Faten Mukarker beginnt ihren Vortrag "Sehnsucht nach Frieden – Die Lebensbedingungen in Palästina" mit einer Fabel, die eindringlicher nicht sein könnte. Es geht um eine Schneeflocke, gewichtstechnisch ein Nichts, die dennoch einen Ast zum Brechen bringt, so wie es nur die Stimme eines einzigen Menschen zum Frieden in der Welt braucht. Eine Verantwortung, sagt die palästinensische Christin, die sie seit vielen Jahren dazu bewegt, ihre Stimme auf Vortragsreisen durch Deutschland – sie bemüht dafür das berühmte Sprichwort vom Berg und dem Propheten – für den Frieden zu erheben.
Und so berichtet sie auf Einladung des Gemeindeteams Maximilian Kolbe im dortigen Pfarrzentrum über die Lebensbedingungen in ihrer Heimat. Der Vortrag ist kurzfristig zustande gekommen, erläutert Pastoralreferentin Barbara Hornung zum Auftakt. Bei einem Friedenskonzert von "conTakte and friends" im Pfarrzentrum im November wurden spontan 900 Euro gesammelt und auf der Suche nach einem Friedensprojekt ist man auf Faten Mukarker und die von ihrer Tochter Ursula geleitete Stiftung "wings of hope for trauma in Palästina" gestoßen.
Palästinensische Kultur im Gepäck
Schöner Zufall: es stellt sich heraus, dass Faten Mukarker, die vor einigen Jahren bereits einige Gemeindemitglieder als Reiseleiterin durch Bethlehem geführt hat, gerade auf Gesprächsreise in Deutschland unterwegs ist, einen Vortrag halten und den Scheck im Namen ihrer Tochter entgegen nehmen würde. Dazu nimmt sie auch den Erlös des Gesprächsnachmittags und des Verkaufs von geschnitzten Olivenholzfiguren mit nach Bethlehem für Familien, die in großer Not sind, weil Pilger und Touristen ausbleiben.
Faten Mukarker hat eine eindringliche Präsenz. In Bethlehem geboren, wächst sie in Deutschland auf. Im Gepäck der ausgewanderten Familie, erzählt Faten Mukarker, befindet sich die palästinensische Kultur; deren Mentalität, Sprache, Glaube und Traditionen. Ihr Leben im Rheinland: eine "große Reise zwischen den Welten" mit der Haustür als metaphorische Grenze. Vor der Tür lag Deutschland, dahinter Palästina. Im Gegensatz zum Bruder wurde es für Faten nicht leichter: je älter sie wird, desto weniger durfte sie. Mit 20 Jahren kehrt sie schließlich ins Westjordanland zurück, heiratet und bekommt vier Kinder.
Zukunftsperspektive ist ein Fremdwort
Als palästinensische Christin gehört sie in ihrer Heimat einer Minderheit an; aktuell macht der Anteil 0,8 Prozent der Bevölkerung aus. "Oft wundern sich Besucher über unsere Existenz", berichtet Mukarker. Sie erklärt dann, dass ja schon Jesus hier gelebt, gekreuzigt, gestorben und begraben wurde. Die Auswanderungsrate ist hoch, wer möchte schon hinter hohen Mauern unter Besatzung leben, fragt die orthodoxe Christin resigniert. Das Wort Zukunftsperspektive ist in ihrer Heimat ein Fremdwort, auch zwei ihrer Kinder sind ausgewandert.
"Das Land" sagt Faten Mukarker "hat keine Zukunft, nichts rührt sich". Die Hoffnung auf Frieden und Freiheit für ihre Heimat vergleicht sie bildlich mit einem Gummi, das nach Jahrzehnten voller Gewalt, Hass und Vergeltung, zwei Intifada, fünf Kriegen und dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 "ausgeleiert" ist. Sie verurteilt den terroristischen Angriff, sagt aber auch mit Blick auf die vielen toten Zivilisten ganz klar, dass Israel in Gaza "eine rote Linie überschritten hat", sie findet: "auch das Recht auf Selbstverteidigung muss eine Grenze haben".
Bericht von unvorstellbaren Zuständen in Gaza
Seit 17 Jahren ist der Gazastreifen abgeriegelt. Es ist der am dichtesten besiedelte Teil der Erde. 2,2 Millionen Menschen leben dort auf etwa 360 Quadratkilometern, die Hälfte davon ist unter 19 Jahren. Viele kennen nichts anderes als Krieg und Gewalt, es ist nicht verwunderlich, sagt Mukarker, das dort junge Menschen heranwachsen, "die zu allem bereit sind".
"Meine Ohren sind in Deutschland groß geworden und können manchmal nicht glauben, was ich sagen muss" sagt Faten Mukarker. Vieles, was sie an diesem Nachmittag aus ihrer Heimat berichtet, ist nur schwer zu ertragen. Sie berichtet von unvorstellbaren Zuständen in Gaza, von unmenschlichen Handlungen, von Bomben, Hunger und Durst, von Operationen ohne Narkose, von fehlenden Medikamenten, aber auch von radikaler israelischer Siedlungspolitik im Westjordanland, von rationiertem Wasser und jahrhundertealten Olivenbäumen, die Bulldozer respektlos aus der Erde in ihrem Garten ziehen, um dort die Mauer zu bauen.
Es geht nur miteinander
Aus Deutschland hat sie einst ein Lieblingswort mitgenommen: "Differenzieren". Vieles dreht sich in ihrem Vortrag darum, nicht alles in einen Topf zu werfen. Laut Mukarker muss man ein "Aber wagen dürfen", denn "es gibt nicht die Palästinenser oder die Israeli", doch da wie dort ist ein Kind, das unvorstellbar leidet. "Was tun wir unserer Jugend an" gibt sie die Nachricht eines israelischen Freundes an sie wieder und stellt weiter fest: "Und die Welt schaut zu".
Auch wenn die deutsch-jüdische Geschichte auf einer, wie sie es nennt, "Besonderheit" basiert, sollte man laut Mukarker genau aus diesem besonderen Grund heraus die Stimme erheben, wenn "Menschenrecht mit Füßen getreten wird". Sie mahnt: "Denkt an die Schneeflocke" und berührt mit ihren sehr persönlichen Worten die Herzen der Zuhörenden, wie eine Frau es höchst emotional betroffen auf den Punkt bringt.
"Vieles liegt nicht in unseren Händen, stellt Mukarker abschließend fest. Israelis wie Palästinenser "sind müde ob des Konfliktes". "Wir brauchen Frieden", sagt Mukarker, "aber einen gerechten. Leben und leben lassen" lautet für sie die Zauberformel. Es geht nur miteinander, erst wenn die beiden Völker bereit sind, Hand in Hand in eine Zukunft gehen, ist eine Lösung des Konfliktes überhaupt möglich.