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STADTLAURINGEN
Wände in „Blue Gold“ und „Silver Mosaic“
Je nach gewünschtem Effekt wird das Metall mit dem Oxidationsmittel eingestrichen.
Foto: Anand Anders | Je nach gewünschtem Effekt wird das Metall mit dem Oxidationsmittel eingestrichen.
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:36 Uhr

Stellen Sie sich vor, Sie duschen zwischen Wänden aus „Silver Mosaic“ oder „Blue Gold“ oder gar echtem 23,75-Karat-Rosenobel-Gold. Nein, wir träumen nicht. Und wir sprechen auch nicht vom unerschwinglichen Urlaub in einem Luxushotel. Den Wunsch vom edlen Interieur im eigenen Wohnhäuschen kann sich durchaus auch Otto-Normalverbraucher erfüllen.

Wie man Wandoberflächen so effektvoll veredeln kann, das hat Ferdinand Weipert aus Stadtlauringen im Rahmen seiner zweijährigen Weiterbildung zum Maler- und Lackierermeister und staatlich geprüften Gestalter an der Fachschule für Farbe und Gestaltung in Stuttgart entwickelt. Und für seine außergewöhnlich kreativen und innovativen Ideen hat der 25-Jährige den mit 5000 Euro ausgelobten Dr.-Murjahn-Förderpreis für Jungmeister erhalten.

Eigentlich wollte Ferdinand Weipert nie in den elterlichen Betrieb einsteigen. „Das war für mich überhaupt keine Option.“ Deshalb machte er nach seinem Realschulabschluss 2008 eine Lehre zum Industriemechaniker bei SKF in Schweinfurt. Drei Jahre später, den Gesellenbrief und eine Arbeitsplatzgarantie in der Tasche, entschied er sich von heute auf morgen um und beschloss, eine zweite Lehre zum Maler und Lackierer im elterlichen Betrieb zu absolvieren.

Wandgestaltung für Würzburger Metallkünstlerin

„Viele haben mich damals belächelt“, erinnert sich der 25-Jährige. Vom Industriemechaniker zum Maler, das sei als „Abstieg“ gewertet worden. Denn „viele glauben, wir streichen nur Wände an“. Ferdinand Weipert belehrt sie mit seiner Meisterarbeit eines Besseren. Hier hat er für die Würzburger Metallkünstlerin Angelika Summa einen Ausstellungsraum mit drei hochwertigen Wandgestaltungselementen aus Blattgold, eingearbeiteten Aluminium- und Messingstäben sowie spezieller Lacktechnik konzipiert, die Material und Farbwirkung ihrer Kunst aufgreifen und diese effektvoll in Szene setzen.

Für das 2,20 Meter hohe und ein Meter breite Gold-Element hat Ferdinand Weipert 600 Blatt feinstes Rosenobel-Gold verarbeitet. Durchzogen wird das Gold von einem schwarzen Gittermuster, das durch eine vorher aufgebrachte Spachtelmasse entsteht. Jahrhundertealte Handwerkstechnik wird so mit modernster Gestaltung kombiniert. „Das war richtig aufwendig“, und nicht billig, ist ja echtes Gold.

Auf der zweiten, ebenso großen Wand, hat Ferdinand Weipert das Gittermuster mit aufgeklebten Messing- und Alustäben fortgeführt. Die Zwischenräume wurden wieder mit schwarzer Spachtelmasse aufgefüllt und aufpoliert. Auf der dritten Wand setzt sich das Gittermuster in einer silbernen Kristallstruktur fort, die durch eine aufwendige Lackiertechnik entstanden ist. Den Abschluss der Wandkombination bildete eine schwarze hochglanzlackierte Wandplatte mit dem Schriftzug der Künstlerin.

150 Seiten Materialdokumentation

Weil das Meisterstück – zumindest fiktiv – eine Kundenanfertigung ist, muss der Prüfling auch eine komplette Dokumentation und Kalkulation anfertigen. „150 Seiten waren das nur für die Materialaufstellung“, verweist Weipert auf den hohen Aufwand.

Nicht minder aufwendig war die Erstellung seiner Facharbeit zum staatlich geprüften Gestalter. Hier hat er aus unzähligen Versuchen mit Metalloxidationen auf verschiedenen Untergründen eine 100-seitige Dokumentation erstellt, die innovative Gestaltungsmöglichkeiten mit Kupfer, Messing und Silber aufzeigt.

„Blue Gold“ beispielsweise ist eine Wandgestaltung mit Messing und Jutegewebe. Das hauchdünngewalzte Metall – im Fachjargon Schlagmetall genannt – wird mit einer Anlegemilch, der Laie würde Kleber sagen, auf die Wandoberfläche gebracht und dann mit einem Oxidationsmittel eingestrichen. Um das charakteristische von Ferdinand Weipert entwickelte „Blue-Gold“-Muster zu bekommen, wird während der Oxidation das Jutegewebe aufs Metall gedrückt. Dadurch entstehen unterschiedliche Strukturen und Verfärbungen an der Oberfläche.

Bei „Fire and Ice“ wird sogar mit echtem Silberblatt gearbeitet. Die Oxidation des Metalls erfolgt punktuell mit einem Heißluftföhn. Und bei „Shotgun“, eine wie mit Patronenkugeln durchschossen wirkenden Kupferoberfläche, muss das Oxidationsmittel mühselig mit der Pipette aufgetröpfelt werden, um den Durchschusseffekt zu erzielen.

Übrigens: Die Namen für die verschiedenen Oberflächengestaltungen haben sich die Mitschüler von Ferdinand Weipert ausgedacht und viel Fantasie bewiesen. So entdeckten sie in einer Metalloxidation „Red snake“, die rote Schlange, in einer anderen „Cyan Wave“, die cyan-blaue Welle, oder gar „Glowing seas“, leuchtende Meere.

Mit künstlicher Oxidation Farbenvielfalt zum Vorschein bringen

Wie kam Ferdinand Weipert überhaupt auf eine so verrückte Idee, eine der edelsten Techniken im Handwerk bewusst zu zerstören und zu entfremden. „Ich habe von Anfang an Wege gesucht, meine beiden Berufe miteinander zu kombinieren“, erklärt der 25-Jährige. Die natürliche Oxidation von Metallen, beispielsweise Verfärbungen an kupfernen Dachrinnen oder angelaufenes Silber, hat ihn dazu inspiriert. Er wollte den Alterungsprozess der Metalle, bei dem es oft Jahre dauert, bis sich Verfärbungen zeigen, mit verschiedenen Chemikalien und Arbeitsmethoden beschleunigen und gezielt steuern. „Die künstliche Oxidation bringt die Farbenvielfalt, die in jedem der Metalle verborgen liegt, erst richtig zum Vorschein“, sagt der junge Handwerksmeister.

Ferdinand Weipert habe traditionsreiche Techniken mit dem modernen Gestaltungsverständnis von Vintage und Shabby chic neu interpretiert, lobte denn auch die Jury die innovative Arbeit des Stadtlauringers.

Rund ein dreiviertel Jahr hat Ferdinand Weipert an seiner Facharbeit gearbeitet. Das pfiffig gestaltete Buch, das nicht nur jeden Arbeitsschritt dokumentiert, sondern auch viele Informationen über Metalle, Werkzeuge, Hilfsmittel und Rezepturen für weitere Experimente zur eigenständigen Entwicklung kreativer Oberflächen enthält, gibt es „noch“ nicht im Fachhandel. Erwägt hat Ferdinand Weipert eine Publikation allerdings schon. Die Branchenzeitschrift „Malerblatt“ ist zumindest schon mal auf den jungen Meister aufmerksam geworden. Hier veröffentlicht er in einer mehrteiligen Serie Artikel zu verschiedenen Metalloxidationen.

Sein Meisterstück indes wird nicht in Serie gehen, sondern die Geschäftsräume in Stadtlauringen schmücken.

Je nach gewünschtem Effekt wird das Metall mit dem Oxidationsmittel eingestrichen.
Foto: Anand Anders | Je nach gewünschtem Effekt wird das Metall mit dem Oxidationsmittel eingestrichen.
Ferdinand Weipert hat für seine innovative Gestaltung von metallischen Oberflächen den Dr.-Murjahn-Förderpreis erhalten.
Foto: Anand Anders | Ferdinand Weipert hat für seine innovative Gestaltung von metallischen Oberflächen den Dr.-Murjahn-Förderpreis erhalten.
Das Meisterstück von Ferdinand Weipert wird künftig die Geschäftsräume in Stadtlauringen schmücken.
Foto: Anand Anders | Das Meisterstück von Ferdinand Weipert wird künftig die Geschäftsräume in Stadtlauringen schmücken.
Mit dem Kamm wird die Spachtelmasse aufgebracht.
Foto: Anand Anders | Mit dem Kamm wird die Spachtelmasse aufgebracht.
Vorsichtig wird das hauchdünne Schlagmetall angelegt.
Foto: Anand Anders | Vorsichtig wird das hauchdünne Schlagmetall angelegt.
Mit dem Pinsel wird das Blattmetall leicht angedrückt.
Foto: Anand Anders | Mit dem Pinsel wird das Blattmetall leicht angedrückt.
 
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