Natürlich braucht man Kondition und Skulls, aber auch ein Handy und jede Menge an Vorbereitung. Das Wanderrudern legt als Breitensport an Bekanntheit zu und öffnet sich doch nicht der breiten Masse. Gut hat es da der Schweinfurter, der mit dem Main ein geeignetes Gewässer vor der Haustür und mit dem "Ruder-Club Franken von 1882" einen Verein hat, der das Material für das Verreisen mit dem Boot besitzt und dessen Aktive wissen, wie wichtig die Verbindung zur Begleitmannschaft an Land ist, damit am Abend rechtzeitig Feuer in die Grillkohle, die Würste auf den Rost und man selbst aus den verschwitzten oder zuweilen regennassen Klamotten kommt. Auch sorgt die Kommunikationstechnik dafür, dass der Ruderer nicht zur falschen Zeit an der Schleuse ankommt und beim Warten ohne Ausstiegsmögichkeit nicht in der Sonne braten oder im Regen frieren muss.
Die Randsportart Rudern mit bundesweit etwa 500 Vereinen und an die 100 000 Aktiven (die organisierten Schützen bringen es auf 1,4 Millionen Mitglieder) kam vor rund 150 Jahren von den britischen Inseln auf den Kontinent, weshalb der Club Franken von 1882 in den Wehranlagen zu jenen mit einer ganz langen Tradition gehört. Das Wanderrudern kam später nach Schweinfurt und mauserte sich erst in den letzten Jahrzehnten zur naturverbundenen Freizeit- und Urlaubsgestaltung – die wegen Corona seit einem halben Jahr pausiert.
Späteinsteiger im Rudersport
An einem Freitagnachmittag, also zu einer Zeit, in der das Training brummen sollte, schließt Sportvorstand Egid Schlessing für die Redaktion das Tor zum derzeit verwaisten Vereinsgelände auf und zeigt uns die Boote für "ruhigere Gewässer, für Wanderruderer und für die Einsteiger" beim Rennsport auf dem Wasser. Spinnweben bezeugen, dass die schwimmenden Großboote (ein Achter hat 17,5 Meter) schon länger nicht mehr zu Wasser gelassen wurden.
Wie viele Wanderruderer im Club ist Schlessing ein Späteinsteiger und kam über das Schulrudern des Nachwuchses zum Verein und zu einem Sport, bei dem zumeist die 40- bis 75-Jährigen beiderlei Geschlechts Kraft und Ausdauer mit Teamgeist und Geselligkeit verbinden, bei dem die Verletzungsgefahr gering und das Kräftigen der Muskelgruppen ziemlich umfassend ist.
Alle hören auf ein Kommando
Die Ruderer mögen "unseren Main", weil dieser Tiefe und Breite hat, weil sich flussaufwärts auf verschieden langen Strecken trainieren lässt. Und ohne Training kommt auch niemand in die Boote der Schweinfurter Wanderruderer ("weil man ungeübt sich und den anderen nichts Gutes tut"): vier Männer und/oder Frauen an den Riemen (ein Ruder wird mit beiden Händen bewegt) oder Skulls (jeweils ein Ruder für jede Hand) und ein Steuermann oder eine Steuerfrau. Bei dem Breitensport sind ähnlich viele Frauen und Männer auf dem Wasser. Bei den Positionen wird durchgewechselt, so dass ein jeder an das Steuer kommt und dann dafür zu sorgen hat, dass alle, die mit dem Rücken zur Fahrtrichtung sitzen, auf sein Kommando hören.
Eine große und zwei oder drei kleinere Ausfahrten (April bis Oktober) bietet der Club in einem normalen Jahr, also Touren von zwei bis 14 Tagen, darunter lange Strecken, aber auch Sternfahrten. Ziele in Deutschland sind beispielsweise Main, Neckar, Donau, Sächsische Saale samt Unstrut, Elbe, Lahn, Ruhr, Weser und die Donau, die Seen bei Berlin und die Mecklenburger Seeenplatte, die großen Gewässer im Voralpenland und natürlich auch Kanäle und Stauseen, aber nicht der Rhein mit seinen gefährlichen Strömungen und einer hohen Verkehrsdichte. Im Trend liegen aktuell auch die polnischen Gewässer, wo professionelle Anbieter Boote vermieten. Auf einen solchen Service hat der Club auch schon bei zwei Streifzügen in Schweden zurückgegriffen.
Der Wassersack kommt ins Boot
Länger als jede Ausfahrt dauern die Reisevorbereitungen. Bei dieser Herausforderung helfen die Kenntnisse und Erfahrungen von Wanderruderwart Willi Wenzel und doch: "Jede Reise ist anders", sagt Egid Schlessing. Es ist vor allem die zwei- bis dreiköpfige "Landmannschaft" im vereinseigenen Begleitfahrzeug (das auch den 18 Meter langen Anhänger zieht), die wissen muss, was wann zu tun ist, damit die Besatzungen von den zumeist drei bis vier Booten (Vierer mit Steuermann) rundum versorgt sind. Über Land wird das meiste des trotzdem sparsam gepackten Gepäcks befördert. Der Tagesbedarf an Kleidung, Sonnenschutz, Getränken und Imbiss kommt in einen wasserdichten Sack und mit ins Boot.
Zelte nehmen die Schweinfurter nicht mit. Weil für das Übernachten gebucht wird, was auch heißt, dass man ankommen muss, auch bei Regen, Wind und – im Falle eines Falles – über Land mit Taxi und Clubbus.