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SCHWEINFURT
Von der Leidenschaft für Schriften
Felix Salut - Galapagos Game       -  Bei der Galapagos-Schrift wird die Formenvielfalt durch einzelne Module ermöglicht.
Foto: Noortje Knulst | Bei der Galapagos-Schrift wird die Formenvielfalt durch einzelne Module ermöglicht.
Bearbeitet von Kirsten Mittelsteiner
 |  aktualisiert: 10.10.2024 02:40 Uhr

Schweinfurt Katharina Christ, Leiterin Kulturforum Schweinfurt im Interview mit Felix Salut, Typograf und Cokurator der Ausstellung „Von A bis Smiley – eine Zeitreise durch die Schrift für Kinder und Erwachsene“, die bis 6. Oktober in der Halle im Alten Rathaus gezeigt wird.

Herr Salut, ich bin auf Sie aufmerksam geworden durch die Neukonzeptionskampagne im Museum am Dom in Würzburg. Die Kreativagentur Bungalow erzählte, dass die Schrift von einem Schweinfurter stammt. Da wusste ich sofort, dass ich Sie kennenlernen möchte. Als Typograf haben Sie nicht nur eine Schrift entwickelt, sondern auch ein Spiel daraus kreiert. Eine Spielversion ist sogar in der Sammlung des Stedelijk Museums in Amsterdam. Auch wir träumen davon, eines Tages ein Werk von Ihnen in unserer Städtischen Sammlung zu haben. Können Sie dazu etwas erzählen?

Felix Salut: Ich habe mich sehr gefreut, als Sie mich auf Instagram kontaktiert haben. Ich arbeite derzeit an einer kleineren Version des Galapagos-Spiels, diesmal aus Holz, die das Kulturforum ankaufen könnte.

Wo sind Sie aufgewachsen und zur Schule gegangen?

Salut: Ich bin in Schweinfurt geboren und aufgewachsen und habe das Celtis-Gymnasium besucht. Nach der Schule trafen wir uns oft im Café Vorndran oder im Cinema, wo wir gerne auf den Stufen saßen.

Woher kommt Ihre Leidenschaft für Schriften?

Salut: Meine Mutter, eine Lehrerin für Stenografie, hat mich stark beeinflusst. Da die meisten Menschen heute wahrscheinlich gar nicht mehr wissen, was das ist, erkläre ich es kurz: Stenografie ist ein Notizsystem, bei dem man durch vereinfachte, abstrakte Zeichen und Abkürzungen schneller schreiben kann. Man kann so in normalem Tempo gesprochene Sprache mitschreiben oder eigene Ideen schnell notieren. Früher konnte das jede Sekretärin, heute wird es kaum noch verwendet. Meine Mutter benutzt es noch heute für ihr Tagebuch oder Einkaufszettel. Stenografie war und ist also in unserem Hause sehr präsent, ich denke, das hat mich sehr beeinflusst. Erstaunlicherweise befassen sich meine Schriften aber auch meistens mit Systemen, und da wird wiederum der technische Einfluss meines Vaters sichtbar, der als Ingenieur für Maschinenbau bei FAG gearbeitet hat.

Galapagos heißt Ihre erste Schrift. Was hat Sie inspiriert, und wie waren die ersten Schritte?

Salut: Galapagos ist eine modulare Schrift, bestehend aus neun Bausteinen, die in unzähligen Variationen kombiniert werden können. Die Idee war, wie bei Tetris, Formen zu rotieren und aneinanderzureihen, um Buchstaben zu bilden. Zuerst existierte es als physisches Spiel, um direkt und per Hand mit Buchstabenformen zu experimentieren.

Im Begleitprogramm zur Ausstellung gehen Sie am 20. September ausführlicher darauf ein. Können Sie uns einen Einblick in den Entwicklungsprozess einer Schrift geben?

Salut: Eine Schrift zu entwickeln dauert wirklich meistens mehrere Jahre. Man könnte ja denken, naja, das sind 26 Buchstaben, das ist doch schnell gemacht. Aber in der Realität gibt es sehr viele einzelne Schritte, Elemente und Details, die man alle aufeinander abstimmen muss. Das braucht seine Zeit. Am Anfang hat man eine Idee, im Falle von Galapagos eben die neun Module, die von der Handschrift abgeleitet sind. Bei Galapagos war es dann ziemlich kompliziert, all die Möglichkeiten, die das Spiel einem eröffnet, wieder zu reduzieren und daraus verschiedene Schrifttypen zu entwickeln. Ich habe dabei mit der Typefoundry (Schriftvertrieb) Dinamo zusammengearbeitet und die Schriften auch dort veröffentlicht.

Lots of Dots ist Ihre zweite Schrift. Was können Sie darüber erzählen?

Salut: Lots of Dots ist eine Schrift, die aus meinem Interesse an sogenannten Dot Matrix Schriften hervorging. Dot Matrix Schriften kennt man von der Busstation oder von Leuchtbändern. Es gibt auf diesen digitalen Anzeigen immer eine bestimmte Anzahl von Punkten, die entweder beleuchtet oder nicht beleuchtet sind. So kann man, in einer sehr reduzierten Art und Weise, Buchstaben anzeigen und die Information nach Belieben verändern. Ich interessiere mich seit Langem für diese Schriften und irgendwann kam mir die Idee, das Dot Matrix System mit einer Linie zu verbinden, die wachsen kann. So kann sich die Punkteschrift in eine „normale“ Outlineschrift verändern. Durch die wachsende Linie gibt es bei der Schrift auch interessante Mischformen. Ich habe sie in der Ausstellung für die Beschilderung und Werbung zum ersten Mal benutzt. Voraussichtlich wird sie im September veröffentlicht.

Was sind Ihre nächsten Projekte?

Salut: Was Schriften anbelangt, interessiere ich mich schon seit einiger Zeit für Ligaturen. Ligaturen sind Schriftzeichen, die aus zwei oder mehreren Buchstaben zu einem geworden sind. Ein klassisches Beispiel ist das '&'-Zeichen, das aus dem lateinischen Wort 'et´ (und) entstanden ist. 'E´ und 't´ sind dabei zu einem Zeichen verschmolzen. Es gab früher vor allem im handschriftlichen Gebrauch viel mehr von diesen Ligaturen. Das wird der Ausgangspunkt für meine nächste Schrift werden. Was die Gestaltung betrifft, habe ich gerade den Auftrag erhalten, die niederländische Literaturzeitschrift 'De Gids´ neu zu gestalten. Die erscheint alle zwei Monate und ich freue mich sehr auf diese neue Aufgabe. Es ist die wichtigste Literaturzeitschrift in den Niederlanden. Außerdem unterrichte ich Grafik Design an der Gerrit Rietveld Akademie in Amsterdam. Anfang Juli ist dort die jährliche Jahresausstellung, und ich begleite die Projekte der Studenten im Abschlussjahr.

Zurück zur Ausstellung. Als ich sagte: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft. Schweinfurt und die Menschen im Mittelpunkt. Was war Ihr erster Gedanke?

Salut: Mein erster Gedanke war offen gesagt: Oje! Erster Ausgangspunkt war ja mein dreidimensionales Galapagosspiel und wir hatten lediglich den Schreibmeisterbrief von 1592. Am Anfang wusste ich nicht so genau, wie man das zusammenbringen kann. Je mehr Zeit ich allerdings in Schweinfurt und Umgebung verbrachte, je mehr tolle Beispiele gab es: der „Stein von Rossette“ im Knauf-Museum Iphofen, viele tolle Ausstellungsstücke aus dem Stadtarchiv und dem Museum Otto Schäfer. Plötzlich konnte ich mir eine Ausstellung vorstellen, die die Geschichte der Schrift anhand von Schweinfurter Beispielen nachzeichnen kann. Dabei ist aber natürlich völlig klar, dass man immer nur winzige Teile dieser Geschichte zeigen kann, das Thema ist viel zu breit, um Anspruch auf Vollständigkeit zu stellen. Aber ich denke, durch das Schreibreisebuch und die vielen interaktiven Teile für Kinder und Erwachsene ist es zu einer Ausstellung geworden, die auf eine sehr spielerische Weise Wissen vermittelt und einen tollen Einblick in die Schweinfurter Schriftschätze gibt.

 
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