Außer den Insidern war wohl kaum jemandem bekannt, dass es in Schweinfurt eine beeindruckende Sammlung von historischen Landkarten und Atlanten gibt. Einige Schätze hat Otto Schäfer gesammelt, sehr spannend ist auch der historisch gewachsene Bestand von Archiv und Bibliothek der Stadt. Gut 30 Karten und Atlanten aus der Zeit zwischen ausgehendem 15. und Ende des 18. Jahrhunderts sind nun im Museum Otto Schäfer zu sehen. Ein umfangreicher Katalog widmet sich der Entwicklung der Kartografie.
Aus Schweinfurter Sicht besonders spannend sind die Exponate aus dem städtischen Gymnasium. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren die Schüler verpflichtet, auf eigene Kosten Landkarten zu kaufen, aus denen Atlanten für den Unterricht zusammengestellt wurden.
Vermutlich wurden rund 400 Karten gestiftet, 350 sind erhalten. Datum der Schenkung und der Name des Schülers sind auf jedem Blatt vermerkt.
1595 hatte der Kartograf Gerhard Mercator erstmals den Begriff „Atlas“ für eine in Buchform gebundene Sammlung von Landkarten verwendet. Kartensammlungen gibt es freilich viel länger. Die ältesten beziehen sich auf Daten, die der in Alexandria lebende Mathematiker und Astronom Claudius Ptolemaeus um 150 nach Christus erhoben hat. Er hinterließ der Nachwelt die Koordinaten von 8000 Orten der damals bekannten Welt. Seine „Geographia“ wurde in der Renaissance wiederentdeckt, ins Lateinische übersetzt und gedruckt. Die erste nördlich der Alpen veröffentlichte Ausgabe, der „Ulmer Ptolemaeus“ von 1482, ist nun im Museum Otto Schäfer zu sehen.
Ptolemaeus glaubte noch, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums ist, aber ihm war schon bekannt, dass sie eine Kugel ist. Auch er wusste also um das Problem, die von einer Kugel erfassten Daten in die Zweidimensionalität des Papiers zu übertragen. Die Karten, die sich auf seine Koordinaten beziehen, sind als Trapez gezeichnet, das heißt, sie werden nach Norden schmaler. Durch diese eigentümliche Projektion wird alles verzerrt dargestellt, auch die schon besser bekannten Gegenden. Skandinavien ist im Ulmer Ptolemaeus kaum wiederzuerkennen. Woher der in Unterägypten lebende Astronom seine Daten hatte, ist nicht bekannt, sagt Günter Drescher, Leiter des MOS.
Auch die älteste gedruckte Straßenkarte Europas ist in der Ausstellung zu sehen. Der Nürnberger Kartograf Erhard Etzlaub hat um 1500 Wege von Dänemark bis nach Rom eingezeichnet. Einer der Wege, von denen jeder Punkt eine Meile markiert, führt durch Franken, freilich nicht direkt an Sweynfurt vorbei, sondern etwas weiter westlich. Kompassangaben sollten dem Nutzer helfen. Ob diese Karte wirklich funktioniert hat, diese Frage muss auch Georg Drescher offen lassen.
Auf der Weltkarte des Mathematikers und Astronomen Peter Apian von 1584 ist Südamerika bereits in seinen Umrissen erkennbar. Von Nordamerika wusste man noch gar nichts, Apian zeichnete es als schlauch-ähnliches Gebilde, das im Norden mit Grönland zusammengewachsen ist. Den nächsten großen Schritt machte Gerhard Mercator. Er hat nicht nur den bis heute verwendeten Begriff Atlas geprägt, auf seiner Karte von Afrika sind die Längen- und Breitengrade in angedeuteter Krümmung zu sehen. Mercator hat es geschafft, die gekrümmte Erdoberfläche winkelgenau auf Papier zu bringen.
Sein Erbe wurde vom Niederländer Kartografen Jodocus Hondius übernommen. Er kaufte die Kupferplatten von den Söhnen Mercators. In seinem Atlas von 1633 ist die Welt als zwei Kreise dargestellt, auf dem einen ist Amerika, auf dem anderen die alte Welt. Dieser Atlas ist seit 1644 im Besitz der Reichsstadt Schweinfurt nachweisbar. Zu den herausragenden Stücken zählen die „Bairischen Landkarten“ von 1568, für die der Kartograf Philipp Apians sieben Jahre lang das Herzogtum Bayern bereiste. Dank ihrer Präzision setzten die Karten mehrere Jahrhunderte lang Maßstäbe für folgende Vermessungen, sagt Georg Drescher.
Alte Karten und Atlanten, Museum Otto Schäfer, bis 25. November, eine Ausstellung von MOS und Stadtarchiv.