Festlich geschmückte Straßen mit gelb-weißen Fahnen an den Häusern sowie vom Turm der barocken Balthasar-Neumann-Kirche herab kündeten vor 50 Jahren von der Weihe der neuen katholischen Pfarrkirche Sankt Michael. Ein halbes Jahrhundert später muss wegen Corona statt eines großen Jubiläumsfestes zum Weihetag am 24. Mai eine Eucharistie ausreichen. Aber manche Erinnerung wird wach – auch an das ehemalige Untere Schloss, das für den Neubau des Pfarrzentrums abgerissen wurde.
Alte Fotos zeigen den herrschaftlichen Renaissance-Bau der Freiherrn von Münster inmitten eines Parks, begrenzt vom schmiedeeisernen Oegg-Tor. Angebaut ist die 1742 erbaute barocke Schlosskirche. Diese war nach dem Zweiten Weltkrieg für die wachsende Zahl der Katholiken in dem evangelischen Dorf viel zu klein geworden. Denn Flüchtlinge aus dem Osten waren gekommen, Euerbach wuchs, auch wegen seiner Nähe zu Schweinfurt.
"Die alte Kirche war immer gerammelt voll, auf der Empore und der Treppe standen die Leute, und im Gang bis in die Mitte hinein", erinnert sich Hubert Bettinger. Der 87-jährige Landwirt wohnt nahe des neuen Pfarrzentrums, in dem er jahrzehntelang Hausmeisterdienste versah.
Das abgebrochene Untere Schloss vom Ende des 16. Jahrhunderts mit seinen großen Räumen und dem prächtigen Treppenhaus ist ihm noch gut in Erinnerung. Richtig baufällig, wie damals begründet wurde, sei es seiner Ansicht nach nicht gewesen, "nur im Keller ist immer Wasser gestanden. Da haben wir als Buben unsere Schiffle fahren lassen". Das hoch anstehende Grundwasser am Anwesen unweit der Euer und der sumpfige Untergrund erschwerten später auch den Bau der neuen Kirche.
1961 kaufte die Katholische Kirchenstiftung das Gelände auf Initiative des neuen Pfarrers Günther Sibenhorn und mit Unterstützung der Diözese Würzburg von Albert Jungbeck, dem damaligen Münchner Besitzer des mittlerweile leer stehenden Schlosses. Der letzte Baron Oskar von Münster hatte seinen Wohnsitz in Euerbach schon vor dem Krieg aufgegeben und später verkauft.
Ernsthafte Planungen für eine neue Kirche begannen 1965
Zunächst baute die Kirchenstiftung 1963 ein neues Pfarrhaus. Ernsthafte Planungen für eine Kirche begannen 1965. Aber der Denkmalschutz hielt noch seine Hand über dem Schloss. Erst Ende 1967 stimmte das Landesamt für Denkmalpflege einem Abriss unter der Bedingung zu, dass aus städtebaulichen Gründen anstelle des Schlosses ein Nachfolgebau treten müsse. Daher wurde ein einstöckiges Pfarrheim geplant, das heute die alte und neue Kirche verbindet.
Noch im Winter 1967/1968 wurden im Schlossgarten die Bäume gefällt, auch Hubert Bettinger half mit. Bei einer Versteigerungsaktion kam das Holz unter den Hammer. Daran erinnert sich auch der 84-jährige Elmar Weiß, späteres Kirchenverwaltungsmitglied. Er hatte mit anderen Verantwortlichen jahrelang jeden Monat in den katholischen Familien Geld gesammelt, um die Schulden für die Kirche zu tilgen.
Bagger erledigten ab Ende April 1968 den Abbruch der Gebäude, darunter die ehemalige katholische Schule und das Schloss. "Das hat gewaltig gestaubt", hat Werner Bieber als direkter Nachbar damals miterlebt. Die Zwischendecken aus Holz, Lehm und Stroh hätten Löcher gehabt, meint er.
Weil der sumpfige Baugrund für die künftige Kirche nicht tragfähig war, mussten 39 Betonpfähle, zwischen sechs und 9,50 Meter lang, in den Untergrund getrieben werden. "Mit einem Riesenkompressor sind die Pflöcke in den Boten gerammt und dann mit Beton ausgegossen worden", erzählt Bettinger. Noch im November begannen die Beton- und Maurerarbeiten durch das Schonunger Bauunternehmen Franz Schmitt.
Nur vier Wochen nach der Grundsteinlegung am 18. Mai 1969 wurde Richtfest gefeiert: Die Leimbinder für das markante zeltartige Dach in Kreuzesform mit den vier Giebeln waren aufgerichtet. Allerdings verzögerten sich die Arbeiten am Pfarrheim: Wegen der damaligen Hochkonjunktur war Baustahl rar.
Dennoch konnte schon ein Jahr später das neue Pfarrzentrum eingeweiht werden. "Der Bischof kam am Samstagnachmittag aus Würzburg an, da waren die Pflasterer noch am Arbeiten", hat Bieber noch vor Augen. Bis zuletzt wurde gearbeitet, ein langer Winter hatte für Verzögerungen gesorgt.
Nach der Übernachtung im Pfarrhaus konsekrierte Bischof Josef Stangl am Sonntag, 24. Mai 1970, die Kirche. Bieber, später Mitglied der Kirchenverwaltung, erlebte als 17-jähriger Ministrant mit, wie die Reliquien der Heiligen Urban, Innozenz und Burkard in den Altar eingelassen wurden.
Dieser Muschelkalkblock ruht als Mittelpunkt auf einer leicht erhöhten Altarinsel, die sich in das geräumige Gotteshaus erstreckt und mit steinernem Ambo, Kredenz, Priestersitz und Tabernakel-Stele gestaltet ist. Fünf Bankblöcke gruppen sich im Halbkreis darum. Gemäß der erneuerten Liturgie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hatte der Würzburger Architekt Günter Marquardt die rechteckige Kirche für 370 Personen geplant.
Über den Bänken erhebt sich auf acht Betonstützen das 13 Meter hohe Dach mit den vier offenen Giebeln, in denen der Künstler Friedrich May in der Glasmalerei der Fenster "Das Kommende – die Apokalypse" verewigte.
Heute muss die katholische Pfarrgemeinde Euerbach für zwei besondere Gotteshäuser sorgen. Eine Herausforderung in Zeiten mangelnder Finanzen.