
Über das Schweigen schreiben, über das Schweigen sprechen, das ist keine leichte Angelegenheit. Dennoch hat sich die Schweinfurter Autorengruppe (SAG) in ihrer diesjährigen Gala diesem Thema angenähert und in der Disharmonie einen außergewöhnlichen Abend gestaltet.
Johanna Bonengel, Moderatorin der Veranstaltung, meinte eingangs, dass der Aufenthalt unter Menschen, die die Literatur lieben, immer ein angenehmer sei. Und vielleicht war dies die Grundessenz für die gute Atmosphäre, in der sich das Thema von vielen Seiten beleuchten ließ.
Die Stille aushalten, das gehört unbedingt auch zum Schweigen, Jule Beck griff mit der Stille des Beginns und ihrem Text "Eigentlich" die vielerlei Arten des Schweigens auf – eigentlich paradox, mit Worten etwas darüber zu sagen.
Die großen unbeantworteten Fragen des Lebens
Almut Heusinger-Zuber verwies mit ihrer klaren lyrischen Sprache auf die stoische Gelassenheit, die nach außen oft still und stabil daherkommt. Am Bild der Eiche, "die große Schweigerin" vermittelte sie gekonnt die Auswirkungen dieser Lebenshaltung. In weiteren Gedichten griff sie eindrucksvoll die großen Fragen des Lebens auf, die unbeantwortet bleiben oder immer wieder neu beantwortet werden müssen, sowie die besondere Sprachlosigkeit, die mit Gewalterfahrungen einhergeht.
Joachim Engel stellte in seinem Vortrag gekonnt den Verrat und das Schweigen gegenüber – und wir können uns denken, was am Ende produktiver und sinnhafter hervorging.
Von Taten und Gesten, die Versöhnung bringen
Annika Grosch trug eine Satire über eine Kleinstadtidyllle vor: "Vom Häkeln und der Gartenpflege", in der das Schweigen in der Ehe erfolgreich zerredet wurde und sich dadurch jedoch vergrößerte. Am Ende sind es jedoch die wortlosen Taten und Gesten, die Versöhnung bringen – das goldene Schweigen, das Ehen retten kann.
Krankheitsbedingt musste Peter Hub seinen Text "Harry" stellvertretend von Jule Beck vortragen lassen. Damit kam vor der Pause das Schweigen in den Raum, das wohl die größte Endgültigkeit in sich trägt: der Tod, das Liebäugeln mit dem Sterben, "als wär der Tod ein Ort", ein Schweigen für immer.
Die düstere Sehnsucht in Ludwig Hirschs "Schwarzem Vogel"
Getragen von Textpassagen aus Ludwig Hirschs Lied "Komm, großer schwarzer Vogel" schimmerte aus der Düsternis eine lichtvollere Sehnsucht, die Mad Bob, der Mann am Klavier, kongenial aufgriff. Seine Musikstücke und Improvisationen begleiteten immer wieder passend durch den ganzen Abend die Gefühlslage der Texte und des Publikums.
Hanns Peter Zwisler, Mitbegründer der SAG, verdeutlichte, was das Schweigen in einer kriminalistischen Ermittlung bewirken kann. Dieses Nicht-Wissen und Nicht-Wissen-können allein durch das Schweigen des Gegenübers … wir kennen es alle. Renate Eckert griff das Thema von einer ganz anderen Seite auf. Indem sie das Wort direkt an den russischen Präsidenten Wladimir Putin richtete: "Was hat dich nur so zerbrochen gemacht, kleiner Mann?"
Darin kam die Beklemmung, die sprachlos macht, ebenso zum Vorschein wie das machtvolle Schweigen derer, die gewaltsam zum Verstummen gebracht werden.
Allein – vor der Mauer des Schweigens
Linde Unrein stellte in ihrem Text "Schweigen oder what shell we do?" ein besonderes Milieu vor: Schweige-Retreats, in denen die Beteiligten in des Stille wieder zu sich selbst finden können – wenn sie es können. Ulla, der Protagonistin in Unreins Text, gelingt das nicht. Das Schweigen im Walde griff Beck mit schönen Bildern auf: wenn die "Wege mit Kornblumensaum" hineinführen in die wispernde Stille, bis "wir vor der Mauer des Schweigen stehen, allein."
Da tut die Gesellschaft von Literaturliebenden besonders gut. Zumal ja auch des Lesen ein schweigsamer Prozess ist: voller Geschichten.