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SCHWEBHEIM
War Walther von der Vogelweide ein echter Franke?
Redaktion
 |  aktualisiert: 24.01.2010 18:58 Uhr

(ul) Er ist wohl der berühmteste Dichter des Mittelalters, über 100 Sangsprüche und 70 Minnelieder sind von ihm erhalten. Und Walther von der Vogelweide vermag es bis heute, Veranstaltungen zu füllen. So auch zumindest beim Ortsgeschichtlichen Arbeitskreis in Schwebheim, der sich mit der Herkunft des Dichters beschäftigte. Über 50 Besucher ließen sich von der Frage anlocken, ob der bekannte Minnesänger eventuell doch ein echter Franke war.

Seit rund 40 Jahren gräbt sich der Germanist und Historiker Gerhard Wagner aus Höchberg durch Archive und forscht damit nach eigenen Worten in einem Raum, in dem noch nie jemand geforscht hat“. Aus einer Indizienkette heraus kommt er zu der Erkenntnis, dass der Dichter als Sohn des Ritters Walther von Stollberg 1170 geboren und 1220 als königlicher Vogt in Herlheim gestorben ist.

Allerdings sind die Thesen, die Wagner in seinem 2008 erschienenen Buch „Herr Walther von der Vogelweide – ein Minnesänger aus dem Steigerwald“ belegt, umstritten. Und obwohl 2002 seine erste Veröffentlichung zu diesem Thema erschienen ist, wartet Wagner bis heute darauf „dass jemand kommt und mich widerlegt“. Ein bisschen hat er den Verdacht, dass man einen „nicht von der Uni Stammenden“ eben nicht ernst nehmen will.

Seine Beweisführung für den Franken Walther sind allerdings durchaus schlüssig. Als wichtigste Quelle zur Lebensgeschichte Walthers dient ihm dessen dichterisches Werk, in dem er häufig aus seinem Leben erzählt. Fakt ist, dass der Lyriker 1170 geboren wurde und zuerst am Wiener Hof auftauchte, wo er den Minnesang erlernte. Ab 1198 zog er als fahrender Sänger durch die Lande, bis er als etwa 50-Jähriger vom Kaiser ein Lehen erhielt. 1230 starb Walther und liegt der Überlieferung nach im Lusamgärtchen in Würzburg begraben.

Die Suche nach Walthers Geburtsort zieht Gerhard Wagner von hinten auf. Das Lehen, das der Dichter von Friedrich II erhielt und für das er sich überschwänglich in einem Gedicht bedankt, vermutet er in Herlheim. Denn in einem weiteren Gedicht beschreibt der Minnesänger sein Lehen im Wert von 30 Silbermark und beschwert sich, dass er nichts davon habe, weil „die Pfaffen“ es ihm nicht zugestehen. Sucht man in den Urkunden der staufischen Könige nach einem solchen Reichskirchenlehen, passe nur die Vogtei Herlheim, so Wagner. Stutzig macht ihn jetzt, dass der Dichter den gleichen Rufnamen trägt wie der Ritter, der vor ihm mit dem Lehen betraut war: Walther.

Da Lehen und Rufnamen damals oft vererbt wurden, sei möglich, dass Walther von der Vogelweide der Sohn des Ritters ist, dem 1151 die Vogtei Herlheim verliehen worden war. Dann habe der Minnesänger Erbansprüche auf das Lehen gehabt, denen der König nachgab hat und denen sich sogar der Würzburger Bischof Otto von Lobdeburg beugen musste.

Wenn also dem fahrenden Minnesänger von Reich und Kirche ein Lehen aus dem Erbe des Ritters Walther zugesprochen wurde, könne das kein Zufall sein, so Wagner. Sein Resümee: Der heimatlose Dichter war „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ ein Sohn des Ritters Walther von Stollberg, eines Würzburger Ministerialen und hätte demnach 1170 auf der Stollburg im Steigerwald das Licht der Welt erblickt.

Offen bleibt für Wagner die Frage, warum die Herrschaft Stollberg und die Vogtei Herlheim nicht direkt vom Vater auf den Sohn vererbt wurden, sondern der sich als Minnesänger am Wiener Hof verdingte. Wagner vermutet, dass der junge Walther schon früh von anderen Reichsministerialen aus dem väterlichen Erbe verdrängt wurde und dann einen jahrelangen Kampf um seine Wiederbelehnung führen musste.

1230 stirbt Walther im „Haus des Richters“ in Herlheim. Warum sein Leichnam nach Würzburg überführt und im Kreuzgang des Neumünsterstifts begraben wurde, ist ebenfalls unklar. Wagner vermutet, dass der Bischof mit dieser Grabstätte ein Zeichen setzen wollte, dass der Minnesänger auf einem bischöflichen Lehen verstorben ist und die Vogtei Herlheim damit wieder in bischöflichen Besitz zurückfiel. Nie wieder sollte ein Reichsministeriale Anspruch auf ein Kirchenlehen erheben können.

 
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