
Insgesamt 71 Grafiken entstanden in jahrelanger Arbeit. Dazu kommen einige großformatige Gemälde, die aktuell in der Ausstellung „Hell>>Heaven. Oneway“ im Museum Otto Schäfer noch bis Sonntag, 23. Februar, zu sehen sind. Das Projekt vereint Weltliteratur und Kunst und bietet dabei über kurze Kapitelzusammenfassungen genauso den Einstieg ins Thema, wie über Martin Stommels geistreiche und detaillierte bildliche Bearbeitung neue Eindrücke für Dante-Kenner.
Um die berühmte Hölle, Dantes folgende Läuterung und den Aufstieg ins Paradies ins Bild zu setzen, vertiefte sich der in Bonn lebende Künstler viele Jahre in den teils Geschichte erzählenden, teils hochphilosophischen Stoff, der längst zur Weltliteratur zählt. Im Interview verrät Martin Stommel nun Hintergründe zu diesem monumentalen Projekt.
Martin Stommel: Ja, warum Dante? Warum überhaupt Kunst? Mir tut immer was weh, wenn ich die inflationäre Aussage in der Kunst höre, der Künstler „musste“ dies oder das machen. Ich vermute, die Schmerzen kommen aus dem Ehrlichkeits-Zentrum im Hirn. Natürlich kann er auch Salat anpflanzen oder einen Spaziergang machen. Andererseits bin ich auch nicht ganz überzeugt vom „Wollen“. Zumindest, wenn wir Künstler denn etwas wollen, so wollen wir im Zweifelsfall das, was wir können. Wir tun das, womit wir auf irgendeine Weise verbunden sind. Dante stellt uns den Menschen als etwas vor, das undenkbar ist ohne die Vergangenheit, ohne Glauben und genauso nicht denkbar ohne den Mangel. Wahrscheinlich gibt es kaum etwas beim Menschen, das nicht zu Gott und gleichzeitig zu Ideen wie denen von antiken Heldentaten und Untieren einen, wenn auch noch so entfernten Bezug hat. Dem in dieser Art universalen Blick auf die Seele habe ich seinerzeit wie heute zugestimmt und daraus ergibt sich eine Beziehung. Und auf Letzterer beruht im Grunde alles.
Stommel: Es gab ziemlich viele Lieblingsstellen – so weit auch nochmal zur Eingangsfrage zurück, warum Dante. Also: Das Thema der Liebenden in allen Gesängen, die Diebe als Sinnbilder des Identitätsverlustes, die Traumszenen, die Bilder vom irdischen Paradies, der gewaltige Auftritt von Petrus – wie lang darf die Antwort werden? Was mich reizt, ist das Körperliche, Bewegliche, der Körper ist ein Instrument in der Kunst, es ist ein Genuss zu versuchen, darauf etwas Sinnvolles zu spielen. Die Commedia gehört zu den Werken, die jedenfalls keiner mit dem Kopf allein lesen kann, ich denke nicht, dass das geht. Man liest sie dann auch mit dem Körper.
Stommel: Alles. Ich glaube, wenn mir etwas ohne Anspruch erscheint, arbeite ich eher nicht. Denn dann wird es nichts. Die Anspruchslosigkeit läge nicht in den Aufgaben, sondern in meinem Kopf. Sie drückt die Indifferenz in meinem Kopf aus.
Stommel: Der Paragone ist ein sehr viel größeres Fass, als man meinen könnte, denn in ihm steckt ja die Frage nach dem Charakter und Wert von Wahrnehmung. Und auch die Diskussion um werkimmanente Qualität war mit dem Paragone verbunden, denn die Formulierung der Stärken und Vorteile einer Kunstform ergab auch Maßstäbe für die jeweiligen Werke. Ich denke, die Qualität von Illustrationen, generell von Bildern, scheitert nie an ihrem Bezugspunkt. Wenn Bilder scheitern, dann an sich selbst. Als solches Scheitern sehe ich es an, wenn eine Arbeit sozusagen anonym bleibt, ihren Hersteller verleugnet. Da spreche ich nicht von Stil, wir können uns ja heute vor lauter Stil, Labels und Brands kaum retten. Sondern ich meine die Begegnung mit dem Wesen. Das ist das einzig wirklich Interessante an der Kunst, dass sich das menschliche Wesen dort einprägen kann, eine Spur hinterlässt von der Art, wie er oder sie die Dinge sieht. Um es aber kurz zu machen: Was die Stärke der Commedia angeht, kann ich nur sagen, dass ich sie empfunden habe. Die Stärke meiner eigenen Arbeit muss sich gegebenenfalls daran messen lassen, ob der Betrachter diese Empfindung wahrnimmt.
Stommel: Ich denke alles, was dort ist, tragen die Gäste irgendwo in ihrem Innern bereits mit sich, werden es vielleicht wiederentdecken. Es ist ein Blick tief zurück in die Zeit, 750 Jahre bis zu Dante und von ihm wird der Blick noch viel weiter geworfen. Ganz zurück, bis in die Gegenwart. Zeit ist ja relativ.
Stommel: Ich habe in der Vergangenheit einige Radierungen zu verschiedener Literatur gemacht, allerdings nicht in solchem Umfang wie zur Commedia. Ein vor Längerem zur Seite gelegtes Projekt könnte wieder aktuell werden, mal sehen. Allerdings bin ich hauptsächlich in der Malerei aktiv, auch davon sind in der Ausstellung im Otto Schäfer Museum ein paar große Arbeiten zu sehen. Momentan bereiten wir die Präsentation von Malerei und Grafik auf der Art Karlsruhe vor, zu der ich bei dieser Gelegenheit ebenfalls herzlich einlade.