Die Produktion von Tüten, das war die Geschäftsidee von Hans Lochner. 1930 begann er damit am Kornmarkt in Schweinfurt. Nach dem Krieg gab die Firma die Tütenproduktion zugunsten des Papiergroßhandels auf. Die Geschäfte liefen gut, am Kornmarkt wurde es zu eng. 1983 siedelte die Firma ins Gewerbegebiet Sennfeld über.
Seniorchef Herbert Seubert war 1957 als „Stift“ zu Lochner gekommen. 1978 wurde er Teilhaber. Denn als sich der kinderlose Hans Lochner 1993 zurückzog, übernahm Herbert Seubert das Unternehmen. Just im 85. Jahr der Firmengründung hat Seubert seine Erlebnisse aus der Lehrzeit aufgeschrieben.
Herbert Seubert stammt aus Sennfeld, bewirbt sich als „Knabe“, damals 15, bei der Lochner Papiergroßhandlung in Schweinfurt am Kornmarkt. Der Einstellungstest waren Rechenaufgaben und ein Schönschreibtest mit Rechtschreibprüfung. Außer Lager- und Büroarbeiten war ihm die Auslieferung der Waren aufgetragen.
In Schweinfurt war der Stift mit einem Handwagen unterwegs, in Bad Kissingen war er als „beifahrender Warenausträger“ dabei. In die Kurstadt bestanden beste Geschäftsbeziehungen zu sehr vielen Firmen.
Der Lieferwagen war ein Opel Rekord. Der „Jungstift“ (Seubert) und der „Oberstift“ wetteiferten, wer mehr Waren in den Opel schichten konnte. „Das Toilettenpapier kam auf die Rücksitze, nicht ohne vorher auf die wertvollen Sitze eine alte Schlafdecke zu spannen“, schreibt Seubert in seinen 20-seitigen Erinnerungen.
Ein Zuckerschlecken sei das Zuliefern nicht gewesen. Die Waren, die man erst in die oberen Stockwerke des Lagers am Kornmarkt hochschleppen musste, galt es nun „über die steilen Treppen“ zur Auslieferung wieder nach unten zu tragen. „Gedanken an einen Fitnesscenter hatte ich nach Geschäftsschluss nie“, schreibt Seubert, zumal er ein „sonniges Bürschchen mit zartem Gemüt“ gewesen sei.
Der Stift, der bei der einen oder anderen Adresse vergeblich auf eine Hanutawaffel als Belohnung gewartet hatte, stieg nach kurzer Zeit zum Inkassobeauftragten auf. „So dumm hat sich der Bub vom Land scheinbar nicht angestellt“, schreibt Seubert. Es folgen herrliche Berichte über die Fahrt mit dem Nachfolger des Opel Rekord, einem VW Bulli, mit dem man bei Maibach beinahe von der Fahrbahn abgekommen wäre.
Seubert beschränkt sich in seinen Erinnerungen großteils auf die Zeit als Auszubildender, der hauptsächlich in Bad Kissingen zu tun hatte. „Wie im Leben alles so geht“, sagt der Seniorchef über die Besonderheit seiner „Karriere“.
Zum 70. Geburtstag der Firma Lochner im Jahr 2000 hat Seubert dieser Redaktion ein Interview gegeben und angekündigt, in moderne Technik zu investieren, weil das „Internet uns im letzten Jahr schon viele neue Kunden gebracht hat“.
Er hat damals fürs gerade eröffnete Museum Georg Schäfer geworben: Auf Einkaufs- und Schmucktüten prangten Gemälde aus der Sammlung, von Adolph Menzel und von Wilhelm von Kobell. „Es hat mich geärgert, dass Schweinfurt in Deutschland nur durch die Kugellagerindustrie und den Fußball bekannt ist“, begründete Seubert seine Imagekampagne. Bei den von ihm besuchten Messen kamen die Tüten gut an.
Lochner bietet alle Arten von Verpackungsmaterialien an. Pack- und Seidenpapiere gehören genauso dazu wie Taschen aus Papier, Baumwolle oder Folie. Sie sind auf Wunsch mit dem Logo des Kunden bedruckt. Grafiker gestalten das Werbekonzept. Es gibt auch Geschenkpapier, Schmuck-Etiketten, Gutschein-Vordrucke, Kassenblöcke oder Klebebänder.
Gastronomie- und Hotellerieartikel sind der zweite Hauptzweig von Lochner-Großhandel, von der Kerze über Servietten bis hin zu Toilettenartikeln. 90 Prozent der Produkte werden in der Region Schweinfurt abgesetzt, der Rest bundesweit. Bei Verpackungsartikeln geht gar die Hälfte der Waren in die gesamte Republik.
25 Mitarbeiter zählt das Unternehmen. Die meisten sind schon seit vielen Jahren dabei. „Das zeugt für das gute Betriebsklima“, sagt Seubert.
Der 72-Jährige zieht sich Zug um Zug aus der Firma zurück. Sohn Steffen (40) hat bereits die Geschäftsleitung übernommen und ist auch für das neue Logistikzentrum im Maintal verantwortlich.