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Schweinfurt
Warnstreik in Schweinfurt: Weshalb am Montag der Bus nicht kam
Busfahrerinnen und  Busfahrer legten am Montag die Arbeit nieder – mit massiven Auswirkungen auf den Stadtbusverkehr. Kommt der Durchbruch bei den Verhandlungen am Freitag?
Trübe Aussichten, dass ein Bus kommt. Montagmittag, kurz vor 12 Uhr. So leer ist es sonst nicht am Rossmarkt. Nur ganz vereinzelt fuhren Busse ein, die dann allerdings von privaten Anbietern.
Foto: Helmut Glauch | Trübe Aussichten, dass ein Bus kommt. Montagmittag, kurz vor 12 Uhr. So leer ist es sonst nicht am Rossmarkt. Nur ganz vereinzelt fuhren Busse ein, die dann allerdings von privaten Anbietern.
Helmut Glauch
Helmut Glauch
 |  aktualisiert: 30.10.2020 02:17 Uhr

Arbeitgeber und Gewerkschaften haben sich am Wochenende bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst, für viele Beobachter überraschend, geeinigt. Bis zu 4,5 Prozent mehr Lohn werden die etwa 2,3 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen künftig in der Tasche haben. Mit der Einigung sind zwar Streiks in Kliniken, Kindergärten etc. vom Tisch, nicht aber im kommunalen öffentlichen Nahverkehr. Für die Busfahrer gilt nämlich ein eigener Sparten-Tarifvertrag Nahverkehr (TVN) und für den laufen die Verhandlungen noch.    

Um für diese Tarifverhandlungen Druck zu machen – die nächste Verhandlungsrunde für die ÖPVN-Beschäftigten findet am kommenden Freitag in München statt – streikten am Montag die Busfahrerinnen und Busfahrer, unter anderem im Schweinfurt. "48 Kolleginnen und Kollegen waren im Ausstand, kein Bus hat seit Dienstbeginn um 4.30 Uhr in Schweinfurt das Depot verlassen", teilte ver.di-Bezirksgeschäftsführer Sinan Öztürk am frühen Montagmorgen mit.  Betroffen war auch die Schülerbeförderung, ein Notdienst war nicht eingerichtet. Einen "100-prozentigen Ausfall der Stadtbusse am Montag aufgrund des Warnstreiks", bestätigt auch Verkehrsingenieur Sebastian Weismantel von den Schweinfurter Stadtwerken am Telefon.

35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich

Vor der Schweinfurter Kunsthalle hatten sich die Busfahrer am frühen Vormittag versammelt, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Im Mittelpunkt steht die nach der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich (bisher sind es 38,5 Wochenstunden) und die Zahlung von Zuschlägen zum Beispiel für Sonntag- und Feiertagsdienst oder für Wechselschichten.

Die Busfahrerinnen und Busfahrer, die sich am Montagmorgen auf dem Platz vor der Kunsthalle versammelt hatten, wollen nicht im Regen stehen gelassen werden. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ist unter unter Dach und Fach, nicht aber der für die Kolleginnen und Kollegen des ÖPNV. Für die gilt der Tarifvertrag-Nahverkehr. Und über den wird am kommenden Freitag in München weiter verhandelt. 
Foto: Anand Anders | Die Busfahrerinnen und Busfahrer, die sich am Montagmorgen auf dem Platz vor der Kunsthalle versammelt hatten, wollen nicht im Regen stehen gelassen werden.

Auch bei der Einstiegsvergütung für junge Kolleginnen und Kollegen müsse deutlich nachgebessert werden, so Sinan Öztürk. Während für die älteren Kollegen eine sogenannte Besitzstandsregelung gelte, müssten dringend benötigte Berufseinsteiger mit deutlich schlechteren Konditionen vorlieb nehmen. Öztürk beklagte eine massive Verweigerungshaltung der Arbeitgeber, bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu vereinbaren. "Von Arbeitgeberseite kommt nichts. Sie sind im Bereich der Entlastung nicht wirklich bereit etwas zu tun. Statt mit uns über Entlastung, mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen zu verhandeln, bieten sie nur minimale Lohnerhöhungen an", so Öztürk.  

Weniger Personal aber deutlich mehr Fahrgäste 

Entlastung tue vor allem Not, weil in den zurückliegenden 20 Jahren etwa 15 000 Stellen im ÖPNV abgebaut wurden, gleichzeitig aber das Fahrgastaufkommen deutlich gestiegen sei. "Im Vergleich zum Jahr 2000 ist die Zahl der Beschäftigten um 18 Prozent gesunken, während im gleichen Zeitraum die Zahl der Fahrgäste um ein Viertel gestiegen ist", so Öztürk. Die Kolleginnen und Kollegen würden  am Anschlag arbeiten, die Anhäufung von Überstunden und hohe Krankenstände seien die Folgen. Und die Situation werde sich noch verschärfen. Der Altersdurchschnitt der Beschäftigten liege bei 49 Jahren, in den kommenden zehn Jahren müssen rund 79 000 Stellen bundesweit neu besetzt werden.   

Nicht auf erhebliche Fahrausfälle, sondern auf den totalen Ausfall des Stadtbusverkehrs mussten sich die Fahrgäste am Montag einstellen, denn der Stadtbusverkehr war wegen des Warnstreiks zum Erliegen gekommen.
Foto: Helmut Glauch | Nicht auf erhebliche Fahrausfälle, sondern auf den totalen Ausfall des Stadtbusverkehrs mussten sich die Fahrgäste am Montag einstellen, denn der Stadtbusverkehr war wegen des Warnstreiks zum Erliegen gekommen.

"Wenn es am Freitag seitens der Arbeitgeber kein annehmbares Angebot gibt, wird es weitere Aktionen geben, auch in Schweinfurt", kündigte Öztürk an, der die Kolleginnen und Kollegen aufforderte, "in Bereitschaft" zu bleiben. Das ist für die Fahrgäste nicht schön, aber aus Sicht der ÖPNV-Beschäftigten nicht zu vermeiden. "Die Belastung der Beschäftigten interessiert die Arbeitgeber nicht. Jeder diskutiert über die Verkehrswende und den Ausbau des ÖPNV, nur die Arbeitgeber nicht", so Öztürk.     

Ursprünglich waren auch die Busfahrerinnen und Busfahrer in den Tarifvertrag der "großen Familie des öffentlichen Dienstes" eingebunden, so Öztürk weiter, was bedeutet hätte, dass die Verhandlungsergebnisse für den öffentlichen Dienst auch auf die ÖPNV-Kolleginnen und Kollegen übertragbar gewesen wären. Wegen der Kündigung der Tarifverträge seitens der kommunalen Arbeitgeberverbände sei dies nicht mehr möglich.  

 
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