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GEROLZHOFEN
Von Nymphen, Drachen und Elfen
Sagenumwobene Orte: Stadtarchivar Matthias Endriss entführte die Zuhörer bei seinem Vortrag in die Welt der dämonischen Sagen und ging speziell auf die Sagen um Elementargeister ein. Zu letzteren gehören die vielerorts ähnlichen Sagen über die Wasserjungfrauen, wie zum Beispiel die Sage an der Schwarzachquelle in Oberschwarzach (im Bild).
Foto: Beck | Sagenumwobene Orte: Stadtarchivar Matthias Endriss entführte die Zuhörer bei seinem Vortrag in die Welt der dämonischen Sagen und ging speziell auf die Sagen um Elementargeister ein.
Matthias Beck
 |  aktualisiert: 22.12.2013 15:53 Uhr

Mit dem Projekt einer Sagensammlung für den Steigerwald samt Vorland beschäftigt sich Stadtarchivar Matthias Endriss schon seit Längerem. 1265 Sagen, Legenden, Märchen, Anekdoten, Brauchtumsberichte sowie kurze historische Zeitzeugenberichte sind bisher zusammengekommen. Sein Sammelgebiet umfasst dabei in etwa die Grenzen einer Linie von Schweinfurt über Haßfurt, Bamberg, Neustadt/Aisch, Bad Windsheim, Uffenheim, Marktbreit und Kitzingen bis zurück nach Schweinfurt.

Rund 200 der gesammelten Belege hat der studierte Volkskundler auf ihre Motive hin analysiert. Dabei zeigte sich, dass der größte Teil der Sagen im Untersuchungsgebiet den sogenannten dämonischen Sagen zugeordnet werden kann. In diese Sagen über Teufel, Hexen, Elementargeister und Arme Seelen entführte Endriss die Zuhörer bei seinem Vortrag im alten Rathaus auf Einladung des historischen Vereins Gerolzhofen am Donnerstag.

Einführend erläuterte er, was eine Sage ausmacht. Die Gebrüder Grimm definierten sie als „Kunde von Ereignissen der Vergangenheit, welche einer historischen Beglaubigung entbehrt“. In früherer Zeit sei die Weitergabe fast ausschließlich mündlich erfolgt, daher auch der Name „Sage“. Erst später wurden sie schriftlich fixiert. Damit meinte er nicht die episch ausformulierten Sagen der Spätromantik, sondern Volkssagen, die sprachlich „derb, knapp, klar und einfach“ gehalten sind.

Von der Unterteilung in dämonische, historische und erklärende – ätiologische – Sagen behandelte er in seinem Vortrag erstere. Die dämonischen Sagen seien vor allem im Mittelalter und in der frühen Neuzeit entstanden, gerade dann, wenn sich der Mensch mit etwas Unerklärlichem, scheinbar Übernatürlichem konfrontiert sah. „Auch wenn die Sage historische Zusammenhänge oft im Vagen lässt, ist sie dennoch ein wichtiger Botschafter aus vergangenen Tagen“, so Endriss.

Vier Gruppen Elementargeister

Die dämonischen Sagen wiederum unterteilte er in Elementargeister-, Teufels-, Hexen- und Arme-Seelensagen, wobei die Übergänge fließend sein können. In seinem Vortrag beschäftigte er sich vor allem mit den Elementargeistern, die gemäß der Vier-Elemente-Lehre in Wasser, Erde, Feuer und Luft gegliedert werden.

Zu den in stehenden oder fließenden Gewässern, in Quellen und Brunnen lebenden Wassergeistern gehören die Wassermänner, Nixen, Nymphen, Undinen und Melusinen, so der Referent. Die drei Wasserjungfrauen seien dabei eines der bekanntesten Sagenmotive der Region: Sie mischten sich zum Tanzen unter die Menschen, kehrten jedoch zu spät in ihr Reich zurück und wurden deshalb bestraft. So bei den drei Sennfelder und Schweinfurter Wasserjungfrauen vom schwarzen Loch.

Dies sei auch ein Beispiel für eine Wandersage, so Endriss weiter. Denn die Wasserjungfrauen gebe es in mehr oder weniger abweichenden Varianten vielerorts. So kennt man sie in Breitbach und Oberschwarzach für die Schwarzachquelle G'Spring oder in Pusselsheim für die Gründleinsquelle.

Neben Sagen mit originären Elementargeistern gebe es im Steigerwald auch eine Sage, bei der junge Mädchen zur Strafe für die Missachtung eines väterlichen Verbotes in Wasserjungfern verwandelt werden. Dabei handele es sich um die Sage der verwandelten Grafentöchter vom Erbloch aus Dingolshausen. Der belehrende Charakter dieser Sagen sei nicht zu leugnen. Missachtet man die Gebote einer übergeordneten Autorität, folge die Strafe, so Endriss.

Die mit Abstand größte Gruppe im Sagenkreis des Steigerwaldes seien laut dem Referenten die Erdgeister. Das liege wohl mitunter an dem hiesigen Waldgebiet, denn zu dieser Gruppe zählen die Waldgeister. Beispielsweise gebe es die „Hehmänner“, wie den Gerolzhöfer „Waldpöpel“, den man auch in Michelau kennt. Diese Figuren achten darauf, dass kein Holz geklaut werde. Sie überschneiden sich jedoch mit den Sagenfiguren der Armen Seelen.

Der Zwerg als Pest

Weitere Vegetationsdämonen seien unter anderem die Zwerge. Hierbei sprach Endriss die Überlagerung altnordisch-heidnischer durch christliche Motive an. Meist stehen diese Figuren dem Menschen wohlwollend gegenüber, wie in den Donnersdorfer und Bischwinder Zwergensagen. Allerdings nicht immer: In einer Lindacher Sage tritt ein Zwerg als Allegorie für die Pest auf.

Ebenfalls als Allegorie für die Pest gelte der Drache aus der Gruppe der Feuergeister, dem man daher in der Steigerwälder Sagenwelt begegnen könne, so der Referent. In einer Volkacher Sage hause im Stadtgraben ein „greulicher Drache, der Mensch und Tier mit seinem Atem vergiftet“. Letztere Vorstellung gehe auf die weit bis ins 19. Jahrhundert verbreitete Theorie der Miasmen zurück, welche giftige Ausdünstungen des Bodens als Auslöser für Krankheiten annahm.

Doch der Drache gelte auch als Allegorie für den Teufel, was auf die Offenbarung des Johannes in der Bibel zurückzuführen sei. Weiterhin treten Drachen als Hüter von Schätzen auf, wie zum Beispiel in einer Sage über einen Drachen in einem tiefen Gewölbe unter dem Zabelstein.

Keine Luftgeister im Steigerwald

Die vierte Gruppe der Elementargeister sind die Luftgeister oder Sylphen. Die bekanntesten Vertreter seien die Lichtelben oder Elfen. Allerdings habe der Stadtarchivar in den ihm vorliegenden Sagen bisher noch keine Luftgeister für den Steigerwald identifizieren können.

Endriss nannte in seinem Vortrag zahlreiche Beispiele für dämonische Sagen aus der Gerolzhöfer Umgebung, darunter Irrlichter in einer Lülsfelder Sage, eine Koboldsage in Donnersdorf, das Schreckgespenst „Hakermännla“ bei Breitbach oder den Kobold Scheuerpöpel in Gerolzhofen. Auch ging er auf Sagen aus der Region und darüber hinaus ein. Er kündigte Betrachtungen zu Teufels- Hexen- und Totensagen im Rahmen weiterer Vorträge an. Schließlich bekundeten die Gäste reges Interesse durch eine Reihe von Fragen zum Vortrag.

 
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