Für die 21-jährige Theresa ist es eine Selbstverständlichkeit, den 240 PS starken Traktor auf dem Hof ihrer Eltern zu fahren. Für ihre 89-jährige Oma war es vor einem halben Jahrhundert schon etwas Außergewöhnliches den 24-PS-Bulldog des Ehemanns zu steuern. Als eine der ersten Frauen in der Gemeinde Schonungen besaß Maria Wittmann in Waldsachsen sogar den „Dreier“, also den Führerschein für Auto und Traktor. Doch „nur wenn?s notwendig war, bin ich gefahren“, erinnert sich die 89-Jährige.
Im nächsten Jahr plant der Heimatkundliche Arbeitskreis die Ausstellung „Auf Achse! Die Geschichte der Mobilität in den Dörfern der Großgemeinde Schonungen“ in der Alten Kirche. Dabei soll auch die Frage beleuchtet werden, inwieweit Frauen an der nach 1950 zunehmenden Mobilität beteiligt waren. Einige Fotos zeigen zwar Frauen, die schon in den 1930er-Jahren auf Motorrädern posieren, aber das war die Ausnahme.
1959 erwarb Maria Wittmann ihren „Lappen“
Nach Recherchen von Daniela Harbeck-Barthel durften Frauen erstmals 1968 an einem Radrennen teilnehmen. Bei den Listen von Interessenten, die die Gemeinden an Fahrschulen meldeten, waren in den 1950er-Jahren zwar Frauen dabei, aber sie waren angesichts ihres Anteils an der Gesamtbevölkerung deutlich in der Minderzahl.
Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Traktoren die Pferde- und Kuhgespanne in den landwirtschaftlichen Betrieben ersetzten, sah man auch zunehmend Frauen die Traktoren auf Feldern und im Dorf steuern.
1959 erwarb Maria Wittmann in einer Schweinfurter Fahrschule den „Lappen“. In der Regel aber saß ihr Mann am Steuer, wenn die Familie mit dem einige Jahre später erworbenen Auto, einem Ford Taunus, unterwegs war. „Das hat er sich nit nehmen lassen, da hab ich mich nebenan setzen müss.“ Allerdings drängte Ehemann Xaver darauf, dass seine Frau den Führerschein für Auto und Traktor machte. Denn in ihrem bäuerlichen Betrieb mit 18 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche stand nämlich der Kauf des ersten Traktors an.
Das 24-PS-Gefährt konnten die Eheleute am 2. März 1959 abholen, just an dem Tag, als Maria Wittmann ihren Führerschein ausgehändigt bekam. „Der war schon stark, andere Traktoren waren oft nur mit der Hälfte an PS ausgestattet“, weiß die Seniorin. Der Tank fasste 25 Liter und das Dieselfass für den Vorrat etwa die zehnfache Menge. Enkelin Theresa Wittmann steuert einen Vergleich bei: Beim Mähdrescher passen 800 Liter Treibstoff in den Tank.
Zur Fahrzeugsegnung wurde der Traktor mit Blumen geschmückt
Zu Fahrzeugsegnungen auf dem Kirchplatz wurde der Traktor immer auf Hochglanz poliert und mit Blumen geschmückt vorgefahren. Nicht verwunderlich, denn für das Gefährt hatte man lange sparen müssen.
Leicht war es für Maria Wittmann zu damaliger Zeit nicht, die Fahrstunden zu absolvieren und den Theorieunterricht zu besuchen. Denn die junge Frau musste dazu von Waldsachsen nach Schweinfurt und wieder zurückfahren.
Sie hatte zwar eine Mitfahrgelegenheit von Schweinfurt Richtung Marktsteinach bis zur Abzweigung der Kreisstraße nach Waldsachsen, lief aber ungern allein bei Dunkelheit auf dieser Straße zu ihrem Dorf zurück, zumal eine Teilstrecke durch den Wald führt. Deshalb holte sie Ehemann Xaver dort ab.
Einmal, so erinnert sich die 89-Jährige, sei der Ehemann nicht zum vereinbarten Zeitpunkt da gewesen. Also machte sie sich allein auf den Weg. „Als ich heimgekommen bin, lagen mein Mann und unsere drei Kinder auf dem Kanapee und waren eingeschlafen!“
Gut erinnert sich Maria Wittmann noch an die Fuhren mit Getreide, die sie vom Feld heimfuhr oder nach Gädheim zu einem Landhandelsbetrieb brachte. Ab den 1970er-Jahren besaß die Familie auch einen Mähdrescher. Da Maria Wittmann den Traktor fahren konnte, konnte dessen Getreidetank beim Dreschen auf dem Feld immer reibungslos entleert werden. Sie und ihr Mann waren mit Traktoren und Anhänger bei ihrer Getreideernte dabei und fuhren abwechselnd die Körner weg. Sohn Michael war mit fünf Jahren dabei auf dem Schoß der Mutter gesessen und hat gelenkt.
Theresa fährt auch das Feuerwehrauto
Alle Kinder haben mit 18 Jahren den Auto-Führerschein erworben, mit 14 Jahren schon fuhr der älteste Sohn Michael, der den Hof jetzt mit seiner Familie bewirtschaftet, auf dem Feld den Mähdrescher.
„Als wir klein waren, durften wir auch bei Papa auf dem Traktor oder dem Motorrad am Lenkrad sitzen“, erzählt Enkelin Theresa und ihre Augen strahlen. „Natürlich nur auf nichtöffentlichen Wegen“, fügt sie hinzu. Die 21-jährige Studentin von Agrarmarketing und -management in Weihenstephan kann es sich gar nicht vorstellen, ohne Führerschein und eigenes Auto zu leben. Sie besitzt den B, BE, T sowie den A1 Führerschein und hat seit heuer als Waldsachsener Feuerwehrfrau auch die Berechtigung das Feuerwehrauto zu lenken. Sogar den Mähdrescher der Familie steuert sie und drischt auch mal einen Acker, wenn ihr Vater und ihre Brüder Hilfe brauchen. In der Regel fährt Theresa bei der Ernte aber wie ihre Großmutter und später auch ihre Mutter die Getreidefuhren vom Acker. Der von ihr gefahrene Traktor ist bei Weitem aber nicht mehr mit dem Bulldog ihrer Oma zu vergleichen. Das Hightech-Gefährt hat nämlich 240 Pferdestärken unter seiner Motorhaube und ist computergesteuert.