
Allein die Ankündigung im Programmheft wirkte schon abenteuerlich: "Um allen Besucherinnen und Besuchern ein sinnliches Dufterlebnis zu ermöglichen, bitten wir von der Nutzung intensiver Parfüms und Deodorants abzusehen". Aha, das hört sich zumindest schon mal interessant an, also weg mit After Shave und Deo an diesem Abend, ausgiebig duschen muss reichen.
Angereist in das Theater der Stadt Schweinfurt Gemeindehaus war das Theater Hof mit seinem Kammertanzabend "Der Duftmacher", der erst im letzten September im Studio-Theater Hof seine Premiere hatte. Die Besonderheit dieser Inszenierung wurde in das Wortungetüm "Olfaktorischer Kammerabend" gepackt. Und jetzt bitte nicht gleich aufhören, weiterzulesen. Die Erklärung ist nämlich ebenso einfach, wie effektvoll.
Die Hofer (seit Jahrzehnten für außerordentliche Ballett-Leistungen weit über Franken hinaus bekannt, und leider in Schweinfurt bei der Ära des vorherigen Theaterleiters so gut wie nie zu sehen), hatten die Choreografie ihres Balletts nicht nur mit Musik, Tänzern und stimmungsvollem Bühnenbild in Szene gesetzt. Auch der Geruchssinn des Publikums wurde durch zahlreiche Duftessenzen eingebunden, die ergänzend zur Handlung versprüht wurden.
Die schnuppernden Zuschauer sollten so noch intensiver auf die Reise durch das Leben des legendären Parfümeurs Giovanni Maria Farina genommen werden. Ein Kammerballett mit neun Tänzern und Tänzerinnen nach dem Buch von Ina Knobloch, das die faszinierende Geschichte Farinas (ausdrucksstark in der zentralen Rolle Filippo Italiano) erzählte, dessen außergewöhnlicher Geruchssinn ihn dazu antrieb, den perfekten Duft für die junge Geliebte Antonia Brentano (mit fließend, harmonischer Eleganz Larissa Guerra) zu kreieren. Am Ende erfand die historisch belegte Person Farina im Jahr 1714 das "Eau du Cologne", in Deutsch besser bekannt als "Kölnisch Wasser".
Diesem Ballett-Abend wohnte von Anfang an ein bildgewaltiger Zauber inne, vermittelt durch überdimensionierte, weiße Blumensträuße am Bühnenrand, die je nach Handlung und Lichtstimmung verschoben wurden (Bühnenbild Aylin Kaip). Die Tänzer agierten vor einer lichtdurchlässigen, aus dem Hintergrund bestrahlten Leinwand (Choreografie Barbara Buser), erzählten Farinas Leben komprimiert in sinnlichen "Pas de deux", nachfolgenden Solovariationen oder komprimierten Gruppentanz-Ensembles vor Schattenwänden.
In seiner Massierung machte dieses Bewegungskonzept immer dann besonderen Effekt, wenn sich die Tänzer und Tänzerinnen zu einer wogenden Körperlandschaft verdichteten. Synchron zum Handlungsverlauf wurde der Zuschauerraum mit Aromen beduftet: Bergamotte, Lavendel, Amber waren deutlich wahrzunehmen, der Zitronenduft nicht, Narzissen in der Schlussszene wiederum deutlich. Und nein, da kann man ruhig ehrlich sein, außer Lavendel war kein Geruch direkt einzuordnen. Das Programmheft gab erklärende Hilfestellung.
Was die richtige Schönheit dieses, in jeder Form außergewöhnlichen Ballett-Abends ausmachte, war die Vermischung, die harmonische Einheit aus Tanz, Licht, Klang, Duft und Gedanken, die jeder Zuschauer/Zuhörer für sich selbst interpretieren konnte.
Am Ende großer Applaus und rhythmisches Klatschen eines auf den Duft gekommenen Publikums im vollen Haus. "Wir werden auch in Zukunft nicht nur im modernen Tanztheater neue und ausgefallene Wege gehen, um mehr Menschen für das Theater und unser Programm-Angebot zu gewinnen", erklärte Intendant Christof Wahlefeld das exotische Ballett-Projekt im Nachhinein. Wenn sich das weiterhin so, wie dieser Abend gestaltet – "dufte".