Es ist erstaunlich, welche Kreativität ein einzelner Mensch in seinem Wohnzimmer entfachen kann. Der Schweinfurter Johann Stößel sorgt mit seiner Musik als "George John" in der Szene international für Aufsehen.
Dabei hat der 34-Jährige eigentlich nur aus der Not eine Tugend gemacht, wie er im Gespräch in eben jenem Wohnzimmer, in dem oft "Magie" passiert, verrät. "Alles ist auch daraus entstanden, dass ich keine Leute hatte, mit denen ich hier diese Musik machen kann." Herausgekommen ist ein origineller elektronischer Sound, den ein Magazin aus Chicago als "Lofi Vaporwave Jazz" beschrieben hat. Stößel gefällt die Fremdzuschreibung, es treffe die Sache sehr gut.
Mit sechs Jahren wurde er zum Klavierunterricht gezwungen, erzählt er mit einem Augenzwinkern. "Ganz klassisch eben". Zehn Jahre lang blieb er dabei. Ein nächster musikalischer Meilenstein war dann als Teenager ein Besuch, ganz alleine, eines Jazz-Konzerts in der Schweinfurter Disharmonie. "Da habe ich gemerkt, dass mich Jazz total anspricht." Er selbst stellte fest, dass seine Stärke im Improvisieren liegt. Ein paar Jahre später probierte er sich im Dunstkreis von "Tonquadrat" im Bereich der elektronischen Musik aus. Auch in Bands spielte er in jungen Jahren eigentlich immer.
Sound entsteht im heimischen Wohnzimmer
Aus den verschiedenen Einflüssen entstand sein heutiger Sound, der mit jeder Menge Technik im heimischen Wohnzimmer entsteht. Ein E-Piano steht dabei im Mittelpunkt. Mit Laptop, Software, E-Synthesizer und Drum-Computer kreiert er in Echtzeit Songs. Ein Techniknerd war er nie und wird er wohl auch nicht mehr, gibt er zu. "Ich hasse Kabel, ich bin kein Frickler, mir kommt es auf den Sound an." Und der kommt in der Szene, die nieschig ist, dafür aber fast weltweit zu finden und extrem gut vernetzt ist, extrem gut an. "Plötzlich lief ich auf einem Radiosender in London – und dabei mache meine Sachen in einem kleinen Zimmer in Schweinfurt", sagt Stößel und muss dabei selbst etwas schmunzeln. Auch seine im September veröffentlichte EP "Remote Island" wurde ein Erfolg. "Es ist ein geiles Ding geworden", findet der Künstler selbst.
Für den Schweinfurter war es auch eine Verarbeitung der für ihn harten Zeit während der Pandemie. Eigentlich hätte 2020 nämlich das Jahr werden können, in dem Stößels Kunst eine Eigendynamik entwickelt. Eine große Deutschlandtour war bereits geplant, unter anderem mit einem Auftritt auf dem Melt-Festival vor tausenden Zuschauenden. "Boom", sagt Stößel wenn er an die Zeit zurückdenkt. "Mit Corona war dann alles tot, kleine Labels brachen weg, Netzwerke wurden gesprengt, ich musste fast wieder bei Null anfangen."
Mit den Menschen in Verbindung treten
Mittlerweile hat er sich, auch mithilfe seiner Musik, aus dem tiefen Tal gegraben. "Die Tracks auf der neuen EP beschreiben den Weg, den ich gemacht habe", sagt "George John". "Von der Einsamkeit heraus zurück in die Welt." Seine Musik entsteht aus der emotionalen Ebene heraus, erklärt er. "Ich jamme und versuche aus der Stimmung einen Sound zu basteln." Oft spielt dabei das Thema Natur eine große Rolle. Der zweite große Bereich neben der Musik, im Leben von Stößel, der 2020 erfolgreich das Masterstudium in Nachhaltigkeitswissenschaften abgeschlossen hat.
"Es läuft viel falsch, was den Klimawandel angeht", findet er. "Wir haben echt keine Zeit mehr." Er selbst plant jetzt einen neuen Anlauf, um seine Musik vermehrt live unter die Menschen zu bringen. "Ich werde mit der Musik nicht krass Geld verdienen, ich will damit einfach Leute erreichen und mit ihnen in Verbindung treten. Das ist das Wichtigste für mich."