen in Unterfranken schlechter? Werden Kinder in Schweinfurt oder Kissingen wenig gefördert? Kommen sie aus einem schwierigeren Milieu? An der unterschiedlich ausgeprägter Intelligenz liege es sicher nicht, meint Gehring.„Kinder sind nicht an unterschiedlichen Standorten im Schnitt unterschiedlich intelligent. Es sind meist individuelle Förderung, zusätzliche Nachhilfen und der Ehrgeiz der Eltern, die einen gravierenden Einfluss auf die Noten und somit auf die Schullaufbahn der Kinder haben.“
BLLV: „Manchmal werden Kinder auch aufs Gymnasium gequält“
Das sieht der Vorsitzende des Unterfränkischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Gerhard Bleß, ähnlich. Bleß zufolge wäre es gar nicht erstrebenswert, wenn überall in Bayern so viele Übertrittsempfehlungen ausgesprochen würden wie in Starnberg. „In bestimmten Kreisen ist die Erwartungshaltung der Eltern an die Kinder extrem hoch und auch Kinder, die dafür nicht gemacht sind, werden aufs Gymnasium gequält; mit Nachhilfe und Druck“, so Bleß. Gleichzeitig glaubt Bleß, dass im bodenständigen unterfränkischen Norden Eltern ihrem Kind das Gymnasium – zur Erhebungszeit noch G8 – gar nicht so dringend wünschen. Sondern dass sie eher ein eventuelles Abi über Realschule und FOS anstreben, so dass sich der geringere Druck der Eltern auf die Lehrer auch in der Zahl der Übertrittsempfehlungen spiegelt. Bless hält es für wichtig zu erwähnen, dass die für den Übertritt relevanten Proben nicht zentral kommen, sondern, dem Lehrplan folgend, von jeder Schule einzeln erstellt werden.
Weder Ministerium noch Regierung noch Schulamt wollen Gründe nennen
Beeinflusst die Zahl von Flüchtlingskindern in Schulen – und in Schweinfurt ist deren Zahl hoch – die Häufigkeit von Übertrittsempfehlungen? Diese Frage wollen weder Vertreter der Regierung von Unterfranken noch die Leiterin des zuständigen Schweinfurter Schulamts, Gabriele Freiberg, beantworten; auch generell will sie zur Frage der Übertrittsempfehlungen nicht Stellung nehmen. „Nicht vor der Wahl“, lässt sie ausrichten. Nach Informationen dieser Redaktion hat Freiberg auch Grundschulleiter in Schweinfurt angewiesen, nicht mit der Presse zu sprechen. Auch im zuständigen Ministerium wagt man keine Erklärung: „Belastbare Fakten zu der Frage, warum die Quote der Übertrittsempfehlungen regional variiert, liegen dem Kultusministerium nicht vor“, heißt es auf Anfrage.
Schulübertritt in Unterfranken
Im Schuljahr 2016/17 gaben Bayerns Lehrer im Schnitt 51,9 Prozent ihrer Viertklass-Schüler eine Übertrittsempfehlung fürs Gymnasium und weiteren 16,8 Prozent eine Übertrittsempfehlung für die Realschule. Eine neue Statistik des Kultusministeriums zeigt, dass die Prozentzahl der Übertrittsempfehlungen von Regierungsbezirk zu Regierungsbezirk variiert. In Oberbayern bekamen 56 Prozent der Kinder eine Empfehlung fürs Gymnasium, weitere 16 Prozent eine Empfehlung für die Realschule. In Unterfranken allerdings erhielten nur 48,8 Prozent der Kinder eine Gymnasiums-Empfehlung, weitere 18 Prozent eine Empfehlung für die Realschule. Schlechter als Unterfranken sind nur die Regierungsbezirke Oberpfalz und Niederbayern. Besser abgeschnitten haben Mittelfranken, Oberfranken und Schwaben.
Erheblich sind die Unterschiede nicht nur von Regierungsbezirk zu Regierungsbezirk – auch innerhalb des Bezirks selbst gibt es große Differenzen. So erhielten etwa in Würzburg 58,7 Prozent aller Viertklässler eine Empfehlung fürs Gymnasium und 16,1 Prozent eine Empfehlung für die Realschule. In Schweinfurt bekamen nur 38,5 Prozent der Kinder eine Gymnasial-Empfehlung, 16,2 Prozent eine Realschulempfehlung. In Aschaffenburg erhielten 49,8 Prozent der Kinder eine Gymnasialempfehlung, 15,8 Prozent eine Realschul-Empfehlung.
Weitere Zahlen für Unterfranken: Aschaffenburg-Land: Gymnasium 49,8 Prozent, Realschule 18,8. Bad Kissingen: Gymnasium 40,7 Prozent, Realschule17,4. Rhön-Grabfeld: Gymnasium 45,2 Prozent, Realschule 19 Prozent. Haßberge: Gymnasium 50,9 Prozent, Realschule 13,5. Kitzingen: Gymnasium 44,9 Prozent, Realschule18,4. Miltenberg: Gymnasium 45,8 Prozent, Realschule 19,1. Main-Spessart: Gymnasium 49,8 Prozent, Realschule 21. Würzburg-Land: Gymnasium 55,6 Prozent, Realschule 19,1. Schweinfurt-Land: Gymnasium 46,5 Prozent, Realschule 18,5.
Um das Gymnasium besuchen zu können, ist in Bayern ein Notenschnitt von 2,33 notwendig; für die Realschule liegt der erforderliche Schnitt bei 2,66.
Was also hat Ihr Kommentar mit dem Thema zu tun?
Die Kinder von Produktions- und Facharbeitern oder auch Bauern und Handwerkern sind ggü. Akademikerkindern tendenziell nicht so dem Druck der Eltern ausgesetzt, Abitur und ein Studium zu machen.
Und das ist gut so!
Andererseits sind aber auch Kinder von Produktions- und Facharbeitern oder auch Bauern und Handwerkern per se nicht dümmer als andere.
Hier geht es ja um die Empfehlung für's Gymnasium, nicht um Schüler die von den Eltern ins Gymnasium gedrängt werden. Die Empfehlungen kommen doch meines Wissens vom Klassenlehrer, oder täusche ich mich da?
So sollte man die Ursachenforschung wohl eher bei den Lehrern als bei den Familien betreiben.
Natürlich gibt es BL wo jeder Schüler auf das Gymnasium wechseln kann. Natürlich wählt man dann sicherheitshalber eine Gesamtschule, die ist so schön praktisch weil viel anspruchsloser. Wo das hin führt sieht man in den BL deutlich. Was es für die betroffenen Kinder bedeutet wird jedoch übersehen, für die beginnt oft ein leidvoller Abstieg vom Gymnasialzweig über Real bis zurück auf die Hauptschule denn wo nichts ist kann nichts beigegebracht werden. Selbst wenn man sich nach dem Dümmsten in der Klasse orientiert, bis auch er/sie es halbwegs verstanden hat, statt nach dem Lehrplan zu gehen.
Ich hoffe, Bayern behält seine Schulformen und die Empfehlung auf die jeweiligen. Damit unsere Kinder international noch eine Chance haben!
Ich unterstelle niemandem etwas! Wie kommen Sie darauf??
Ich habe auch nicht geschrieben, dass Lehrer eine Auslese betreiben.
Aber Lehrer sprechen Empfehlungen aus. Sie bewerten jedes Kind in der Übertrittsklasse und sprechen Empfehlungen an die Eltern bezüglich des weiteren Werdegangs aus, oder etwa nicht? Was dann die Eltern daraus machen, ist deren Sache.
Und genau darum geht es doch in diesem Artikel. Es geht um die Frage warum so wenige Empfehlungen ausgesprochen werden. Da die Lehrer die Empfehlungen aussprechen, muss man eben auch die Lehrer fragen, warum es so ist wie es ist.
Interessant, was einem hier so alles unterstellt wird. Wo habe ich geschrieben das es hier besser oder schlechter ist als " in Links-Grün-regierten Bundesländern"?
Mal gespannt, was als nächstes in meine Kommentare rein interpretiert wird. Dass ich links grün braun gelb schwarz rot rechts versifft bin und eine schlimme Kindheit hatte??
Was aber gar nicht gefragt wird: wieviele der Fünftklässler machen am Ende auch das Abi?
Und: Braucht man 70% Abiturienten pro Jahrgang oder kann man nicht auch ohne Studium gut und glücklich leben?
Der Druck kommt jedenfalls hauptsächlich von Seiten der Eltern, nicht aus der Schule.