Als reiche Millionäre gingen die Besucher des letzten geschichtlichen Vortrags im Rahmen des Jubiläums "800 Jahre Werneck" nach Hause: Sie erhielten nicht nur originale Millionen Mark-Scheine von 1923 als Geschenk. Sie bekamen auch eine Fülle an Wissen über die Geschichte Wernecks im 20. Jahrhundert vermittelt, und das auf unterhaltsame Weise.
Das dicke Bündel an einseitig bedruckten Geldscheinen fand am Ende des bilderreichen Geschichtsvortrags von Bernd Göbel in der Aula der Mittelschule reißenden Absatz bei den gut 200 Besuchern. Der Vorsitzende des Historischen Vereins hatte die 100 Jahre alten, originalen Scheine im damaligen Wert von einer Million sowie 20 Millionen Mark aus dem Fundus seines verstorbenen Vaters, von 1925 bis 1966 Leiter der Sparkassen-Zweigstelle Werneck.
Die Scheine dienten als handfester Beleg für die dramatische Geldentwertung, die sich nach dem Ersten Weltkrieg bis 1923 in schwindelnde Höhen entwickelt hatte. "Mit einem Handwagen voll Geld sind meine Großeltern damals einkaufen gegangen", erzählte Göbel. Mit persönlichen Erinnerungen, vielen Fotos, lebendigen Schilderungen sowie trockenen Bemerkungen verstand es der ehemalige Lehrer wieder einmal, die Zuhörer fast zweieinhalb Stunden lang zu fesseln.
27 Soldaten aus Werneck starben and er Front
Ein Auf und Ab spiegelten die damaligen Ereignisse wider. Das 20. Jahrhundert hatte hoffnungsfroh begonnen, sogar der Erste Weltkrieg war mit Begeisterung in Werneck begrüßt worden. An der Front ließen allerdings 27 Soldaten aus dem Ort ihr Leben, und auch in der Heimat wurden die Not größer, die Lebensmittel knapp, die Pferde zum Kriegsdienst eingezogen und die Kirchenglocken eingeschmolzen.
Die deutsche Kapitulation 1918 kam für die Bevölkerung dennoch überraschend, zumal ihr stets vorgemacht worden war, das deutsche Kaiserreich stünde kurz vor dem Sieg. "Fake News gab es schon vor 100 Jahren", erinnerte der Hobby-Historiker an die gezielten Falschmeldungen der sogenannten "Dolchstoß-Legende". Mit dieser Manipulation der Bevölkerung wurde auch ein Grundstein für Hitlers "3. Reich" gelegt.
Als Kuriosität dieser Zeit von 1918 berichtete Bernd Göbel von konkreten, allerdings verworfenen Plänen für einen Verlauf des Rhein-Main-Donau-Kanals, der mit dem Bett der Wern das Maindreieck abgeschnitten hätte. "Der Kanal wäre durch den Schlosspark verlaufen", erklärte er, und bemühte die Vorstellung der Zuhörer, im heutigen Café Balthasar auf der Schlossterrasse zu sitzen und aufs Wasser mit den Schiffen zu blicken.
Passend zum Thema besang Sopranistin Anja Gutgesell den "Moon River", am Klavier begleitet von David Reß. Wie das Musik-Duo es überhaupt gekonnt verstand, mehrmals eine musikalische Verschnaufpause einzulegen.
Rauschende Fest und Theatervorführungen
Nach dem verlorenen Krieg und der Hyperinflation der Weimarer Republik samt neuer Währung begannen auch in Werneck die "Goldenen 20er Jahre", mit rauschenden Festen und Theatervorführungen. Noch teilweise vorhanden sind die eigens dafür angefertigten, üppigen Bühnenbilder des Wernecker Malers Julius Wolff.
Die Weltwirtschaftskrise 1929 mit hoher Arbeitslosigkeit und Not beendete diese Zeiten, aber Werneck stemmte sich dagegen: mit dem Bau einer neuen Schule 1931, mit der Einweihung eines Freibads 1932 zwischen der Mühlenwern und der alten Wern oder mit der Herstellung von Rennwagen namens Colibri, die vier wackere Wernecker produzierten.
Ein tiefer Einschnitt war die Zeit des Nationalsozialismus, begonnen mit den Reichstagswahlen vom März 1933 und beendet mit einem verlorenen Zweiten Weltkrieg mit 73 Opfern aus Werneck. Glühende NS-Anhänger fanden sich auch im Gemeinderat, der gleich am Anfang die Hauptstraße zur Adolf-Hitler-Straße umbenannte und Hitler und Hindenburg zu Ehrenbürgern ernannte.
Ein besonders dunkles Kapitel war 1940 die Räumung der Heil- und Pflegeanstalt im Schloss, bei der die 760 psychisch kranken Patienten abtransportiert und der Großteil umgebracht wurden.
Ortsjubiläum hat Zusammenhalt gestärkt
Zum Ende des Kriegs wurde das ehemalige Districtskrankenhaus zur Gemeindeklinik umgebaut, zahlreiche Kinder wurden in der Folge dort geboren, darunter auch Prominente wie Bayerns Kultusministerin Anna Stolz, Landrat Florian Töpper, Schauspieler Tobias Oertel – und Christian Wück, Trainer der U 17-Fußballmannschaft, die aktuell um die Weltmeisterschaft spielt.
Nach dem Krieg gab es nicht nur neues Geld, sondern auch neue Lebensfreude: mit Kinos, Theater, Passionsspielen und Faschingsfeiern. Zur Faschingshochburg Werneck in den 1950er-Jahren will Bernd Göbel in der kommenden Session einen Abend gestalten, überlegte er laut.
Dass das Ortsjubiläum den Zusammenhalt gestärkt habe, bestätigte im Rückblick Altbürgermeisterin Edeltraud Baumgartl, Vorsitzende des Organisationsteams. Sie blickte auf die vielen Vorträge, Vereinsjubiläen und das gelungene Schlossparkfest zurück, bevor ein gesungenes "Time to say goodbye" den Abend und das Jubiläumsjahr beendeten.