Sanft übt sie mit den Fingern Druck auf die Kopfhaut aus und zieht kreisende Bewegungen. Rischan Woldehannes lächelt, während sie ihrer Kundin eine wohltuende Kopfmassage gibt. Die 27-Jährige befindet sich im ersten Lehrjahr zur Friseurin im Schweinfurter Friseursalon Glückssträhne.
Eine von vier weiblichen Auszubildenden in Unterfranken
Das Besondere: Rischan kommt aus Eritrea und ist vor etwas mehr als vier Jahren mit ihrem Sohn vor dem repressivem Regime ihres Heimatlandes geflohen. Sie zählt zu den vier Frauen aus den klassischen Fluchtländern, die derzeit in Unterfranken eine Berufsausbildung absolvieren.
„Es war Liebe auf den ersten Blick, als ich sie beim Vorstellungsgespräch kennenlernte“, sagt Rischans Chefin Elke Kuhn. Nie werde sie den Blick der jungen Eritreerin vergessen, „als ich ihr sagte, dass sie hier anfangen kann“. Es sei schon lange ihr Traum gewesen Friseurin zu werden, erzählt Rischan, die in Eritrea nahe der Hauptstadt Asmara aufwuchs. Zwar darf sie im ersten Lehrjahr noch keine Haare schneiden oder Strähnchen einfärben, aber der Übungskopf im Salon ist ihr ständiger Begleiter.
„Sie macht sich sehr gut und ist super im Team aufgenommen worden“, sagt Kuhn. Kollegin Lea habe sogar Vorurteile abbauen können und nun viel mehr Verständnis für Menschen, die aus ihrem Heimatland flüchten müssen.
Lob für ihre Arbeit
Auch bei den Kunden kommt die Eritreerin gut an. „Ich finde es toll, dass sie hier die Chance hat, eine Ausbildung zu machen und damit ihre Zukunft zu sichern“, sagt Andrea Meißner-Feser aus Schonungen. Und Kuhn fügt hinzu: „Ich hatte anfangs Sorge, dass es vielleicht Kunden geben würde, die Rischan gegenüber abweisend sind. Wir haben auch besprochen, wie sie sich in solchen Situationen verhalten kann.“
Zum Glück war die Sorge umsonst: „Im Gegenteil gibt es viele Menschen, die ihr Lob aussprechen“, erzählt die Chefin stolz. Ein Stück gelebte Integration im Friseursalon. Für Kuhn irgendwie eine Berufung: „Ich hatte schon immer das Bedürfnis Menschen zu helfen, die es schwerer im Leben haben.“
Für Rischan ist der Job ein Glücksfall und Kuhn viel mehr als „nur“ eine Chefin. Sie habe nie jemandem zur Last fallen wollen, wolle ihr eigenes Geld für sich und ihren siebenjährigen Sohn verdienen, sagt die Eritreerin mit fester Stimme. Angesprochen auf die Situation in ihrem Heimatland erzählt sie von den Zwängen des Regimes, „es gab keine Freiheit, keine Arbeit, keine Zukunft“.
Keine Zukunft in Eritrea
Mit ein Grund für die wirtschaftlich desolate Lage ist auch der allgemeine Wehrdienst. Egal ob Mann oder Frau - in Eritrea ist er ein Leben lang Pflicht und beginnt schon nach der elften Klasse. „Ich habe da gerade meinen Sohn geboren, deswegen musste ich erst mal nicht zum Militärdienst“, erklärt sie.
Doch die Angst vor einem Leben in Unfreiheit wurde größer, die Situation im Heimatland für Rischan unzumutbar. Zusammen mit ihrem damals dreijährigen Sohn beschloss sie nach Deutschland zu fliehen. Im Gepäck das Geld, das ihre Familie für sie gesammelt hatte.
Erst wohnte sie in Soest in der Nähe von Köln in einer Aufnahmeinrichtung. Nach neun Monaten erhielt sie die Anerkennung als Asylberechtigte. Seitdem hat sich ihr Leben zum Positiven verändert. Sie lebte erst bei ihrer Tante in Schweinfurt und besuchte Sprachkurse. Heute hat sie mit ihrem Sohn eine eigene Wohnung, erweitert auf der Arbeit jeden Tag ihr Sprachrepertoire. Ihr Sohn geht zur Schule und spielt Fußball im Verein.
Da die Berufsschule doch noch Schwierigkeiten birgt, bekommt sie Unterstützung durch das Projekt Kaje (Kooperative Ausbildung für Jugendliche und junge Erwachsene). So wird sie im ersten Ausbildungsjahr sozialpädagogisch begleitet, zusätzlich findet ein wöchentlicher Förderunterricht statt.
Feste Ziele
Rischan hat einen festen Willen, feste Ziele. Erst mal will sie eine gute Friseurin werden, Deutsch noch besser sprechen. Und dann? „Irgendwann ein eigener Salon – das ist mein großer Traum“, sagt sie und lächelt.
Wenn die junge Frau Sehnsucht nach Zuhause hat, telefoniert sie mit ihren Eltern in Eritrea. Zurück kann sie nicht. Nicht, solange sich die politische Situation nicht verändert. So heißt es weiterkämpfen um einen festen Platz in der deutschen Gesellschaft. Durch die Ausbildung ist der erste Schritt getan.
Flüchtlinge in Ausbildung
Die Handwerkskammer für Unterfranken (HWK) verzeichnete 2016 insgesamt 85 Lehrverträge von Menschen aus den acht klassischen Fluchtländern (Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien). Vier der Auszubildenden sind weiblich. Seit April 2016 beraten Willkommenslotsen der HWK kleine und mittlere Unternehmen in allen praktischen Fragen der betrieblichen Integration von Flüchtlingen. Aktuell betreut die HWK für Unterfranken mit ihren Tochterunternehmen über 555 Personen mit Fluchthintergrund in verschiedenen Maßnahmen.
Da auch bei Flüchtlingen Ausbildungsstellen nach persönlicher und fachlicher Eignung besetzt werden, zeigt sich hier die ganze Vielfalt der Ausbildungsberufe im Handwerk: Bauberufe wie Hochbaufacharbeiter, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger oder Maurer sind genauso vertreten wie die Berufe des Lebensmittelhandwerks (Bäcker, Metzger, Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk) oder auch Kraftfahrzeugmechatroniker, Elektroniker, Fahrzeuglackierer und Friseure.
Quelle: Handwerkskammer für Unterfranken