Die Ausstellung „Vom Narrenschiff bis Max Moritz – Bestseller deutscher Literatur“ im Museum Otto Schäfer endet am 28. Juli. Zahlreiche rare Drucke sind in dieser Präsentation zu sehen, etwa die Erstausgabe von Grimmelshausens „Simpliccisimus Teutsch“. Das seltenste Exponat ist aber eines der unscheinbarsten und wurde zuvor noch niemals ausgestellt.
Nachdem Clemens Brentano und Achim von Arnim 1806 in Heidelberg den ersten Band ihrer Volksliedsammlung „Des Knaben Wunderhorn“ herausgegeben hatten, benötigten sie weiteres Material für die beiden Folgebände. Also verfasste Brentano ein Rundschreiben an Sammler und Gelehrte mit der Bitte um Unterstützung: „Wir nehmen uns die Freiheit, Sie um ihre Unterstützung in einem deutschen literärischen Unternehmen zu bitten. (...) Wir wünschen nämlich, recht viele brave deutsche Männer, die mit dem Landmann und den übrigen untern Volksklassen in näherer Berührung stehen, dahin zu bewegen, alle ältere Volkslieder, welche die Tradition im Gesange dieser Stände noch erhalten hat, schriftlich aufzufassen.“
Obwohl Brentano, der zusammen mit von Arnim das Rundschreiben vorab unterzeichnete, 500 Exemplare drucken ließ und rund 50 Beiträger ihm Liedtexte zukommen ließen, haben sich nur wenige Zirkularbriefe erhalten. Das Schweinfurter Exemplar ist nicht nur eines der wenigen erhaltenen Exemplare dieses Schreibens, sondern zur Zeit auch das einzige nachgewiesene Exemplar in deutschen Bibliotheken.
Zusätzlichen Wert erhält es durch seinen Empfänger: Es ist das Zirkular, das Brentano am 28. Juni 1806 an Jakob Grimm in Kassel sandte: „Savigny hat mir ein Schreiben von Ihnen mitgetheilt, das mich sehr erfreut hat, ihre gute Gesinnung für das Wunderhorn, und ihre werthen Mittheilungen sind recht sehr lieb. (...) Sollten Sie Gelegenheit wißen dieses Zirkular an Männer, denen man Gesinnung für die Sache zutrauen kann, im tiefern Heßen, an Prediger, Freunde ect. zu verbreiten, so schreiben sie mir nach Heidelberg, wieviel Briefe ich ihnen zusenden soll.“